Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Heulsusenverein VPRT: Immer sind die anderen schuld

| 22 Lesermeinungen

In Berlin trafen sich gerade die Mitglieder des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), um zu bejammern, wie ungerecht sie sich von der Politik behandelt fühlen. Für Selbstkritik blieb da natürlich wenig Zeit. Warum auch? Die Privatsender machten doch alles richtig, findet VPRT-Präsident Jürgen Doetz.

In Berlin trafen sich gerade die Mitglieder des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), um zu bejammern, wie schlecht es ihnen geht und wie ungerecht es ist, dass ARD und ZDF von der Politik so arg bevorzugt werden. VPRT-Präsident Jürgen Doetz nutzte die Gelegenheit, noch mal über den neuen Digitalkanal ZDFneo zu schimpfen und (laut dpa) sogar dessen Stopp zu fordern, weil sich das ZDF erdreistet, damit – Achtung! – junge Zuschauer erreichen zu wollen. Ja, das ist natürlich eine Unverschämtheit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, endlich ein Programmangebot für alle Gebührenzahler machen zu wollen, und nicht nur für solche, die gerne „Bergdoktor“ gucken.

Bild zu: Heulsusenverein VPRT: Immer sind die anderen schuldNicht nur das ZDF hat sein Fett weggekriegt, am Abend kritisierte Doetz beim „Get-together“ in Berlin auch die Medienwächter dafür, dass sie ihre Arbeit machen. Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) hatte gestern ein Bußgeld in Höhe von 95.000 Euro gegen Sat.1, Kabel 1 und DSF verhängt, weil die in ihren Call-in-Shows gegen die Gewinnspielsatzung verstoßen hatten. Das sehe man nun auch dem Buffet an, scherzte Doetz:

„Der Hummer ist nicht da, der Kaviar gestrichen, der Champagner durch Prosecco ersetzt.“

Nun gehört Jürgen Doetz durchaus zu den respektablen Persönlichkeiten im deutschen Medienlobbyismus, aber das Geheule, das sein Verband in den vergangenen Wochen veranstaltet, ist schlicht unerträglich, weil man sich angewöhnt hat, gegen alles anzustänkern, was den Privatsendern nicht in den Kram passt – wie ein beleidigtes Kind, das nicht mit Fußballspielen darf und bei Mama petzt, dass die anderen längst hätten zuhause sein müssen.

Gar nicht zur Sprache kommt dabei, wie sehr die Privatsender selbst wesentliche Trends verpennt haben, wie sie ihr Publikum aus reiner Profitgier mit Anrufshows abzocken und in einer Tour gegen Werberichtlinien verstoßen. Der VPRT kann froh sein, dass die Landesmedienanstalten noch immer überfordert damit sind, sämtliche Verstöße zu ahnden. Dass hinsichtlich der Call-in-Shows in letzter Zeit härter durchgegriffen wird, ist richtig und wichtig. Und hoffentlich nur der Anfang einer besseren Kontrolle im Interesse des Publikums.

„Der private Rundfunk hat hinreichend bewiesen, dass er sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist – er muss diese Verantwortung nur auch finanzieren können“,

sagte Doetz am Mittwochabend. Was genau er damit wohl gemeint hat? Dass RTL und Pro Sieben ihren Nachmittag mit schlimmstmöglichen „Geschichten aus dem Leben“ zukleistern, die neuerdings auch noch erfunden sind, um drastischere Fälle schildern zu können? Dass RTL Quotenrekorde mit Sendungen wie „DSDS“, „Das Supertalent“, „Bauer sucht Frau“ und „Schwiegertochter gesucht“ feiert, in denen Menschen bloßgestellt, verspottet und als Freaks inszeniert werden? Oder dass viele Sender sich einen Dreck darum scheren, was ihnen die Medienkontrolle vorgibt – zumindest so lange bis es jemand merkt?

Das Privatfernsehen in Deutschland gibt gerade über weite Strecken ein erbärmliches Bild ab. Anders als der VPRT annimmt, liegt das aber nicht bloß an den anderen.

