Stellen Sie sich bitte kurz Folgendes vor: Einmal im Jahr kämen die Politiker dieses Landes zu einer parteiübergreifenden Veranstaltung zusammen, bei der es darum ginge, die erfolgreichsten Köpfe und Projekte auszuzeichnen. Wer würde da dieses Jahr einen Preis bekommen? Ein junger Wirtschaftsminister für die beste fast gelungene Rettung eines darbenden Automobilherstellers? Eine altgediente Ministerin, die es geschafft hat, das Gesundheitssystem um einen riesigen neuen Verwaltungsapparat zu bereichern? Oder eine Kanzlerin, die keine Lust auf Wahlkampf hat und glaubt, den Menschen, für die sie Politik macht, nicht sagen zu müssen, was sie ihnen in den kommenden Jahren zumutet, wenn sie wiedergewählt wird?
Das wäre ein Witz, oder? Ein Witz, wie ihn sich das Fernsehen jedes Jahr aufs Neue leistet.
Am Mittwochabend sind in Berlin die Nominierungen für den 11. Deutschen Fernsehpreis bekannt gegeben worden, und lustig war daran gar nichts mehr, es war bloß: eine Zumutung.
Dass das Fernsehen in der Krise steckt, ist bekannt, und in den kommenden Wochen wird sehr schön im Programm zu sehen sein, wie diese Krise die sowieso schon nicht sehr ausgeprägte Innovationsfähigkeit der deutschen Fernsehmacher noch weiter schmälert. Wie schlimm es jetzt schon ist, lässt sich gut an der Liste der Sendungen ablesen, die die Jury in diesem Jahr für preiswürdig hält. Das mag nicht für alle Genres gelten, in einigen aber ist der Schreck besonders groß. Kein Wunder, dass sich WDR-Fernsehprogrammdirektorin Verena Kulenkampff und RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger in ihrer Funktion als Beiratsmitglieder den Weg nach Berlin gespart hatten: Es wäre bloß peinlich geworden.
In der Rubrik „Beste Unterhaltungssendung/Moderation“ treten 2009 gegeneinander an: „Schlag den Raab“ (Pro Sieben), „Willkommen bei Mario Barth“ (RTL) und – „Wetten dass..?“ (ZDF). Dass es „Einer wird gewinnen“ und „Der Goldene Schuss“ nicht auf die Liste geschafft haben, muss ein Versehen sein. Als „sehr unterhaltsam und bereichernd“ empfand die stellvertretende Juryvorsitzende Miriam Meckel, ihres Zeichens ausgewiesene Fernsehexpertin, die Beiträge, die als beste Comedy ins Rennen gehen: Die „heute show“ mit Oliver Welke, die es bisher gerade mal auf zwei Ausgaben gebracht hat, der okaye RTL-Flop „TV-Helden“ und Horst Schlämmer – nein, halt: „Wir nominieren nicht Horst Schlämmer, sondern Hape Kerkeling für seine Figur Horst Schlämmer“, erklärte Meckel in Berlin. Und zwar „am Beispiel“ seiner Pressekonferenz am 4. August zum Start seines Films „Isch kandididiere“, die N24 als ausstrahlendem Sender quasi seine erste Fernsehpreis-Nominierung einbringt.
Es wird aber noch trauriger: Die ganze Verzweiflung, überhaupt Formate zu finden, die sich in eine Kategorie pressen lassen, spiegelt sich in den Nominierungen zur „besten Serie“. Fündig wurde die Jury bei „Lasko – Die Faust Gottes“ (RTL), der BR-Serie „Franzi“ und „Der Lehrer“, das bei RTL Ewigkeiten im Schrank lag und gerade am Montag nach „Doctor’s Diary“ weggesendet wurde (das fatalerweise nicht mehr nominiert werden kann, weil die Serie den Preis schon im vergangenen Jahr gewonnen hat weil „DD“-Produzentin Beatrice Kramm dieses Jahr Mitglied der Jury ist).
