Das Fernsehblog

Das Fernsehblog

Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Immer schön auf der Bremse: Kabel Deutschland und die Digitalisierung

| 46 Lesermeinungen

Der Fernsehempfang über Satellit ist bereits zu drei Vierteln digitalisiert, das Kabel hinkt immer noch hinterher. So steht's im Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten. Nur der Grund dafür steht da nicht. Als Kunde des größten deutschen Kabelnetzbetreibers findet man den aber schnell selbst heraus.

Stellen Sie sich bitte kurz mal vor, Sie werden heute Nacht aus dem Schlaf gerissen. Auf welche dieser Fragen wüssten Sie spontan keine Antwort?

1. Wie viele Joker gibt es bei „Wer wird Millionär?“
2. Wie heißt die kleine Schwester von Bart Simpson?
3. Auf welchem Sendeplatz läuft bei RTL „Dr. House“?
4. Wie empfangen Sie eigentlich Ihr Fernsehen?

Nun ist anzunehmen, dass TNS Infratest im vergangenen Frühjahr nicht mitten in der Nacht bei den Leuten angerufen hat, um sie zu fragen, wo ihr Fernsehsignal herkommt. Meine These wäre nur: Die meisten haben davon trotzdem keine Ahnung – weil das zu den Dingen gehört, die vernachlässigbar sind, um ein erfülltes Leben zu führen. (Jedenfalls war das bisher so.) Aber glauben wir den TNS Infratest-Forschern doch einfach mal, was sie da mit ihrer telefonischen Befragung in 6000 Haushalten herausgefunden haben, indem sie jeweils die „person who knows best“ ans Telefon bestellten.

Bild zu: Immer schön auf der Bremse: Kabel Deutschland und die DigitalisierungDie Ergebnisse sind gerade im 5. Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten erschienen, die die Studie jedes Jahr in Auftrag geben, unter anderem um zu ermitteln, wie viele Haushalte bereits digitales Fernsehen nutzen. Beim Satellitenempfang sind das ansehnliche Zahlen: 74,1 Prozent der Menschen, die unsere Umwelt mit hässlichen Schüsseln auf ihren Dächern verschandeln, tun das bereits mit digitalem Ergebnis. Und weil es jedes Jahr mehr werden, wird gerade darüber nachgedacht, im Jahr 2012 die analoge Satellitenübertragung abzuschalten, weil das den Sendern Kosten sparen und Betreibern wie Astra Kapazitäten freigeben würde.

Im Kabel allerdings, das in Deutschland immer noch der wichtigste Empfangsweg ist, sieht es anders aus. 19,8 Millionen Haushalte bekommen ihr Fernsehen aus der Kabeldose (Satellitenempfang haben 15,7 Millionen, DVB-T: 4,2 Millionen). Die Mehrheit empfängt das Signal analog, die Umstellung aufs Digitalkabel erfolgt derart langsam, dass es noch eine kleine Ewigkeit dauern wird, bis sich daran denken ließe, das analoge Signal im Kabel abzuschalten. So sieht die Gesamtübersicht aus:

Bild zu: Immer schön auf der Bremse: Kabel Deutschland und die Digitalisierung
(Zusammengezählt ergeben sich über 100 Prozent, weil bei der Befragung mehrere
Empfangswege genannt werden konnten, z.B. für das Zweitgerät.)

Bei der Präsentation des Digitalisierungsberichts in Berlin überlegte Thomas Langheinrich, Vorsitzender der Medienanstalten-Kommission ZAK, in der vorvergangenen Woche laut, woran das liegen könnte:

„Im Gegensatz zu den Satellitenkunden mussten sich die Kabelkunden nie um ihre eigene Infratstruktur kümmern.“

Da hat er schon mal gar nicht so unrecht. Für viele Zuschauer gibt es schlicht keinen Grund, aufs Digitalkabel umzusteigen, weil das Analogsignal auf dem alten Röhrenfernseher zuhause völlig in Ordnung ist. Und der Rest verzweifelt mit der Zeit einfach daran, dass sein Kabelanbieter versucht, ihn übers Ohr zu hauen, zumindest wenn er im Versorgungsgebiet von Kabel Deutschland (KDG) wohnt.

Wer sein Kabel ganz klassisch analog empfängt und über die Nebenkosten in der Mietwohnung bezahlt, muss sich für den Digitalempfang nicht nur selbst um seine „Infrastruktur“ kümmern, er muss sich vor allem daran gewöhnen, seine Programme nicht mehr wie bisher direkt über den Fernseher empfangen zu können, sondern über einen Receiver, in den eine Smartcard eingeschoben werden muss, was die meisten nur vom Pay TV kennen. Nur die öffentlich-rechtlichen Sender sind digital ohne Verschlüsselung empfangbar – für die Free-TV-Privatsender zahlen Kabel-Deutschland-Kunden 2,90 Euro im Monat zusätzlich und schließen einen 12-Monatsvertrag ab.

