Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Warum der Erfolg von RTL dem deutschen Fernsehen schadet

| 62 Lesermeinungen

Mit einem Monatsmarktanteil von 18,7 Prozent bei den jungen Zuschauern war RTL im November so erfolgreich wie seit Jahren nicht mehr. Das ist ein fatales Signal an die Konkurrenz. Weil dieser Erfolg im Wesentlichen auf Sendungen beruht, die Kandidaten für Freakshows zu benutzen, über die sich das Publikum amüsieren kann.

Man muss Anke Schäferkordt natürlich gratulieren. Als sie 2005 die Geschäftsführung von RTL übernahm und erklärte, ihr Ziel sei es, den Sender zurück auf „die alte Flughöhe von 17 Prozent“ zu holen, wurde sie belächelt. Unmöglich schien das den meisten in einer sich immer weiter diversifizierenden Senderlandschaft. Vier Jahre sind seitdem vergangen. Und RTL verzeichnet gerade zum zweiten Mal in Folge den besten Monatsmarktanteil seit 2004, liegt mit 18,7 Prozent bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern weit vor der Konkurrenz.

Bild zu: Warum der Erfolg von RTL dem deutschen Fernsehen schadetSchäferkordt ist es gelungen, mit einer stringenten Programmplanung und konsequenter Risikominimierung ihre eigene Zielvorgabe zu übertreffen. RTL hat einfach vieles richtig gemacht: Auf dem 19.05-Uhr-Sendeplatz am Sonntag hat Schäferkordt „Bauer sucht Frau“ und „Rach der Restauranttester“ entwickeln lassen, um die beiden Dokusoaps am Montag in der Primetime zu Superhits zu machen. Sie hat das Potenzial von „Das Supertalent“ erkannt, das in der ersten Staffel gerade mal mit drei Shows im Programm war, aber die Zuschauer ganz offensichtlich interessierte und mit der Ausdehnung auf mehrere Wochen nun zu den größten Erfolgen seit Jahren gehört. Am Nachmittag hat sich RTL erst die Alltags-Dokus von Pro Sieben abgeschaut und sie dann zu geskripteten Versionen, die noch schärfer als die Originale sind, umgebaut.

Für die Geschäftsführung mag das ein Grund zur Freude sein. Für das deutsche Fernsehen allerdings ist der derzeitige Erfolg von RTL gefährlich, weil das Signal, das von ihm ausgeht, fatal ist.

Nicht nur, weil sich der Erfolg ausgerechnet in einer Zeit einstellt, in der RTL wegen rückläufiger Werbeeinnahmen sichtbar am Programm spart und, anstatt sich Neues zu trauen, fast ausschließlich auf etablierte Sendungen und Formate setzt. Sondern auch, weil dieser Erfolg, wenn man ihn inhaltlich betrachtet, im Wesentlichen auf Sendungen beruht, die Kandidaten dazu benutzen, Freakshows zu inszenieren, damit das Publikum sich über sie lustig machen kann. Wie im Mittelalter.

Bild zu: Warum der Erfolg von RTL dem deutschen Fernsehen schadetBeim „Supertalent“ tritt ein Mann auf, der so schlecht singt, dass ihn das Publikum auslacht, ausbuht, und ihn mit eindeutigen Gesten von der Bühne weist, aber nicht, bevor Dieter Bohlen ihm den finalen Schlag versetzt hat. In „Schwiegertochter gesucht“ lässt RTL Menschen auftreten, von denen nicht ganz klar ist, ob sie überhaupt wissen, dass sie im Fernsehen als Witzfiguren herhalten müssen und nicht etwa an einer seriösen Partnervermittlung teilnehmen. Durchgesetzt hat dieses Prinzip höchst erfolgreich „Bauer sucht Frau“, das sich gerade Woche für Woche 8 Millionen Menschen ansehen, und das vorgibt, ernsthaft mit seinen Protagonisten umzugehen, aber schon durch Kameraeinstellungen und Schnitte verrät, worum es wirklich geht: Um das Ausstellen von Seltsamkeit, Spießertum, von Andersartigkeit, von allem, das nicht der vermeintlichen Norm entspricht.

