Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Restauranttester im TV: Geht’s auch ein bisschen echter?

| 18 Lesermeinungen

Als Sternekoch Christian Rach vor zweieinhalb Wochen die Goldene Kamera für "Rach der Restauranttester" verliehen bekam, bedankte er sich bei RTL dafür, in der Sendung keine künstlichen Spannungsmomente inszenieren zu müssen, um damit Quote zu holen. In der Branche scheint das allerdings die Ausnahme zu sein.

Als Sternekoch Christian Rach vor zweieinhalb Wochen die Goldene Kamera für seine RTL-Sendung „Rach der Restauranttester“ verliehen bekam, hielt er eine kleine Dankesrede. Sie ging so:

Bild zu: Restauranttester im TV: Geht's auch ein bisschen echter?„Es wurde heute Abend ja schon sehr häufig gesagt: Unterhaltung und helfen, das passt eigentlich gar nicht zusammen. Wie kriegt man das hin, ohne dass man Wirklichkeit so manipuliert, Spannung erzeugt, um Quote zu erzielen, das ist natürlich eine richtige Aufgabe. Ich sage: Wir gehen einfach ran an die Leute, die Hilfe brauchen und die sich nicht scheuen, das in der Öffentlichkeit zu suchen, und darin dann authentisch und ehrlich zu bleiben und nicht künstliche Spannungsmomente zu provozieren, um ’ne gute Quote zu haben. Das brauchen wir nicht, wenn man die Realität einfach so abbildet wie sie ist. Ich danke RTL dafür, dass sie uns da ohne Drehbuch arbeiten lassen, dass wir da keine Vorgaben haben, auch von der Produktionsfirma. (…) Ich find es großartig, dass das alles mit einer guten Quote belohnt wird.“

Man braucht nur mal ein paar Gastronomen zu fragen, bei denen Rach zu Besuch war, um herauszufinden, dass der Mann das tatsächlich ernst meint. Dabei scheint das in der Branche die Ausnahme zu sein. Auch für RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt, die während Rachs Rede strahlend stolz im Publikum saß, nachmittags aber mit dem Gegenteil dessen, für das ihr Sender in diesem Moment gelobt wurde, Quote holt.

Um ein Programm zu machen, das die Zuschauer spannend finden (oder besser: von dem Redakteure und Produzenten glauben, dass die Zuschauer es so spannender finden), wird getrickst und manipuliert, oft auf Kosten der Protagonisten, die sich nachher auf dem Bildschirm kaum wiedererkennen. Für die Medienseite der F.A.Z. hab ich heute, am Freitag, einen Text über die Praktiken bei der Entstehung von Restauranttester-Sendungen aufgeschrieben (derzeit nur gedruckt verfügbar Nachtrag, 20.2.: Der Text steht jetzt auch online), bei denen es nicht immer so zugeht, wie Christian Rach das für seine Sendung beansprucht. Hinweise darauf lassen sich bei der Kabel-1-Version „Rosins Restaurants“ schon im Abspann erkennen. Dort wird einer Firma gedankt, die sich als „Europas größter Verleiher von Event-Ausstattung“ bezeichnet:

Bild zu: Restauranttester im TV: Geht's auch ein bisschen echter?
Screenshot: Kabel 1

Die Unterstützung besteht offenbar darin, die Restaurants für die Testessen, zu dem Sternekoch Rosin nach einem Intensiv-Coaching bittet, hübscher zu machen und entsprechend auszustatten. Mitwirkende berichten, dass zum Beispiel das Mietgeschirr nach dem Dreh aber gleich wieder abgeholt wird.

