In diesen unsicheren Zeiten sehnen sich viele junge Menschen nach einem Job, der sie ausfüllt und ihnen Sicherheit gibt: Sie wollen Boulevardreporter beim Fernsehen werden. Mit einem kleinen Ratgeber für angehende Promi- und Elendsjournalisten hilft Das Fernsehblog bei der Vorbereitung auf den beruflichen Alltag, selbstverständlich am aktuellen Beispiel.
Heute lernen wir, wie man einen „Explosiv“-Beitrag plant – und ihm später eine rettende Wendung gibt (Beispiel: Sendung vom 4. Januar 2010; Video bei rtlnow.de ab 13’01 ansehen).
Schritt 1: Ein geeignetes Thema finden
Inspirationen für relevante „Explosiv“-Themen sind häufig im eigenen Bekanntenkreis zu finden. War ein Freund vielleicht gerade im Puff oder im Stripclub? Da ist schließlich immer was los. Und falls nicht, denkt sich der Eigentümer auf Anfrage bestimmt gerne was aus. So wie der Besitzer eines Berliner Nacktcl… – Entschuldigung: Nachtclubs, der unter seinen Gästen einen Abend mit Pornodarstellerin Annina verloste, die im vergangenen Jahr bei „Big Brother“ dabei war (eine ideale „Explosiv“-Themenkombination aus Oberweite und Prominenz). Also nix wie hin.
Screenshot: RTL
Schritt 2: Die Protagonisten ins Lächerliche ziehen
Vermeiden Sie es, fair mit ihren Protagonisten umzugehen. Distanzieren Sie sich ironisch von ihnen, damit niemand auf die Idee kommt, sie würden die Pappnasen ernst nehmen, die sich freiwillig vor Ihre Kamera stellen.
Verwirren Sie dem Nachtclubbesitzer mit einer völlig verdrehten Frage („Es ist ja immer so: Ein Mann in so ’ner Domäne mit ganz vielen attraktiven Frauen. Kann man da selber noch einen klugen Kopf behalten bei so vielen Frauen? Wie ist denn das?“) und schneiden Sie es auf keinen Fall raus, wenn der Mann irritiert sagt: „Ja, ich glaube schön, äh – ich hab die Frage nicht verstanden.“ Dadurch wirkt er so herrlich beschränkt. Das ist dann die Rache dafür, „dass der Barbesitzer etwas PR braucht“.
Zur Pornodarstellerin lohnt es sich zu erklären, wie weit unten sie inzwischen angekommen ist, am besten wieder ironisch gebrochen: „Diese Frau hat es geschafft. Geschafft nach „Big Brother“, nach einer Karriere als Erotikstarlet heute… – in der Lostrommel einer Tabledancebar zu landen.“ Erfinden Sie lustige Synonyme („Frau Doppel-G“) und machen Sie sich darüber lustig, wenn sie behauptet, „gebürtige Kölnerin“ zu sein, obwohl sie in Bremerhaven geboren wurde.
Lassen Sie das Publikum zu keiner Sekunde an Ihrer Überlegenheit zweifeln!
Schritt 3: Neue Opfer suchen
Nichts ist schlimmer als am Ort des Geschehens festzustellen: Da passiert ja gar nix. In solchen Momenten ist Spontaneität gefragt! Wenn die Pornodarstellerin verlost ist, nichts Spannendes mehr sagt und sich den ganzen Abend kein einziger Vorfall zum Skandal aufblasen lässt, braucht es neue Opfer. Am besten: einfache Leute ohne Fernseherfahrung!
Screenshot: RTL (Verfremdungen von uns)
Fragen Sie den Industriemechaniker, der das Treffen mit dem Pornostar gewonnen hat, ob er seinen Sohn öfter in Tabledance-Bars mitnimmt, blenden sie deren vollständige Namen und deren Berufe ein, damit sie die Nachbarn wiedererkennen, während die beiden erzählen, dass die Ehefrau und Mutter zuhause kein Problem damit hat, wenn Vater und Sohn gemeinsam zum Tabledance gehen. Ganz besonders wichtig: deuten Sie an, dass sich das noch als Irrtum herausstellen könnte.
