Das Fernsehblog

Der wahre Grund für den Erfolg des "Traumschiffs"

Haben Sie früher in der „Hörzu“ auch immer so gerne das Suchspiel „Original und Fälschung“ gelöst? Nein, halt: Fangen wir lieber mit einer anderen Frage an.

Haben Sie dieses Jahr am 2. Weihnachtsfeiertag auch wieder „Traumschiff“ gesehen? Die 61. Folge, in der die Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate ging (Video in der Mediathek)?

Dann haben Sie sich vielleicht auch gefragt, wie man im Jahr 2009 immer noch Fernsehen produzieren kann, das aussieht, als sei es gerade aus einer Zeitmaschine gefallen. Auf dem „Traumschiff“ ist einfach die Zeit stehen geblieben: Es gibt kein Internet, keinen technischen Fortschritt – und wenn es um Geldbeträge geht, werden die gerne mal auch in D-Mark angegeben, damit die Zielgruppe nicht umrechnen muss. Sogar die Schauspielernamen im Vorspann erscheinen noch in der gelben Einheitsschrift, die in den 80ern alle ZDF-Serien verpasst bekamen.


Abspann „Die Schwarzwaldklinik“ (1985-89), Vorspann „Das Traumschiff“ (2009) / Screenshots: ZDF

In Wahrheit ist „Das Traumschiff“ ein Millionen Euro teurer Groschenroman fürs Fernsehen, dessen Handlungsstränge sich leicht vorhersagen lassen, weil sie immer nach denselben Mustern funktionieren (dramatisches Wiedersehen, Vater-Sohn-Konflikt, heitere Liebesgeschichte). Und fürs ZDF immer noch ein sicherer Quotenhit. 8,59 Millionen sahen am Sonntag zu, bei Folge 60 im November, in der es nach Peru und Miami ging, waren es sogar 9,18 Millionen.

„Dit is die letzte Sendung, jenau wie ‚Wetten dass..?‘, wo die ganze Familie guckt“,

erklärte „Traumschiff“-Erfinder Wolfgang Rademann im November bei „Wetten dass..?“ den Erfolg seiner Reihe. Auf ZDF.de heißt es etwas konkreter:

„Familienunterhaltung, Starbesetzung und Hochglanzproduktion – damals wie heute zeichnet sich das ‚Traumschiff‘ dadurch aus. Das ‚Traumschiff-Team‘ setzt auf Qualität.“

Qualität, wie sie sich in jeder Folge aufs Neue bestaunen lässt. Schauen Sie doch mal in der Episode vom November: Der alleinerziehende Papa mit seiner Tochter, der bei seinem Landgang in Peru gemeinsam mit der älteren Dame einen Ausflug mit einem lustigen Schiffchen macht. Hier steigen die drei gerade ein:


Screenshot: ZDF

Und, schwupps, da steigen sie kurz danach wieder aus. Obwohl ja gar nicht viel Zeit zum Umziehen war. Trotzdem trägt die ältere Dame jetzt keine bronzefarbene Bluse mit rosafarbenem Umhängepulli mehr, sondern ein weißes Top mit einem dunklen Tuch. Und die Tochter keinen rosafarbenen Rollkragenpullover mit grauer Sweatjacke, sondern ein weißes Hemd unter einer rosa Strickjacke.


Screenshot: ZDF

In einer anderen Szene unterhalten sich ein Mann und eine Frau beim Essen:


Screenshots: ZDF

Nur dass man gar nicht gesehen hat, wie der Mann, der im ersten und im letzten Bild auf der Tischseite zum Raum sitzt, sich zwischendrin auf die gepolsterte Bank an den Spiegel und wieder zurückgesetzt hat.

Es kann natürlich sein, dass die „Hochglanzproduktion“ „Traumschiff“ wegen ihrer „Qualität“ so gut funktioniert. Oder das Team setzt einfach darauf, dass die eine Hälfte des Publikums sowieso kurz vorm Wegsterben ist und deshalb nicht mehr mitbekommt, wie oft in so einer Episode geschlampt wird, und die andere Hälfte bloß wegen des heiteren Fehlersuchspiels einschaltet.

Die nächste „Traumschiff“-Episode („Indian Summer“) läuft an Neujahr im ZDF.

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