„Wir machen es heute ausnahmsweise schnell“, hat Detlev D! Soost am Dienstagabend auf der Bühne in der Arena Oberhausen versprochen, als er den Umschlag mit dem Zettel öffnete, auf dem das Ergebnis des Zuschauervotings stand, und er dem Kandidaten-Duo Elif und Nik verkündete: Ihr seid im Finale!
Und während die beiden, die sich in den vergangenen Monaten durch die Pro-Sieben-Castingshow „Popstars“ bis zu diesem Punkt gekämpft hatten, vor Freude ausrasteten, flossen bei den anderen beiden Paaren schon die Tränen. Weil nur noch ein Duo weiterkommen würde. Im Hintergrund auf der großen Videoleinwand waren die Voting-Balken eingeblendet, noch ohne konkrete Ergebnisse. Zu erkennen war nur: Die Entscheidung des Publikums musste denkbar knapp ausgefallen sein.
Screenshot: Pro Sieben
Dann kam der große Moment. Der Moment, in dem die Moderatoren Charlotte Engelhardt und Giovanni Zarrella den Kandidaten, dem Publikum in der Arena und den Zuschauern zuhause, die sie über zwei Stunden permanent aufgefordert hatten, für ihre Favoriten anzurufen, eröffneten – dass Pro Sieben sich einen großen Spaß auf ihre Kosten erlaubt hatte. Im wahrsten Sinne des Wortes.
„Passt auf, ihr müsst nicht weinen, denn wir haben eine große Überraschung für euch“, erklärte Engelhardt. „Heute abend fliegt niemand raus! Das Voting geht weiter!“ Und Zarrella sagte, bereits unter lauten Buh-Rufen des Publikums in der Halle: „Liebe Zuschauer, (…) wir geben Ihnen zuhause noch die Möglichkeit, 46 Stunden anzurufen. Bis zum Tag des Finales. Es ist fair gemeint.“ (Video auf Youtube ansehen.)
Screenshot: Pro Sieben
Aber das war nun wirklich der größte Quatsch, den Pro Sieben sich seit langem über den Sender zu schicken traute. Mit Fairness hatte das, was am Dienstagabend im Halbfinale der diesjährigen „Popstars“-Staffel passiert ist, nun wirklich nichts zu tun. Es war stattdessen ein Moment, in dem ein Sender endgültig offenbarte, wie egal ihm seine Zuschauer sind, die er nur braucht, um auf ihrer Telefonrechnung aufzutauchen. In der zweistündigen Liveshow waren sich die Moderatoren Zarrella und Engelhardt nicht zu schade dafür, wiederholt zu erklären, dass am Ende feststünde, welche beiden Paare am Donnerstag im Finale gegeneinander antreten werden. „Gleich gibt’s für Sie zuhause die Entscheidung. Wir machen eine kleine Unterbrechung“, hatte Zarrella noch vor der letzten Werbepause gesagt. Und nach einem Countdown bis zur Schließung der Telefonleitungen: „Für heute ist die Entscheidung gefallen.“ Engelhardt hatte den nervösen Kandidaten versichert: „Ihr seid jetzt so nah dran ins Finale einzuziehen. Auf der anderen Seite seid ihr so nah dran rauszufliegen.“
Aber das war gelogen. Wer im Finale antritt, will Pro Sieben erst am Donnerstag verraten. Und bis dahin noch ein bisschen mehr Geld mit kostenpflichtigen Anrufen zu je 50 Cent verdienen.
Bereits davor war zu ahnen, was der eigentliche Zweck dieses Halbfinales gewesen sein muss, das erstmals in der „Popstars“-Geschichte mit einem solchen Aufwand live veranstaltet wurde. Pro Sieben hatte die komplette Show an den Kooperationspartner Disney verhökert, dem vor kurzem bereits ein ganzer „Disney Day“ gewidmet wurde.
Die Teilnehmer mussten ausnahmslos Songs aus Disney-Filmen singen. Ein Paar versuchte sich am Titellied des neuen Disney-Trickfilms „Küss den Frosch“, der zufällig einen Tag zuvor Deutschland-Premiere hatte, von der in einem eigenen Beitrag berichtet wurde, was sich hübsch mit dem Singlespot für denselben Film zwischendrin ergänzte, den Spots in der Werbepause für andere Disney-Produkte und den „Pro Sieben Entertainment-Tipps“ für – genau: Disney-Produkte. Den Sendungstitel taufte der Sender passenderweise in „Popstars meets Disney“ um. (Und warb zwischendurch noch fürs eigene Merchandising.)
Screenshots: Pro Sieben
Es ist unfassbar schamlos, wie Pro Sieben seine Programmmarke durchkommerzialisiert hat, sich dabei einen Dreck um die Trennung von Werbung und Programm schert und bereitwillig riskiert, damit seine Zuschauer zu verprellen. Die Moderatoren hatten zum Schluss jedenfalls arge Mühe, gegen die Buh-Rufe aus der Halle anzukommen, während die beiden übrig gebliebenen Kandidatenduos fassungs- und regungslos daneben standen. Engelhardt entblödete sich nicht, noch zu scherzen: „Wir gehen lieber ganz schnell in Deckung.“ Und dann lief eben schnell der Abspann. Es war ein Abend, wie es ihn im deutschen Fernsehen noch nicht gegeben hat, mit einem selbst für die derzeitigen Verhältnisse im Privatfernsehen beispiellosen Mut, zu offenbaren, worum es in diesem Geschäft inzwischen ausschließlich geht. Längst nicht mehr darum, gutes Programm zu machen, nicht einmal mehr darum, seinen Fans treu zu bleiben, und ganz sicher nicht um einen angemessenen Umgang mit denen, die sich als potenzielles Vermarktungsobjekt zur Verfügung stellen.
Sondern einzig und allein um – Kohle.
Im Anschluss an „Popstars“ lief übrigens die „TV total Pokerstars.de Nacht“, zu der es vorher im Trailer geheißen hatte: „Wer geht leer aus? Und wer zockt alle ab?“ Aber diese Frage war nun wirklich schon lange vorher beantwortet.
Nachtrag: DWDL.de schreibt über die Quoten des Halbfinales: „Die Live-Show markierte ein neues Staffel-Tief und hielt sich gerade noch so im Senderschnitt.“