Nur zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren in dieser Kategorie außerdem „Dr. Psycho“, „KDD“, „R.I.S.“ und „Mord mit Aussicht“ nominiert.
Als beste Sportsendung kommen außer dem WDR-Investigativformat „Sport Inside“ die komplette „Leichtathletik-WM“ im ZDF (und nur die Übertragung im ZDF) und die „Sportschau “ vom 23. Mai 2009 in Frage. In der Kategorie Information will sich die Jury erst noch alle Wahlsendungen ansehen und dann Mitte September bekannt geben, was davon herausragend war. Das wird noch mal eine Überraschung.
Die Auszeichnungen für die „Beste Reality-Sendung“ und die „Beste Wissenssendung“ spart man sich dieses Jahr gleich ganz, und wahrscheinlich wäre es eine gute Idee, mit der kompletten Veranstaltung genauso zu verfahren, so lange das deutsche Fernsehen derart runtergerockt ist wie zurzeit. Die Jury hätte den ganzen Aufwand nicht betreiben müssen, die vielen, vielen Fernsehstunden, mit denen Bettina Böttinger als zweite Vorsitzende in Berlin kokettierte („Manches muss man sogar zweimal gucken!“).
Mit welcher Überzeugung die Jurymitglieder dennoch darauf bestehen, ein herausragendes Fernsehjahr gesehen zu haben, ist befremdlich. Vor allem, wenn solche Äußerungen von einer Fernsehkritikerin wie Klaudia Wick kommen, die keine Spur der „immer wieder herbeigeredeten Krise“ der deutschen Serie erkennen kann. Frau Wick, schauen Sie sich doch mal Ihre Nominierungen an. Kann es deutlichere Zeichen dafür geben, dass mit dem Fernsehen gerade irgendwas nicht stimmt?
Ich kann schwer beurteilen, ob die Nominierungen in anderen Genres gerechtfertigt sind, weil ich vieles davon nicht gesehen habe. Klar, warum sollen „Mogadischu“ oder „Die Wölfe“ keinen Preis kriegen? Und ich weiß, dass die Auszeichnungen in den Kategorien Regie, Buch und Kamera wichtig für alle sind, die nicht permanent im Rampenlicht stehen und sich trotzdem bemühen, gutes Fernsehen zu produzieren. Dass die Veranstaltung, bei der das passiert, aber jedes Jahr einen traurigeren Eindruck macht, kann keine Lösung sein.
Es war ein Lichtblick, dass Sat.1 als in diesem Jahr ausrichtender Sender die tolle Idee hatte, Anke Engelke und Bastian Pastewka in ihren Rollen als Volksmusik-Duo Wolfgang und Anneliese moderieren zu lassen (und wahrscheinlich kriegen sie dafür im kommenden Jahr den Deutschen Fernsehpreis). Aber schon der Termin für die Ausstrahlung ist so dämlich, dass das auch nichts retten wird: Die Verleihung läuft am 26. September, einen Tag vor der Bundestagswahl und am selben Abend, an dem Pro Sieben mit der „TV total Bundestagswahl“ ein tausend mal interessanteres Programm zeigt. Wer sich dann dafür interessieren soll, wie sich das Fernsehen selbst feiert, hat am Mittwoch in Berlin leider niemand verraten.
Foto: Deutscher Fernsehpreis
also doctor's diary ist...
also doctor’s diary ist wirklich das letzte, andere nominierte sendungen auch
Tja, am Besten, man macht...
Tja, am Besten, man macht gleich alles selber! So schwer kann das unter diesen Bedingungen doch nicht sein – haben sich dann die entscheidenden Damen und der Herr beim NDR gesagt. Das war zwar letztlich nicht preiswert, aber für das kommende Jahr wäre die Rubrik „Selbstgemachtes“ eine vielversprechende Ergänzung mit neuen Gesichtern.
Fernsehen...? Was war das noch...
Fernsehen…? Was war das noch mal?