Archiv-Foto: dpa


22 Lesermeinungen

  1. Sven sagt:

    Das Herr Doetz so arg über...
    Das Herr Doetz so arg über ZDFneo schimpft, zeigt nur dass das ZDF damit alles richtig gemacht hat.

  2. Balduin sagt:

    Peer, ich muss dich loben....
    Peer, ich muss dich loben. Dein Beitrag trifft den Nagel pontiert auf den Kopf.
    Einschränkend muss ih allerdings auch die Privaten in Schutz nehmen: Dass die in Zeiten sinkender Werbeeinnahmen neidisch auf den ÖR schauen , da sie selber kein Patentrezept in der Hand haben, die zurückgegangenen Werbeeinnahmen auszugleichen, ist in meinen Augen nicht unverständlich. Unverständlich ist dagegen, dass man deshalb versucht, sich auf Kosten der Zuschauer zu bereichern (siehe Call-In-shows). Über das Programm reden wir besser gar nicht …

  3. Dent42 sagt:

    Privat gg. ÖR ist doch Not...
    Privat gg. ÖR ist doch Not gegen Elend, die einen sparen sich in Zeiten der Werbekrise. Die anderen haben eine dubiose, quasi-mafiöse Geldeintreibeinstitutuion im Nacken die sie mit Milliarden überschüttet und schaffen es das ihr Programm trotzdem ebenso mies ist und meisstens noch beschissener aussieht, abgesehen davon kann man Neo höchstens enormes Potential bescheinigen, ob die geistig frühvergreisten Gerontokraten des ZDF es tatsächlich schaffen eine Jugendliche Zielgruppe anzusprechen darf mit ihrem bisher äusserst harmlosen und unmutigem Programm noch bezweifelt werden, aber vielleicht ist das auch nur ein mißverständnis und Jugendlich heists bei den Schnarchnasen unter 50

  4. Stefan sagt:

    Zum Thema Medienkontrolle...
    Zum Thema Medienkontrolle passt das Video, das Marc Doehler gestern veröffentlich hat, wie die Faust aufs Auge. Eine perfekte Vorlage für Herrn Doetz und Konsorten. Hier der Link, vielleicht ließe der sich oben einbinden:
    https://de.sevenload.com/videos/LqOhle0-9LIVE-UND-DIE-GEWINNSPIELSATZUNG-CALL-IN-TV-NET

  5. Thomas sagt:

    Auch ich bin der Ansicht, dass...
    Auch ich bin der Ansicht, dass obige Kritik richtig und überfällig ist, es ist zwar durchaus nicht zu verurteilen, wenn eine Interessengemeinschaft (Der VPRT und die Privatsender) ihre Interessen vertreten, allerdings wird dies in den letzten Jahren nicht nur von Doetz, sondern auch von Schmid und Schäferkordt von der RTL-Group zunehmend auf extrem plumpe, platte und deshalb auch durchsichtige Art und Weise betrieben.
    Dabei frage ich mich ernsthaft, ob dies nur ein Schaukampf ist, oder ob sich die Vertreter der jeweiligen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsender bei Veranstaltungen wie den Deutschen Fernsehpreis, der gemeinsam ausgerichtet wird am liebsten gegenseitig an die Gurgel gehen möchten, oder ob und wie hier überhaupt noch ein normales Arbeitsverhältnis möglich ist.
    Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sicherlich viele Fehler, was aber für den privaten ebenso gilt. Nicht zu unrecht weist man dort auf die Tatsache hin, dass die Privaten trotz Werbekrise und politischer Ungleichbehandlung (?) sehr gut verdienen, während weiter unablässig und gnadenlos an der Kostenschraube gedreht, dafür aber kaum mehr ins Programm investiert wird.
    Und insbesondere bei RTL gehen die Quoten ja jetzt wo der Nachmittag wieder läuft wieder explosionsartig in die Höhe, und auch bei ProSiebenSat.1 sieht es da nicht schlecht aus, das man sich dort an unternehmerischen Fehleinschätzungen wie dem SBS-Kauf verhoben hat, maßlose Eigentümer hatte und hat, Strafzahlung wegen Rabatten und Werbekrise jetzt durchschlagen kann man wohl kaum den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anlasten, das sind alles hausgemachte Probleme.

