Das Fernsehblog

Das Fernsehblog

Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Der wahre Grund für den Erfolg des "Traumschiffs"

| 27 Lesermeinungen

Wenn im ZDF das "Traumschiff" ablegt, schauen regelmäßig über acht Millionen Menschen zu. Wegen der "Qualität" dieser "Hochglanzproduktion", erklärt der Sender. Oder das Produktionsteam setzt einfach darauf, dass der größte Teil des Publikums kurz vorm Wegsterben ist und deshalb nicht mehr mitbekommt, wie oft in einer Episode geschlampt wird.

Haben Sie früher in der „Hörzu“ auch immer so gerne das Suchspiel „Original und Fälschung“ gelöst? Nein, halt: Fangen wir lieber mit einer anderen Frage an.

Haben Sie dieses Jahr am 2. Weihnachtsfeiertag auch wieder „Traumschiff“ gesehen? Die 61. Folge, in der die Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate ging (Video in der Mediathek)?

Dann haben Sie sich vielleicht auch gefragt, wie man im Jahr 2009 immer noch Fernsehen produzieren kann, das aussieht, als sei es gerade aus einer Zeitmaschine gefallen. Auf dem „Traumschiff“ ist einfach die Zeit stehen geblieben: Es gibt kein Internet, keinen technischen Fortschritt – und wenn es um Geldbeträge geht, werden die gerne mal auch in D-Mark angegeben, damit die Zielgruppe nicht umrechnen muss. Sogar die Schauspielernamen im Vorspann erscheinen noch in der gelben Einheitsschrift, die in den 80ern alle ZDF-Serien verpasst bekamen.

Bild zu: Der wahre Grund für den Erfolg des "Traumschiffs"
Abspann „Die Schwarzwaldklinik“ (1985-89), Vorspann „Das Traumschiff“ (2009) / Screenshots: ZDF

In Wahrheit ist „Das Traumschiff“ ein Millionen Euro teurer Groschenroman fürs Fernsehen, dessen Handlungsstränge sich leicht vorhersagen lassen, weil sie immer nach denselben Mustern funktionieren (dramatisches Wiedersehen, Vater-Sohn-Konflikt, heitere Liebesgeschichte). Und fürs ZDF immer noch ein sicherer Quotenhit. 8,59 Millionen sahen am Sonntag zu, bei Folge 60 im November, in der es nach Peru und Miami ging, waren es sogar 9,18 Millionen.

„Dit is die letzte Sendung, jenau wie ‚Wetten dass..?‘, wo die ganze Familie guckt“,

erklärte „Traumschiff“-Erfinder Wolfgang Rademann im November bei „Wetten dass..?“ den Erfolg seiner Reihe. Auf ZDF.de heißt es etwas konkreter:

„Familienunterhaltung, Starbesetzung und Hochglanzproduktion – damals wie heute zeichnet sich das ‚Traumschiff‘ dadurch aus. Das ‚Traumschiff-Team‘ setzt auf Qualität.“

Qualität, wie sie sich in jeder Folge aufs Neue bestaunen lässt. Schauen Sie doch mal in der Episode vom November: Der alleinerziehende Papa mit seiner Tochter, der bei seinem Landgang in Peru gemeinsam mit der älteren Dame einen Ausflug mit einem lustigen Schiffchen macht. Hier steigen die drei gerade ein:

Bild zu: Der wahre Grund für den Erfolg des "Traumschiffs"
Screenshot: ZDF

Und, schwupps, da steigen sie kurz danach wieder aus. Obwohl ja gar nicht viel Zeit zum Umziehen war. Trotzdem trägt die ältere Dame jetzt keine bronzefarbene Bluse mit rosafarbenem Umhängepulli mehr, sondern ein weißes Top mit einem dunklen Tuch. Und die Tochter keinen rosafarbenen Rollkragenpullover mit grauer Sweatjacke, sondern ein weißes Hemd unter einer rosa Strickjacke.

Bild zu: Der wahre Grund für den Erfolg des "Traumschiffs"
Screenshot: ZDF

In einer anderen Szene unterhalten sich ein Mann und eine Frau beim Essen:

Bild zu: Der wahre Grund für den Erfolg des "Traumschiffs"

Bild zu: Der wahre Grund für den Erfolg des "Traumschiffs"

Bild zu: Der wahre Grund für den Erfolg des "Traumschiffs"
Screenshots: ZDF

Nur dass man gar nicht gesehen hat, wie der Mann, der im ersten und im letzten Bild auf der Tischseite zum Raum sitzt, sich zwischendrin auf die gepolsterte Bank an den Spiegel und wieder zurückgesetzt hat.