Das ist hochprofessionell gemacht (so dummdreiste Texte wie in „Bauer sucht Frau“ muss man als Autor erst mal schreiben können!) und funktioniert hervorragend, weil es tatsächlich unterhält. Jedenfalls so lange, bis man sich vor dem Fernseher dafür schämt, gerade gelacht zu haben.

Dass RTL damit so viel Erfolg hat, ist geradezu eine Aufforderung an die Konkurrenten, es dem Marktführer gleich zu tun: Wer Quote machen will, sucht sich am besten ein paar Dumme, die nicht peilen, dass sie benutzt werden.

Das ging neulich selbst Stefan Raab zu weit, der in „TV total“ sonst auch nicht gerade zimperlich ist und sich mit großem Genuss über die RTL-Protagonisten lustig macht, aber seinen Augen nicht trauen wollte, als er vor zwei Wochen in „Bauer sucht Frau“ sah, wie die Redaktion die Thailänderin Narumol untertitelt hatte. Die wollte eigentlich bloß zum Ausdruck bringen, dass sie wegen ihrer Höhenangst von der Seilbahnfahrt, zu der Bauer Josef sie eingeladen hatte, „fix und fertig“ zurückkam, sprach das allerdings nicht korrekt aus, was RTL so lustig fand, um es 1:1 in den Untertitel zu schreiben:

Bild zu: Warum der Erfolg von RTL dem deutschen Fernsehen schadet
Screenshot: Pro Sieben

Natürlich fand auch Raab das amüsant, aber als sein Publikum ausgelacht hatte, ging er schnurstracks auf die Kamera zu und sagte (im Video auf tvtotal.de ab 6’35):

„In der ganzen Sendung werden sprachliche Fehler in den Untertiteln korrigiert, damit man’s auch verstehen kann. Und hier, wenn sie mal ‚fick‘ sagt, schreiben die Schweine von RTL das einfach aus. Wer immer bei RTL mit seinen kleinen schmierigen Redakteurshänden hier ‚fick‘ hingeschrieben hat: Du kommst in die Hölle!“

Bild zu: Warum der Erfolg von RTL dem deutschen Fernsehen schadet
Screenshot: Pro Sieben

Naja gut, die Hölle. Aber was macht man nicht alles für 18,7 Prozent?

Bild oben [M]: RTL


62 Lesermeinungen

  1. Emilia sagt:

    Dieser Text trifft es genau...
    Dieser Text trifft es genau auf den Punkt, was ich schon lange über das TV-Programm denke: Erfolg hat nur noch, wer Menschen bloß stellt und sie lächerlich da stehen lässt. Für ein Publikum von Voyeuren…

  2. Mirko sagt:

    Ich glaube, der Erfolg von RTL...
    Ich glaube, der Erfolg von RTL kommt weniger dadurch, dass sie alles richtig gemacht haben, als dadurch, dass die Konkurrenz in wichtigen Punkten so richtig patzt.
    Folgen und Staffeln von Serien werden wild durcheinander ausgestrahlt. Interessante Formate werden abgesetzt, bevor sich auch nur herumsprechen konnte, dass es sie gibt, oder versauern auf unmöglichen Sendezeiten und Sendern (wer schaut schon das Programm aller Dritten an?). Die Eigenwerbung mitten im Programm ist störender als Flash-Popups im Internet (die kann man wenigstens wegklicken). Statt Kritik anzunehmen und nachzubessern, wird gleich aufgegeben. Blockbuster werden mitten in der Nacht ausgestraht. Etc. pp.
    Es hängt halt nicht nur davon ab, was gezeigt wird, sondern auch wann und wie es gezeigt wird.