Bild zu: Immer schön auf der Bremse: Kabel Deutschland und die DigitalisierungDas Lustige ist nur: Auf seiner Website bietet Kabel Deutschland die 2,90-Euro-Option derzeit gar nicht direkt an. Wer sich bis zur Unterseite „Digitales Fernsehen für Kabelanschluss Nutzer“ durchklickt, bekommt als günstigste Version „Kabel Digital+“ angezeigt („Bis zu 100 digitale frei empfangbare TV-Sender“) und zwar: „ab 9,90 € / Monat“.

Dass davon offensichtlich 7 Euro für den Receiver gezahlt werden müssen, den Kabel Deutschland dazu empfiehlt, wird nicht aufgeschlüsselt. Im Gegenteil: Im Bestellvorgang heißt es zu den Receiverkosten, sie betrügen „0,00 €“. Auf Anfrage kann Kabel Deutschland nicht erklären, warum es den digitalen Empfang ohne Receiverkosten online nicht direkt anbietet. Die Bestellung sei aber telefonisch möglich. Dann muss man nur noch darauf achten, das Pay-TV-Paket „Kabel Digital Home“, das man zwangsweise für zwei Monate mitbestellt, nach spätestens vier Wochen zu kündigen, weil man sonst einen einjährigen Pay-TV-Vertrag eingegangen ist, der monatlich noch mal 10 Euro zusätzlich kostet. (Von vornherein auf die Pay-TV-Probe zu verzichten, geht nicht.)

„Wunschfernsehen“ heißt das bei Kabel Deutschland. Oder man sagt einfach: Unverschämtheit.

Bild zu: Immer schön auf der Bremse: Kabel Deutschland und die DigitalisierungDas ist nicht die einzige Zumutung, die das Unternehmen für seine Kunden bereit hält. Die Mitarbeiter im Kundenservice sind – freundlich formuliert – ahnungslos und verstehen auch mit erklärender Unterstützung nicht die Frage, ob der angebotene Receiver (den es inzwischen nur noch als Festplattenrekorder zu geben scheint) neben einem Scart-Anschluss auch eine HDMI-Verbindungsmöglichkeit besitzt, damit man ihn an den Flatscreen stöpseln kann. Nein, HD-Programme biete man derzeit keine frei empfangbaren an, heißt es dann.

Das hat zwar nix mit dem HDMI-Anschluss zu tun, stimmt aber wenigstens: Weil es bisher kaum HD-Programme gibt – aber auch, weil KDG vermutlich womöglich happige Gebühren für die Einspeisung verlangt. Der Kleinsender Anixe HD ist deshalb wieder aus dem Netz geflogen. Und statt der sieben Sky-HD-Kanäle gibt es für Kabel-Deutschland-Kunden (im Gegensatz zur Konkurrenz) nur zwei zu sehen, bestätigt man bei Kabel Deutschland:

„Da HD Kanäle jedoch weit mehr Bandbreite in Anspruch nehmen als SD-Kanäle, und Bandbreite ein Wirtschaftsgut ist, muss man sich noch über die ökonomischen Konditionen einig werden.“

Ach, und der Receiver: Ich bin vor zwei Jahren Digitalkunde bei Kabel Deutschland geworden, das Gerät, das ich geschickt bekam, hatte natürlich keinen HDMI-Anschluss und produzierte über Scart ein beschissenes Bild im Vergleich zu meinen Digitalkabel-Tuner im Flatscreen, der zumindest ARD und ZDF empfangen konnte. Laut Kundenhotline haben auch die derzeit von Kabel Deutschland angebotenen Geräte keinen HDMI-Anschluss, ob und wann man HD-Receiver anbietet, steht völlig in den Sternen.

So sieht also die Zukunft des Fernsehens aus, wie sie sich Kabel Deutschland vorstellt? Wie ein Alptraum für Zuschauer, die es gewöhnt waren, den Programmsuchlauf am Fernseher einzuschalten und anschließend nach Lust und Laune zappen zu können, und in dem überall Fallen rumstehen, in die man tappen soll, um die vielen tollen Möglichkeiten zu bezahlen, die man vorher aufgeschwatzt bekommen hat? Ich habe den leisen Verdacht, TNS Infratest wird noch ein paar Jahre brauchen, bis stolz vermeldet werden kann: Digitalisierung geschafft! Vorher muss einer ja noch Kabel Deutschland überreden, endlich von der Bremse runterzugehen.

Nachtrag, 6. Oktober: Igor weist in den Kommentaren darauf hin, dass Kabel Deutschland auf seiner Website inzwischen auch den reinen digitalen Empfang für 2,90 Euro wieder anbietet. Geht doch. Das Zwangsabo des Pay-Pakets, das separat gekündigt werden muss, ist aber auch da mit drin.


46 Lesermeinungen

  1. Mama007 sagt:

    Ich freue mich das auch Ihr...
    Ich freue mich das auch Ihr über diese katastrophalen Mißstände berichtet. Es ist eine unglaubliche Schweinerei die da seit Jahren im zuge der sog. „Digitalisierung im Kabel“ abgeht die eigentlich immer schlimmer wird (Beispiele wie oben!!!). Die Herren scheinen lieber Gewinn abzuführen als ihr Netz im Sinne des Kunden auszubauen und zu entwickeln und haben, wie es aussieht für solche Dinge auch keine Zeit.
    M.E. dieser Verein und seine Geschätsmodelle schon lange ein Fall für die Medien- und Kartellwächter und die Verbraucherschützer.