  6. Paule sagt:

    @Thomas Ziel einer...
    @Thomas Ziel einer Lobbyvereinigung ist es nunmal, ohne Rücksicht auf Verluste für sich selbst zu kämpfen. Und genau das machen die.
    Da kommt es dann dazu, dass man keinen ör Nachrichtensender zulässt, der als Alibi genannte „funktionierende Markt“ aber dafür sorgt, dass n-tv und N24 so sind wie sie sind. Alles aber keine Nachrichtensender.
    Oder: Die ÖR haben bei der jüngeren Hälfte der Gebührenzahler einen Marktanteil von gerade mal ~20%. Ein schlechtes, aber dem Angebot angemessenes Ergebnis. Das sieht für mich nicht nach allesfressender Übermacht aus. Obwohl man den Eindruck erweckt.
    Oder: Die Privaten haben sehr lasche Regionalmagazinregeln und null Behindertenfürsorge (UT, AD). Dennoch will man nicht, dass die ÖR junge Zuschauer mit Untertiteln versorgen?
    Wenn der VPRT vor einiger Zeit ein Neo-Verbot foderte und hinweist, dass das doch auch im ZDF laufen könnte, dann gibt es zuerst mal den Widerspruch, dass die angeblich kritischen Inhalte dennoch vorhanden wären und es ergibt sich noch eine Sache, die auch Peer nicht durchschaut hat: Junge suchen und finden im ZDF nicht viel. Wenn man das Programm ändert, bleibt dieser Zustand erstmal erhalten, aber die Alten wenden sich ab. Damit hat der geschundene VPRT sein Ziel erreicht. Weniger Zuschauer fürs ZDF, ohne selbst etwas tun zu müssen.
    Würde man – was immer nötiger wird – mit Sinn und Verstand an den ÖR ansetzen, bestünde die offene Gefahr, dass diese Sender erfolgreicher werden (vgl BBC und ITV) . Kann der VPRT das wollen? Ich denke, dass man mit der aktuellen Situation ganz gut leben kann. Man hat einen prima Sündenbock, auf den alle gern einprügeln, bei gleichzeitig immer weniger kreativen Aufwand. Und das ganze bezeichnet man dann als wahrgenommene Verantwortung.

  7. J. S. sagt:

    Ich habe nur eine Frage:
    Hat...

    Ich habe nur eine Frage:
    Hat dieser Herr Doetz überhaupt jemals eine Call-In-Show gesehen?