  3. Paule sagt:

    @ Peer: Du hast durchweg...
    @ Peer: Du hast durchweg recht. RTL steht für Einfalt und Innavationsfeindlichkeit, denn das Allermeiste wurde auch noch im Ausland erfunden und nur eingekauft. Aber – Stefan neigte neulich auch schon dazu, als er in seinem Blog auf das ZDF-Gaffermagazin am Mittag hinwies – das ist eine einseitige Drescherei.
    Es gibt da noch die andere Seite: Das Publikum. Nicht die dreisten Hinterhältigkeiten machen den Erfolg, sondern der Zuschauer.
    Wenn wir alle auf den Weltspiegel stehen würden, dann hätte der 8 Mio Zuschauer. Hat er aber nicht. RTL macht nur das, wofür es geschaffen wurde: Es bedient Instinkte und sammelt damit Geld ein. Sinn erfüllt.
    Du hast doch bestimmt gute Kontakte. Frage doch mal hochrangige Macher, worin fehlender Mut wirklich begründet liegt. Zu deutsch: Warum steht ein ordentlicher Teil der deutschen Zuschauer auf Einfalt, wenige Neuheiten und immer Gleiches. Als Anke Schäferkord dies vor einiger Zeit mal in schöneren Worten ausdrückte, bekam sie in manchen Foren Prügel, nur ungern wollte sich der Einzelne als einfältigen Rückwärtsgewandten bezeichnen lassen. Aber die Gegenwart bestätigt sie.
    Warum schaut der junge Zuschauer fast grundsätzlich keine deutsche Fiction? Weil sie so deutsch aussieht, was darin endet, dass RTL seinen Kampfmönch in verfälschten Farben zeigte und jetzt eine Serie in Afrika plant, Hauptsache man sieht Deutschland nicht wie es ist. Da nützen Jubelstürme über KDD nicht viel.
    Im Kern sehe ich in der Kritik wieder ein Stück der deutschen Selbstverleugnung. Keiner liest die Bild-Zeitung und keiner schaut Trash-Fernsehen. Natürlich nicht.
    Die Briten sind da anders. Die stehen zu ihren Tabloids und die schauen auch freiwillig ihre Trash-Shows. Das führt dann aber auch dazu, dass sie der BBC ein Stück massenwirksame Unterhaltung zugestehen und abnehmen. Und das resultiert in einer gesunden Konkurrenz zwischen BBC und ITV, was deren Angebot sehr innovativ und beweglich macht.
    Um das zusammenzufassen: Der Kern des Problems fällt immer auf uns zurück.

  4. matser sagt:

    Wenn das Publikum sich das...
    Wenn das Publikum sich das anschaut..
    Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler..

  5. pschader sagt:

    @Paule: Natürlich sind Gaffer...
    @Paule: Natürlich sind Gaffer ätzend. Aber es ist natürlich noch mal was Besonderes, diese Gaffer professionell zu bedienen, um damit Geld zu machen, oder? Da ist die alte Frage wieder: Müssen wir alles erdulden, was Quote bringt?

  6. Molly sagt:

    Zu RTL fällt einem als...
    Zu RTL fällt einem als normaler Mensch wirklich nix mehr ein. Ich hab keine Ahnung, wer da arbeitet, aber ich hoffe, dass die Strafe in der Hölle wirklich schmerzlich sein wird. Vielleicht dreht Satan dann unten auch eine Doku-Soap mit ehemaligen RTL-Redakteuren als Hauptdarsteller. Der Rest darf sich das ganze dann in Endlosschleife angucken.
    Ob der Rest der Fernsehlandschaft die Sch… von RTL kopiert oder nicht ist mir eigentlich egal. Ist doch inzwischen eh schon alles gleich. Außerdem nehm ich als früher Fernseh-Junkie das meiste im TV eh nicht mehr wahr und das will schon was heißen. Ich würde sagen, das Fernsehen gräbt sich sein eigenes Grab.