  2. Kabelquark sagt:

    Da bin ich ja beinahe froh,...
    Da bin ich ja beinahe froh, dass mein einziges Problem mit digitalem Kabel das seit knapp zwei Jahren andauernde hiesige Werbebombardement von Unitymedia ist, das von Briefen über Anrufe bis hin zu Klinkenputzern reicht. (Ich habe analoges Kabel zwangsweise per Mietvertrag und würde ohne das schlicht DVB-T nutzen.) Wie gesagt: Beinahe. Sehr beinahe. Im Sinne von: AAARGH! Lasst mich mit eurem Sch*** in Ruhe! ICH HABE KEIN INTERESSE!!!1! (Und das schon oft kundgetan.)
    .
    Wo muss man hinziehen, um von solchen Anbietern verschont zu werden?

  3. Wir beabsichtigten vor ca....
    Wir beabsichtigten vor ca. zwei Jahren samt Untermieter auf digitales Kabel umzustellen. Natürlich wollten wir, besonders in Hinblick auf Kostensicherheit wg. Vermietung, ein verbindliches Angebot haben. Daten waren bekannt, da wir bereits Kunde waren. Was kam war ein unterschriftsreifer Vertrag ohne Angabe von Kosten (laut Preisliste). Nachrage ob denn nicht wenigstens eine Preisliste angehängt werden könnte. Was kam war der übliche Werbemist. Dann kam ein halber Vertrag, darauf noch einmal die zweite Hälfte, immer ohne verbindliche Preisangabe. Nach einem Schreiben an die Geschäftsführung kam noch einmal Werbemist und noch ein Vertrag natürlich ohne Preisangabe. Wir sind dann auf DVB-T umgestiegen. Was kam war ein Werbeanruf ob man nicht mit Telefon und Internet zu Unitymedia wechseln wolle; Kabel war schon längst gekündigt…

  4. Jeeves sagt:

    Als Laie auf diesem...
    Als Laie auf diesem technischen Gebiet habe ich in etwa der Hälfte des Artikels aufgehört zu lesen, denn genausogut hätte mir meine russische Gattin „Krieg und Frieden“ im Original vorlegen können.

  5. In Berlin sind hunderttausende...
    In Berlin sind hunderttausende Haushalte zwangsverkabelt bei KDG. Ich als Sky-Abonnent zahle 100% und bekomme Dank KDG nur 75%. Zwei statt sieben HD-Sender. Aber als Ausgleich gibt es bei KDG iranische Propaganda Sender und mindestens 20 Shopping Sender.

  6. comicfreak sagt:

    @...
    @ Kabelquark
    ..Südwestpfalz.
    Flächendeckend kabelfrei.

  7. Torsten sagt:

    Ich habe gehört das Kabel-BW...
    Ich habe gehört das Kabel-BW den analogen Kabelempfang zum Jahresende komplett abschaffen will. Ist da was dran?

  8. Paule sagt:

    Es war doch schon immer so:...
    Es war doch schon immer so: Wer es sich rechtlich ermöglichen kann, sollte Sat nehmen. Da muss man zwar für alles selbst sorgen, aber das ist es auch wert: Preiswerte Anlagen gibts für 100 Euro – das ist ein halbes Jahr Kabel. Dann beginnt das Sparen. Obendrauf gibts noch besseres Bild und weniger Einschränkungen.

  9. Tobias sagt:

    KDG ist in jedem Bereich das...
    KDG ist in jedem Bereich das letzte:
    Als ich vor einen halben Jahr nach GB gezogen bin und meinen Kabelanschluss vorzeitig gekuendig habe, hat KD mehrere male meine Kuendigung nicht erhalten, und dann behauptet und dann eine britische Meldebestaetigung (gibt es nicht) verlangt oder eine Bestaetigung der Kuendigung beim meinem deutschen Vermieter (gibt es nicht, da Wigentumsawohnung). Dann hat man mir Mahnungen nach GB geschickt, weil man mir nicht gelglaubt hat, dass ich in GB wohne und gefordert, dass ich das denen nachweise.

  10. Wildpinkler sagt:

    Ich mache den Fernseher an und...
    Ich mache den Fernseher an und was ich sehe kostet mich (ausgenommen GEZ) keine Gebühr. Punkt. Wenn da steht: „Gucken? Dann bezahlen!“ schalte ich um. Punkt. Ich brauche weder Fussballspiele mit 748 Kameras aus der Grashalmperspektive, noch sich erotisch räkelnde Damen in einem Hauch von nix und ich brauche auch keine exklusiven Serien die ich 2 Wochen vor allen anderen sehen kann weil ich sonst nichts hätte worüber ich mit anderen reden kann.

Kommentare sind deaktiviert.