Es kann natürlich sein, dass die „Hochglanzproduktion“ „Traumschiff“ wegen ihrer „Qualität“ so gut funktioniert. Oder das Team setzt einfach darauf, dass die eine Hälfte des Publikums sowieso kurz vorm Wegsterben ist und deshalb nicht mehr mitbekommt, wie oft in so einer Episode geschlampt wird, und die andere Hälfte bloß wegen des heiteren Fehlersuchspiels einschaltet.

Die nächste „Traumschiff“-Episode („Indian Summer“) läuft an Neujahr im ZDF.


27 Lesermeinungen

  1. evm sagt:

    Ertappt! Ich habe dieses...
    Ertappt! Ich habe dieses Suchspiel in der Hörzu tatsächlich damals bei meinen Eltern immer wieder gemacht. Ehrlich gesagt, es hat wahnsinnig Spass gemacht….

  2. Unter den ersten beiden...
    Unter den ersten beiden Bildern steht „Groschengroman“. Ein G zuviel.

  3. Patrick sagt:

    Ich bin absolut kein Fan vom...
    Ich bin absolut kein Fan vom Traumschiff aber solche Produktionsfehler passieren einfach. Das findet sich auch in jeder noch so tollen US-Serie wieder. Ich finde sogar das die Fehler in anderen Serien weitaus schlimmer sind. Da sieht man auchmal ein Mikro im Bild oder es gibt viele Schnittfehler. Das ist die Regel und alles andere als schlimm weil es meist garnicht auffällt.

  4. pschader sagt:

    @MS Word Autokorrektur:...
    @MS Word Autokorrektur: Entfernt!

  5. nona sagt:

    Nun ist es leider so, dass...
    Nun ist es leider so, dass Sendungen wie das „Traumschiff“ nicht wahnsinnig Spass machen, sondern Spass wahnsinnig machen…

  6. onlime sagt:

    Dieses Jahr hat die ganze...
    Dieses Jahr hat die ganze Familie tatsächlich das Traumschiff gesehen und sich köstlich über die absolut unterirdische „Qualität“ amüsiert. Fremdschämen im Familienkreis macht offenbar mehr Spaß. Alleine zu hause hätte ich umgeschaltet, sobald ich aus der entgeisterten katatonischen Starre erwacht wäre, die mich immer für eine Zeit lang beim Betrachten solcher Machwerke überkommt, bis mir einfällt, dass es so ein Ding namens „Fernbedienung“ gibt.

  7. 10 minuten TRAUMSCHIFF und dir...
    10 minuten TRAUMSCHIFF und dir fliegt der kopf weg. drehbuch und machart sind von so unglaublich schablonenhafter verhöhnung, da fällt einem nichts mehr ein. und über allem herrscht ein kreis als drohne, der seit jahrzehnten mit gebührengeldern volksverdummendes verblödungsfernsehen produziert und sich vor lauter massenzuspruch längst um den verstand gesoffen hat ..
    über strukturen und personal des öffentlich-rechtlichen systems kann man sich in der tat nur wundern ..

  8. Ich hab' die ganze Zeit nach...
    Ich hab‘ die ganze Zeit nach Elisabeth Flickenschildt gesucht als ich „ältere Dame“ gelesen habe. Mein Gott, die Abgebildete ist Mitte 40 (denk‘ ich mal, konnte sie nicht identifizieren). Aber ab 50 ist man ja „Senior“. Warum wird eigentlich auf Folge 61 verlinkt, wenn die dargestellte Szene in einer ganz anderen Folge stattfindet?
    Und ja, solche Serien müssen handwerklich nahezu perfekt sein, dann können sie sogar gute Unterhaltung sein. wenn das aber alles an Fehlern in der kritisierten Folge war, dann war es den Artikel nicht wert. Der Rosamunde Pilcher Schwachsinn, die Handlung von 60 Minuten auf 6 Stunden zu strecken, an Weihnachten, wäre da besseres Futter gewesen.

  9. Neris sagt:

    Ich war gezwungen, mir das...
    Ich war gezwungen, mir das anzusehen, zumindest anzuhören: Schwiegerelternbesuch. Mark Twain hat mich davor bewahrt, Amok zu laufen – zum Glück hatte ich dieses Buch dabei. Was die Produktionsfehler angeht, wären mir vertauschte Sitzplätze, Klamotten etc. ziemlich egal. Aber wer um Gottes Willen schreibt solche Dialoge, entwirft solche Geschichten und muss sich dabei NICHT übergeben? Gehören gute Drehbücher denn nicht zur „Qualität“?!

  10. "Anschlüsse gibt's am...
    „Anschlüsse gibt’s am Bahnhof“ war angeblich das Motto bei der Produktion der verschiedenen RTL Action-Serien. Vielleicht haben die Traumschiff-Leute ja dort gelernt? 😉

Kommentare sind deaktiviert.