  7. q sagt:

    ich fick (scherz) bauer sucht...
    ich fick (scherz) bauer sucht frau gut:
    die Musik ist nett, es ist (fast) immer schönes Wetter – das Bild ist satt und hell.
    es werden Tiere gezeigt und schöne Landschaften.
    Die Protagonisten sind NICHT:
    – schön (meistens)
    – hinterfotzig
    – durchtrieben
    – ehrgeizig
    – unsympathisch
    – problembelastet
    und unterscheiden sich damit von fiktionalen Programmen.
    Einfach Balsam für meine Seele – mein Leben ist aufregend genug. Ich träume vom Landleben, von saftigen grünen Wiesn, freu mich über die Tiere, die Ruhe, die Einfachheit. Ich vergesse mein Leben in der Stadt, die Kunden und Kollegen die an meinem Stuhl sägen, 60h Wochen.

  8. Paule sagt:

    @ Peer: "Müssen wir alles...
    @ Peer: „Müssen wir alles erdulden, was Quote bringt?“
    Ja. Schon. Weitestgehend. Weil Geschäftszweck nicht nicht Quote ist, sondern der Umsatz, der damit gemacht wird. Und wenn wir Unternehmen diesen Zweck zugestehen, dann müssen wir auch mit den Folgen leben. Fürs Gewissen haben wir Public Service Broadcaster, die aber peinlich schläfrig und desinteressiert vor sich her senden. Da liegt für mich das größere Problem und auch das Änderungspotenzial. Verbessern kann man nicht mit – inhaltlich völlig richtigen – Blogbeiträgen, sondern nur mit Alternativen.

  9. Lieber Herr Schader, es freut...
    Lieber Herr Schader, es freut mich, dass Sie schreiben, dass die Zuschauer unser Programm mögen und einschalten. Einiges versteh ich trotzdem nicht: Wie kommt es, dass Sie sich beim „Supertalent“ einen Kandidaten raussuchen, der ausgebuht wurde vom Publikum im Saal, aber die, die standing ovations bekommen, erwähnen Sie nicht? Über 30.000 Kandidaten, die sich insgesamt beworben haben, alle „im Wesentlichen“ Freaks? Und die Millionen Zuschauer vor dem Bildschirm, ob bei Bauer sucht Frau oder Supertalent – allesamt Gaffer? Große Worte, Herr Schader, Respekt! Und einen Experten-Rat für die deutschen Fernsehmacher haben Sie auch noch parat: US-Serien wie Dr. House – bloß nicht einkaufen. Deutsche Serien wie Doctors Diary: Bitte nicht nachmachen. Klassiker wie WWM – bitte aufhören. Dokumentationen wie „Die Ausreisser“ – Finger weg. Fußball WM-Spiele im nächsten Jahr mit Klopp und Klinsmann – bestimmt öde. Und Produktionen wie die Hindenburg – bitte wieder abbrechen. Ist ja auch alles irgendwie zufällig bei RTL ins Programm oder die Planung gerutscht, gehört eigentlich gar nicht dazu. Weil wenn doch, würde wohl die Geschichte nicht mehr so funktionieren, die Sie so gern schreiben, dass alles alles immer schlimmer wird. Mein Fernsehtipp für Sie heute abend: Der Bernsteinzug – eine Reise durchs Baltikum, 20.15 Uhr, 3 sat – oder, wenn Sie´s beschwingter wollen: Die schönsten Weihnachtshits mit Carmen Nebel im ZDF. Bei RTL ist mit Super Nanny und Raus aus den Schulden wohl eher Vorsicht geboten.

  10. Phil sagt:

    Aus diesem Grund habe ich ein...
    Aus diesem Grund habe ich ein Premiere/Sky Abo. Hier kann ich die Quotengeilheit der Sender wenigstens mit monatlichen Gebühren entgegenwirken und sehe dafür Inhalte, die man im FreeTV in Deutschland womöglich niemals sehen wird.

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