Am darauf folgenden Tag statten Sie dem Mann zuhause einen Besuch mit der Kamera ab, setzen ihn auf das Sofa neben seine Frau, lassen sie noch mal selbst erzählen, dass sie das mit den Nachtclubs nicht so schlimm findet, weil ihr Mann erzählt hat, dass sich die Frauen da nie ganz ausziehen…
Screenshots: RTL (Verfremdungen im Sofabild von uns)
…und zeigen ihr dann auf Video, wie sich ihr Mann am Abend davor mit einer vollständig nackten Stripperin vergnügte. Ein dazu passender Off-Text, der die Dramatik der Situation unterstützt, ist unerlässlich:
„Und dann zeigen wir die Bilder von Vati mit der Stripperin. Und das Lachen von Birgit H.* verzieht sich zu einer versteinerten Miene.“
(*Name von uns gekürzt)
Nachher wird die Ehefrau (nicht vergessen: vollständiger Name und Beruf!) ihren Mann geschockt ansehen und sagen, wie es ihr jetzt geht, nachdem das „Explosiv“-Team ihren Gatten in dessen Anwesenheit nicht nur als Lügner entlarvt hat, sondern auch gleich den „Bildbeweis“ dazu lieferte:
„Man fühlt sich als nichts mehr wert. Und irgendwo fängt man dann an zu suchen, woanders.“
Dann braucht es nur noch einen knackigen Ausstieg und der Beitrag für die Sendung ist gerettet:
„Doch trennen will sich Birgit erst einmal nicht. Allerdings wird der Abend bei den beiden noch lange für Gesprächsstoff sorgen.“
Zeigen, wie doof Nachtclubbesitzer sind, einem ehemaligen Pornostar reindrücken, wie armselig es ist, sich in Stripclubs verlosen zu lassen, die Ehe eines RTL-Zuschauers in dessen eigenem Wohnzimmer ruinieren und keinen Zweifel daran lassen, wie armselig man diese Leute alle findet: So schaffen auch Sie es, erfolgreich „Explosiv“-Reporter zu werden.
Sicher, dass das Ehepaar nicht...
Sicher, dass das Ehepaar nicht gecastet war, so wie mittlerweile 80% der Protagonisten aller Dokus, Magazine und Beiträge auf den Privatsendern?
<p>@Hobelbruder &...
@Hobelbruder & Peer
Hinter dem „Publik“ fehlt noch ein „um“ … nur mal so am Rande 🙂
Und Wohnzimmer sind halt immer schon was Eigenes gewesen …
- Zeigen, wie doof (...)...
– Zeigen, wie doof (…) sind
– Einem reindrücken, wie armselig…
– Keinen Zweifel lassen, wie armselig man die Leute findet…
– …zerstören…
Erstaunlich, da geben sich die Explosiv-Reporter ja die Methoden-Klinke mit einigen Medienjournalisten in die Hand.
Was auch noch wichtig wäre,...
Was auch noch wichtig wäre, ist einen B- oder C-Prominenten so lange zu jagen, bis derjenige schließlich die Nerven verliert und dessen Ausbruch dann als Schleife eine Minute lang zu zeigen. Dabei fleißig betonen, dass derjenige sich ja nicht im Griff hat und die Cousine der ehemaligen Hundesitterin des Starlets auch behauptet, derjenige wäre aggressiv und würde dazu neigen, seine Frau resp. seinen Mann zu schlagen.
Ganz wichtig dabei ist es, die Hetzjagden natürlich nicht zu erwähnen und zu betonen, wie lächerlich es doch ist, harmlose, gutmeinende Paparazzi anzugreifen.
Ich verstehe hier stets die...
Ich verstehe hier stets die Empathie für die arg- und wehrlosen Opfer der Boulevardmedien. Allerdings wird dabei stets vergessen, dass diese stets die Wahl haben, sich verwursten zu lassen und aus Eitelkeit (das Argument, dass jemand das für die lausigen paar Piepen (wieviel kriegen die eigentlich) mit sich machen lassen muss, habe ich noch nichtr gehört) sich stes dafür entscheiden.
Die sind also selber schuld.
Ja natürlich, die sind alle...
Ja natürlich, die sind alle selber schuld. Auch die, die gar nicht mit der Bösartigkeit des Boulevards rechnen, da sie sich nicht in ihren kühnsten Träumen vorstellen können, wie perfide der Boulevard arbeitet. Und selbstverständlich ist auch der Besuch in einem Nachtclub ein derart großer Sündenfall, der die Verbrennung auf dem RTL Scheiterhaufen rechtfertigt. Mir fröstelts …
<p>Ach, das ist doch alles...