  8. Schon vergessen, wie für die...
    Schon vergessen, wie für die Verleger Hubert Burda gerade bei den Münchner Medientagen als zentralen Kritikpunkt das Angebot von Kochrezepten aus dem Fundus von Markus Lanz geißelte?Und jetzt der VPRT mit seiner Kritik an ZDFneo! Armes ZDF – umzingelt von Heulsusen!Bisher gehörte allerdings auch die FAZ dazu, denn auch sie kritisierte oft genug und dankenswerter Weise gebührenfinanzierte Angebote, für die es rundfunkrechtlich keine Legitimation gab bzw. immer noch nicht gibt ! Und darum geht es eben auch bei ZDFneo: Addressat unserer Kritik war doch zum jetzigen Zeitpunkt nicht Markus Schächter mit seinen ständigen verzweifelten Versuchen, dem Lerchenberg einen frischen Anstrich zu verpassen, sondern sind die Länder, die dem ZDF im 12.Rundfunkänderungsstaatsvertrag etwas anderes genehmigten als das Programm, das jetzt das Laufen lernen soll.Ist da die Frage wirklich nicht erlaubt, ob sich die Länder es – auch im Interesse der Gebührenzahler – gefallen lassen wollen, dass wichtige programmliche Vorgaben schlicht missachtet werden ?Und wann, wenn nicht jetzt sollen wir uns dagegen wehren ? Dann schon lieber Heulsuse statt Schnarchnase!
    Ihre schräge Kommentierung, lieber Peer Schader, hätten Sie vielleicht anders formuliert, wenn Sie z.B. bei unserer Pressekonferenz in Berlin dabei gewesen wären – oder mal telefoniert hätten – aber sorry, verstehe, Recherche gefährdet Polemik!
    Auch am Abend waren Sie leider nicht dabei, bestätige Ihnen dennoch gerne die Richtigkeit der Zitate. Das mit dem Buffet – geschenkt, da haben die Vertreter der Landesmedienanstalten fröhlich mitgelacht, was vielleicht aus Sie angesteckt hätte. Aber so richtig danebengegriffen haben Sie aus der Ferne nochmal bei dem Versuch, eine Antwort darauf zu finden, was ich wohl mit dem Satz gemeint haben könnte: Der private Rundfunk hat hinreichend bewiesen, dass er sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist – er muß diese Verantwortung nur auch finanzieren können (mußte mich einfach noch mal selbst zitieren, extra für Sie, weil Sie doch nicht da waren und deshalb auch den Bezug nicht kennen können…): Der Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann , hatte sich gerade beim VPRT und seinen Mitgliedern für ihr vorbildliches Engagement bei der Filmförderung und beim Jugendmedienschutz bedankt…Passt natürlich nicht zu dem „erbämlichen Bild“ – in der Print-Ausgabe von morgen einem „traurigen Bild“ des Privatfernsehens in Deutschland.Natürlich gibt es bei uns Licht und Schatten – und für die Schatten nur „andere“verantwortlich zu machen, wäre wirklich „erbärmlich “ oder „traurig“. Da dies aber niemand beim VPRT macht, stellt sich vielleicht doch abschließend die Frage, ob nicht so eine polemische Ferndiagnose wie die von Peer Schader viel mehr traurig stimmen muß – auf das Prädikat „erbärmlich“ verzichte ich gern – traurig also darüber, dass man sich nach diesem Kommentar die Frage stellen muß, ob sich damit die FAZ von denen verabschieden will, die sich – Print und Rundfunk – für einen fairen und gerechten Wettbewerb zwischen gebührenfinanzierten Anstalten und privatwirtschaftlichen Medienunternehmen engagieren !

  9. pschader sagt:

    @Paule: Du übersiehst da auch...
    @Paule: Du übersiehst da auch einen wesentlichen Punkt: Dass die Jungen heute kein junges programm im ZDF mehr fänden, liegt daran, dass das ZDF es über Jahre (inzwischen: Jahrzehnte) soweit hat kommen lassen. Das ist kein gottgegebener Zustand, sondern Schuld der Programmverantwortlichen, für die es leichter war, sich auf die Älteren zu konzentrieren, um damit einen ordentlichen Gesamtmarktanteil rauszuhauen.

  10. pschader sagt:

    <p>@Jürgen Doetz: Werter Herr...
    @Jürgen Doetz: Werter Herr Doetz, dass Sie meine „polemische Ferndiagnose“ geißeln, ehrt mich, zumal diese Kritik von Ihnen kommt, der sich mit Polemiken nun ja bestens auskennt, was ich sehr schätze.
    In einer Kleinigkeit muss ich Sie korrigieren: Von Ihrer Pressekonferenz wusste mir aus erster Hand mein dort anwesender Bürokollege zu berichten, am Abend war ich höchstpersönlich bei Ihnen und durfte Ihren Worten lauschen, auch der Rede von Herrn Neumann, mit dem Sie sich ja so gut verstehen, dass er ein flammendes Porträt für den privaten Rundfunk gehalten hat, mit einer winzig kleinen Einschränkung zum Schluss: „Sie müssen nicht alles machen, was gerade noch erlaubt ist und Quote bringt“, lautete seine Bitte glaube ich. Herr Doetz, wollen wir zusammen fernsehen und mal überprüfen, was er gemeint haben könnte?
    Das Engagement der Privaten bei der Filmförderung in allen Ehren – an der Erbärmlichkeit großer Teile des Programms ändert das nichts. Auch wenn das polemisch formuliert sein mag. Ich verstehe durchaus, dass es Ihr Job ist, das zu verteidigen. Aber meiner ist es, das anzuschauen.

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