Auch „Rosins Restaurants“ lebt vor allem von emotionalen Momenten: wenn der Inhaber erkennt, dass er sich übernommen hat, der Küchenchef, dass die Arbeit zu sehr Routine geworden ist, und das Personal, wie sehr es überfordert ist. Es mag legitim sein, diese Momente zu zeigen. Für Kabel 1 jedoch sind Situationen, in denen Tränen fließen, der ideale Zeitpunkt um – Werbung zu zeigen:

Bild zu: Restauranttester im TV: Geht's auch ein bisschen echter?
Screenshot: Kabel 1 (Verfremdung von uns)

Ich bin mir nicht sicher, wieviele Leute in der TV-Branche das, was Rach bei der Goldenen Kamera gesagt hat, auch für ihre eigene Arbeit unterschreiben würden und ob es überhaupt noch ein Ziel ist, Realität abzubilden anstatt sich selbst eine zurecht zu biegen. Natürlich ist Fernsehen immer auch ein Stück Inszenierung, die Frage ist nur: Wie weit geht man dabei? Das Erstaunliche an Rachs Sendung ist aber, was ihr Namensgeber zum Schluss seiner Rede erwähnt: Dass das Publikum auch ohne solche Tricks einschaltet.

Haben Sie eigene Erfahrungen mit der Realitätsinszenierung des Fernsehens gemacht? Dann mailen Sie uns doch! Unter kontakt (at) dasfernsehblog (dot) de.

Screenshot oben: ZDF


18 Lesermeinungen

  1. zoey sagt:

    ich habe die sendung mit rach...
    ich habe die sendung mit rach einige zeit regelmäßig geschaut. er versucht nicht, den leuten extra tränen rauszuschinden, bleibt auf einer sachlichen ebene.
    schön, dass die realität dem gezeigten entspricht und hier dialoge nicht vorgegeben sind.
    in die gleiche liga wie rach gehört auch das originalkonzept „der trödelking“ vom wdr. vom durchzappen weiß ich, dass es kopien auf den privatsendern gibt. diese grausam zu nennen würde es nicht ausreichend treffen.

  2. Sven sagt:

    Okay, vielleicht ist Rachs...
    Okay, vielleicht ist Rachs Sendung für diese Restaurants wirklich nachhaltiger als die anderen Produktionen. Vielleicht ist das Rachs Sendung auch etwas näher an der Realität als die anderen Produktionen.
    Trotzdem wird diese Format als Fernsehsendung nicht besser.

  3. Seba sagt:

    Hey Peer,

    @Frage: Ich...
    Hey Peer,
    @Frage: Ich persönlich nicht. Aber vor Jahren wurd mal ein Bekannter von mir angeschrieben, ob er denn nicht eine Rolle in einer Talshow übernehmen wolle – er müsse sich soundso verhalten und diesen und jenen Standpunkt vertreten, dafür bekomme er XXX,00 Euro.
    Ist zwar schon gute 10 Jahre her – aber seitdieser Zeit glaube ich nicht mehr an dieses ganze Reality Zeugs – liegt aber eben an der Quoten-orientierten TV Welt – wen interessiert ne heile Welt?
    Alle wollen Sie Drama, Drama, Drama sehen, wie es auch schon Bruce Darnell gesacht hat ..
    In diesem Sinne,
    Ciao Seba

  4. Jan sagt:

    Ich habe Rach mehrmals gesehen...
    Ich habe Rach mehrmals gesehen und würde es so formulieren: „Rach der Restauranttester“ ist aus meiner Sicht nur ein bisschen manipuliert, man merkt, dass vor Ort manchmal noch etwas nachgeholfen wird (à la „können Sie das vielleicht nochmal was inbrünstiger sagen?“). Wäre ich Rach, ich würde sagen, das ist noch im grünen Bereich.
    Die Leute, die Schneiden und den Sprechertext schreiben, halten sich mit Manipulation, Zynismen und unterschwelligen Verunglimpfungen hingegen kein bisschen zurück.
    Das Rohmaterial ist vergleichsweise authentisch, deswegen kann die Produktionsfirma anschließend auch nicht mehr so viel „rausholen“.
    Ich bezweifle aber, dass man das der Sendung ernsthaft hoch anrechnen kann…

  5. Jeeves sagt:

    Endlich hier mal was...
    Endlich hier mal was sinnvolles, das sich nicht mit dem offensichtlichen Trallala-Schwachsinn oder dem vielen Schund im TV beschäftigt (dass das alles Mist ist, wissen die Leser hier „von ganz alleine“), sondern endlich wird ein positives Beispiel gegen all den Schwachsinn herausgestellt.
    Ja, irgendwie mag ich den Christian Rach; dass auch in seiner Sendung dramaturgisch dran gebastelt wird, ist wohl auch allen hier klar; geht ja garnicht anders, ist ja kein cinema vérité.