Ach, das ist doch alles bekannt, alt, gang und gäbe – und langweilig.
Kleine Blogger-Schule: Wie man...
Kleine Blogger-Schule: Wie man eine TV-Kolumne rettet.
In diesen unsicheren Zeiten sehnen sich viele junge Menschen nach einem Job, der sie ausfüllt und der ihnen Sicherheit gibt. Sie wollen Fernsehkritiker werden.
Schritt 1: Ein geeignetes Thema finden.
Inspirationen für relevante Blog-Themen finden sich häufig im eigenen Klischeebaukasten. Was den Einen ihr Pornostar, ist den Anderen ihr Boulevard-Journalist. Also nix wie los.
Schritt 2: Die Protagonisten ins Lächerliche ziehen.
Vermeiden Sie es, fair mit Ihren Protagonisten umzugehen. Distanzieren Sie sich ironisch von ihnen, damit niemand auf die Idee kommt, sie würden die Pappnasen ernst nehmen, über die sie schreiben.
Zu den Schweinebacken-Journalisten aus der Boulevard-Gosse lohnt es sich zu erklären, wie weit unten sie inzwischen angekommen sind. Erfinden Sie lustige Synonyme („Promi- und Elendsjournalisten“) und machen Sie sich darüber lustig („So schaffen auch Sie es, erfolgreich „Explosiv-Reporter“ zu werden“).
Schritt 3: Neue Opfer suchen
Nix ist schlimmer mitten beim Schreiben festzustellen: Da gehts ja um gar nix. In solchen Momenten ist Spontaneität gefragt. Wenn der Boulevard-Idiot den ganzen Beitrag über nichts Schreckliches macht und sich kein einziger Vorfall zum Skandal aufblasen lässt: Werden Sie kreativ. Zitieren Sie falsch, zerren Sie aus dem Zusammenhang, liefern Sie spektakuläre Bild-Beweise. Ein dazu passender Text, der die Dramatik der Situation unterstützt, ist unerlässlich („Verfremdungen im Sofabild von uns“).
Dazu braucht es nur noch einen knackigen Ausstieg und der Blog ist gerettet:
„Die Ehe eines RTL-Zuschauers in dessen eigenem Wohnzimmer ruinieren und keinen Zweifel daran lassen, wie armselig man diese Leute alle findet.“
So schaffen auch Sie es, erfolgreich „Fernsehkritiker“ zu werden.
"Beiträge von der Zielgruppe...
„Beiträge von der Zielgruppe für die Zielgruppe, ist doch alles wunderbar!“
Ich glaube langsam, dass bei manchen Formaten, vor allem bei RTL, die Dargestellten, die Zuschauer und die die das ganze Produzieren alle aus demselben Millieu kommen, maximal mit kleineren Abstufungen. Das ist eine richtiges Subsystem unserer Gesellschaft gewurden, mit eigener Wirtschaft, eigenen Werten und Normen (ok, meist keinen) usw. .
Ich verstehe besonders nicht, warum es Leute gibt, die es befriedigend finden, sich an angeblich „heruntergekommenen“ Stars abzuarbeiten? Wer nichts tut, was einem anderen irgendwie schadet, wer keine anderen Menschen ausbeutet, belügt, betrügt, sich gegenüber anderen arrogant oder herablassend verhält, sollte eigentlich auch keine solche kritische Bearbeitung über sich ergehen lassen müssen. Und ich wüsste nicht, was zum Beispiel die Anina jetzt schlimmes getan haben sollte. Das trifft auf fast alle Prominenten zu. Die richtige Herangehensweise wäre Prominente ausschließlich als Projektionsfläche für die Sorgen und Träume der Normalos zu verwenden, nicht aber als völlig ungerechtfertigtes Ziel für Hohn und Spott.
Naja, wie auch immer.
Und den passenden...
Und den passenden Berufseinstieg findet man hier: https://www.praktikum-online.de/FirmenUebersicht.asp?ID=6486
Da wird alles ein bisschen netter umschrieben. Ob dieser Beitrag wohl von Praktikanten erstellt wurde? Anderseits schwer vorstellbar, dass es jemand in nur sechs Wochen drauf hat, so herablassend gegenüber den Protagonisten zu sein.