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Und Angelmerkel und der festgefönte Adelsminister sparen sich ihre Kraft für das Feiern ‚danach‘. Wieso Wahlkampf machen, wenn man das Volk für so blöde wie eben blödes Stimmviechzeugs hält? Das wären ja Perlen vor die Säue… äh… Kühe geworfen! Vielleicht gucken die beiden am 26. September ja den Fernsehpreis und wären damit die einzigen Zuschauer.
Ach Peer, du armer...
Ach Peer, du armer Schelm,
wieso tust du dir das nur an?
Du erinnerst mich einen Fan eines grottenschlechten Fußballclubs, man muss halt in guten und in schlechten Zeiten zu ihm stehen – ohne dass man so richtig weiß, warum eigentlich…
Warum gibt es eigentlich keine...
Warum gibt es eigentlich keine Preise für den größten Blödsinn der im Fernsehen läuft ??? Da gäbe es massenweiße Kategorien und Hauptdarsteller/innen besonders im Bereich „Beste Serie“, „Beste Unterhaltungssendung/Moderation“ und „Beste Comedy“.
"[...], die es bisher gerade...
„[…], die es bisher gerade mal auf zwei Ausgaben gebracht hat, der okaye RTL-Flop […]“
„okaye“?
Auf wessen Internetpräsenz sind wir hier noch einmal? F.A.Z.? Kommt mir vor wie ein Jugendmagazin.
Warum auf einmal diese...
Warum auf einmal diese Aufregung ??
Ich kann mich noch an letztes Jahr erinnern, da hat doch Herr Reich-Ranicki seine Meinung über den Schwachsinn im Fernsehen geäußert und wurde durch die Presse und Medien total zerrissen.
Es ist nun mal so… es wird alles primitiver, das Fernsehen, die Sendungen, die sogenannten „VIP’S“, die uns ihr bescheuertes Leben in den Medien aufzwingen (bzw. die bescheuerten Medien machen so etwas auch noch mit)… es gäbe mit Sicherheit noch mehr aufzuzählen, aber dann wäre ich bei den schwach ausgebildeten Zuwanderungen, die die Allgemeinheit belasten… das ist ein anderes Thema
Die Zuordnung zu den...
Die Zuordnung zu den entsprechenden Kategorien ist wirklich schwierig. Eventuell sollte daher noch stärker unterteilt werden. Für Die Beste Dauerwerbesendung kann dann auch gleich das ZDF mit „Wetten dass…?“ nominiert werden.
Keinen Fernsehpreis fuer das...
Keinen Fernsehpreis fuer das beste neue ZDF-30- Millionen-Studio? Keinen Preis fuer die besten Wetterplauderer? Keinen Preis fuer die dreiseste GEZ? Ahh, verstehe, das will niemand mehr sehen und bedarf keienr Diskussionen.
Warum denn so verbittert?...
Warum denn so verbittert? 😉
Die Nominierungen sprechen Bände. Ganz nüchtern.
Ganz oben steht für mich, dass die Privaten nicht viel zu vermelden haben, wenn diese beiden RTL-Serien nominiert werden. Und die ÖR können sich nur deshalb halbwegs retten, weil sie in den von den Privaten vernachlässigten Bereichen Fernsehfilm und Dokumentation noch was darstellen. Die mehrfach nominierten Wölfe wurden übrigens von der Dokumentarfilmredaktion verantwortet. Sehen wollte sie trotzdem keiner.
Eindeutig ist, dass offensichtlich niemand in der Lage war, gute Unterhaltung anzubieten. Bei den Privaten gibts Niveauloses oder Eingekauftes, die ÖR bestechen mit Altbackenenm aber gute, erfolgreiche Unterhaltung würde von denen ohnehin keiner akzeptieren. Dann gibts den Gebührenhinweis und der Fingerzeig auf Dokus und Opern.
Immerhin bleibt uns in diesem Jahr eine peinliche Preissicherungskategorie erspart, so wie RTL zuletzt mit dem besten Coaching-Format einen Preis gewann.