Vor allem, wenn man bedenkt, dass RTL 2 bisher nicht gerade so wahnsinnig eng mit der großen Schwester (um das naheliegende Wortspiel zu vermeiden) verbandelt war. RTL hat das schon immer gestört, aber weil RTL 2 – anders als Vox – nicht zu fast 100 Prozent zur RTL Group gehört, sondern aus historischen Gründen auf mehrere Gesellschafter verteilt ist, hielt sich der Einfluss auf den Kanal immer in Grenzen. Vor einigen Jahren hat sich RTL 2 sogar erdreistet, die Verträge mit dem RTL-Vermarkter IP Deutschland zu kündigen und eine eigene Vermarktungstocher aufzumachen, die im Markt als Konkurrenz auftritt.
Bei seinem Noch-Arbeitgeber war der 40-Jährige als Leiter des Bereichs Comedy tätig, den Geschäftsführerin Anke Schäferkordt zuletzt ja ordentlich eindampfte. (Insofern ist es aus RTL-Sicht nur konsequent, die nonfiktionalen Comedy-Formate nun einfach in einen Zuständigkeitstopf mit den Real Life-Sendungen zu schmeißen und das, was noch an fiktionaler Comedy übrig ist, der Fiction-Chefin Barbara Thielen zuzuschieben.) Viel spannender für Andersens Aufgabe bei RTL 2 ist aber, dass er bei RTL auch für Programme wie „Die Super Nanny“, „Raus aus den Schulden“ und „Teenager außer Kontrolle“ zuständig war (wobei letzteres vor Jahren von RTL 2 entdeckt wurde und umgesetzt werden sollte – bis RTL seinen Anspruch anmeldete). Genau diese Real-Life-Kompetenz hat RTL 2 dringend nötig, weil dem Sender zuletzt selbst das ehemals so verschnarchte Kabel 1 darin den Rang abgelaufen hat. Kabel 1 hat vom Auswanderer-Trend profitiert, sich ein bisschen Coaching von der Konkurrenz abgeguckt und war wesentlich daran beteiligt, die TV-Renaissance von Kontrolletti-Formaten wie „Achtung Kontrolle“ einzuleiten.
Oder erinnert sich noch jemand an „Der Requardt“, „Das ist das Leben“, „Freunde und Helfer“, „Der Club der Ex-Frauen“, „Schwiegerschreck“, „Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“?, „Heirate mich!“ und „Extrem schön – Endlich ein neues Leben“? Schon vor längerer Zeit ist dem Sender das Knowhow für publikumsträchtige Dokusoaps verloren gegangen, von dem mit „Frauentausch“ nur noch Reste im Programm zu besichtigen sind. Der letzte Treffer heißt „Der Trödeltrupp“ und hält mit Glück noch so lange am Vorabend durch, bis „Big Brother“ zurückkehrt.
„Zuletzt gab es natürlich einen Stück weit den Versuch, erwachsener zu werden. Wenn man sich in einer pubertären Phase bewegt, dann geht man aber auch mal einen Schritt in eine vielleicht nicht ganz richtige Richtung. Aber wer auf seine Pubertät zurückblickt, der merkt, irgendwann hat man seinen Weg dann gefunden. So ähnlich muss man das auch bei RTL II sehen.“
Genau dasselbe hat er schon vor zweieinhalb Jahren erzählt, als ich mich mit ihm für einen Text in der F.A.Z. unterhalten habe. Erwachsen werden, Pubertät, bla bla. Das wird nicht reichen. RTL 2 braucht mehr als das. Der Sender braucht – eine ganz neue Idee. Sonst müssen wir uns bald schon wieder an einen neuen Claim gewöhnen:
Andersen-Foto: RTL [M: Das Fernsehblog] / Logos: RTL 2
Danke an Daniel!