  6. Johannes sagt:

    Weil ich ein netter Enkel bin,...
    Weil ich ein netter Enkel bin, schaue ich jeden Montag mit meinen Großeltern „Wer wird Millionär?“, weil „der Jauch so ein netter Mann ist und man da prima mitraten kann“. Und ab und an bleibt der Fernseher danach auch noch eingeschaltet und Rach wird geguckt. Meine Oma meinte neulich, die Sendung gefalle ihr deswegen so gut, weil man nicht merken würde, dass das eine Privatfernsehen-Produktion sei. Finde ich zwar nicht, weil man alleine schon an der musikalischen Untermalung merkt, dass man nicht bei arte ist, aber Rach ist vollkommen okay. Guter Mann! Hat auch neulich mal bei SpON ein gutes Interview gegeben.

  7. der rach ist echt der...
    der rach ist echt der einzige,den ich bei der format-flut ab und zu mal schaue…allerdings in der wiederholung ,am sonntag.wenn ich meinen kater auskuriere und nix besseres im tv kommt.
    mfg

  8. Stefan sagt:

    Natürlich ist keine Sendung...
    Natürlich ist keine Sendung und ist auch kein Beitrag vor Manipulation, vor Überhöhung oder Übertreibung geschützt. Ich selbst habe das mal in jungen Jahren erlebt, als ich mit meinem Bruder und einem Freund für „Planetopia“ vor der Kamera stand. Die meiste Zeit der zwei Drehtage haben wir damit verbracht, Szenen zu stellen, die eigentlich nichts mit uns oder dem Thema zu tun haben, die aber schön zur Untermalung sind. Und da ich heute selbst Journalist bin, weiß ich auch, dass das leider manchmal nötig ist oder sich eine gewisse Wertung einschleicht, ganz gleich wie sehr man versucht, die zu umgehen.
    Dennoch finde ich diesen Beitrag im Fernsehblog passend. Zwar ist es eigentlich traurig, wenn man nun schon Sendungen loben muss, die am wenigsten manipulieren. Doch ist Rach durchaus jemand, der tatsächlich ein Lob für seine Arbeit verdient. Nicht nur die Sendung als solche finde ich weitestgehend ehrlich, auch Rach selbst. Wenn man sich dagegen seine Kollegen anschaut, bekommt man das Grauen. So viel Selbstdarstellung und vor allem Selbstüberschätzung und dann noch ganz viel „human touch“, das ist die Fertigbackmischung, mit der leider die meisten anderen hantieren. Ob das auf Dauer gut geht, wird sich zeigen. Schön ist es jedenfalls nicht.

  9. Thomas Zett sagt:

    Gehaltvoll. Danke. Ergänzt...
    Gehaltvoll. Danke. Ergänzt durch den Print- Artikel, sehr informativ.

  10. John Rest sagt:

    Früher einmal war ich so naiv...
    Früher einmal war ich so naiv zu glauben, dass der Zuschauer merkt wenn man ihm inszenierten Müll als echten Müll stinkend vor die Füsse wirft. Inzwischen möchte ich meine Meinung jedoch stark der realen Realität angepasst anders definiert wissen. Der Zuschauer scheint in der großen Masse mehr Konsument als kritischer Verbraucher. Ein Format A läuft, also schaut man sich ein Format „Kopie von A“ einfach mal an. In diesem Blog hier versammelt sich doch der „gemeine Zuschauer“ überhaupt nicht sondern die Riege der selbsternannten Kritiker.
    Will sagen: Die, die sich für kritisch, besser oder hinterfragender halten schreiben über die, die einfach die Kiste anschalten und gucken. Und leider gilt in Sachen Medien: Wer Quote hat, hat Recht.
    PUNKT.

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