Manchmal kann man an so einem Dienstagabend die Vergangenheit und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nacheinander beobachten. Weil die Zukunft natürlich spannender ist, fangen wir mit der an.
Und mit Jens Jessen, Feuilletonchef der „Zeit“, der gestern im Berliner Angesagten-Club Watergate zwischen jeder Menge junger Leute saß, über die er schon vor gut einem Jahr geschrieben hatte, sie seien „traurige Streber“. Zumindest als Provokateur machte Jessen dort keine schlechte Figur, und forderte „eine gewisse querulatorischer Energie“ ein. Denn:
„Wenn die Alten völlig unangefochten in ihren gut austarierten, bewährten Vorurteilen voran arbeiten – das wird eine völlig gelähmte Gesellschaft.“
Von Energie war bei den Zuschauern rundherum eher nix zu spüren, jeder nippte mit interessiertem Gesichtsausdruck an seinem Becks, jedenfalls bis Besuch von der Piratenpartei kam und Jessen, plötzlich richtig aufgebracht, behauptete, deren Mitglieder seien „für das Erlauben von Kinderpornographie im Netz“. Auf einmal regte sich im Publikum dann doch noch so etwas wie „querulatorische“ Energie, erst in Form von Buh-Rufen, dann auch mit einer Richtigstellung: Das stimmt einfach nicht! Woraufhin Jessen den Hereinrufer ebenso prompt wie herablassend zurechtwies: „Doch, mein Lieber.“ Kampflos mag ja niemand bewährte Vorurteile aufgeben – erst recht nicht, wenn es die eigenen sind.
Zu sehen war die kleine Auseinandersetzung gestern Abend im ZDF.infokanal, wo heimlich, still und leise der im April getestete Gesellschafts-Talk „Kavka“ in die zweite Runde ging, und zwar zum Thema „Generation Warmduscher“ bzw. der Frage: Warum gibt es von den Jungen heute eigentlich so wenig Protest gegen die herrschenden Verhältnisse? Anlässe fänden sich doch genug.
Markus Kavka mit Jens Jessen / Screenshot: ZDF.info
Mittendrin saß Moderator Markus Kavka, redete außer mit Jessen erst mit einer jungen Frau, die glaubt, zu wenig Zeit zu haben, um engagiert zu sein, und dann mit der politischen Aktivistin Hanna Poddig, die zuviel Zeit hat, um total unangepasst zu sein.
Das war kein Meilenstein des deutschen Fernsehtalks, und es gäbe vieles an der Sendung zu verbessern: Die pseudo-modernen Kurzgespräche mit Gesprächspartnern, die per Webcam zugeschaltet werden, müssen raus, weil die Technik nicht ordentlich funktioniert. Dafür darf die Runde im Studio (trotz enger Platzverhältnisse) ruhig etwas größer werden. Vor allem aber braucht es mehr Diskussionen der Gäste untereinander, und nicht nur Kavka, der jeden einzeln drannimmt, obwohl er dabei durchaus die richtigen Fragen stellt.
Allerdings ist „Kavka“ der Versuch des ZDF, eine Gesprächssendung für junge Zuschauer zu machen, die sich um Themen kümmert, über die sonst nirgendwo im Fernsehen gesprochen wird. Wer zusieht, fühlt sich nachher tatsächlich angesprochen und fragt sich: Was mach ich eigentlich? Wann bin ich das letzte Mal auf die Straße gegangen? Und wie drückt man am besten aus, dass man nicht einverstanden mit dem ist, was gerade in der Politik passiert (oder dem Unsinn, den man so als Feuilletonchef der „Zeit“ im Fernsehen redet)?
So kann öffentlich-rechtliche Grundversorgung funktionieren, wenn sie sich traut, Debatten anzuregen. Wenn das ZDF klug ist, macht es weiter damit – am besten im neuen Zielgruppensender ZDF.neo, wo die Chance besteht, dass sich auch jemand für die darauffolgenden Programme begeistern könnte.
Bei ZDF.info lief gestern nach dem Ende von „Kavka“, zu dem der Moderator (quasi als Reminiszenz) noch einen Tisch kaputt hauen durfte, übrigens das hier:
Screenshots: ZDF.info
Wer „Kavka“ verpasst hat, kann sich die Sendung in der ZDF-Mediathek ansehen.
Und damit sind wir auch schon bei der Vergangenheit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Und ihrer Sachwalterin, der ARD, die auf die fantastische Idee gekommen ist, ihren Problemsendeplatz um 18.50 Uhr mit einem von Jörg Pilawas Firma white balance produzierten Quiz zu füllen, das nun dienstags bis freitags direkt vor dem „Quiz mit Jörg Pilawa“ läuft.
„Das Duell im Ersten“ heißt die von Florian Weber moderierte Sendung, die als „spannendes Wissensspiel“ angekündigt ist, in Wahrheit aber todlangweilig und völlig innovationsfrei ist. Das Prinzip: Ein Kandidat tritt gegen einen Promi im Fragenbeantworten an. Wer nach 10 Runden nicht eingeschlafen ist die meisten Punkte hat, gewinnt Geld, das er spenden kann.
Am Dienstag trat „Großstadtrevier“-Darsteller Jan Fedder gegen eine Ordensschwester namens Johanna an. Und musste mit ihr unter anderem die zehn beliebtesten Vereinssportarten der Deutschen aufzählen:
Screenshot: Das Erste
Ja, irre.
Vielleicht muss man das einfach mal vorschlagen: Wenn der ARD nix Besseres einfällt als der x-te Aufguss einer total öden Quizshow, die sich auch ein Viertklässler hätte ausdenken können, wenn dieser Aufguss dann auch aus einem derart tristen Studio mit den Grundfarben Blau und Ocker kommt und sich in der ganzen ARD einfach niemand auftreiben lässt, der Ahnung hat, wie man modernes Fernsehen macht…
…dann wäre es vielleicht besser, wenn die ARD in nächster Zeit ab 18.50 Uhr einfach ein Testbild senden und sich das Geld für diesen Unsinn sparen würde.