Das Fernsehblog

Restauranttester im TV: Geht’s auch ein bisschen echter?

Als Sternekoch Christian Rach vor zweieinhalb Wochen die Goldene Kamera für seine RTL-Sendung „Rach der Restauranttester“ verliehen bekam, hielt er eine kleine Dankesrede. Sie ging so:

„Es wurde heute Abend ja schon sehr häufig gesagt: Unterhaltung und helfen, das passt eigentlich gar nicht zusammen. Wie kriegt man das hin, ohne dass man Wirklichkeit so manipuliert, Spannung erzeugt, um Quote zu erzielen, das ist natürlich eine richtige Aufgabe. Ich sage: Wir gehen einfach ran an die Leute, die Hilfe brauchen und die sich nicht scheuen, das in der Öffentlichkeit zu suchen, und darin dann authentisch und ehrlich zu bleiben und nicht künstliche Spannungsmomente zu provozieren, um ’ne gute Quote zu haben. Das brauchen wir nicht, wenn man die Realität einfach so abbildet wie sie ist. Ich danke RTL dafür, dass sie uns da ohne Drehbuch arbeiten lassen, dass wir da keine Vorgaben haben, auch von der Produktionsfirma. (…) Ich find es großartig, dass das alles mit einer guten Quote belohnt wird.“

Man braucht nur mal ein paar Gastronomen zu fragen, bei denen Rach zu Besuch war, um herauszufinden, dass der Mann das tatsächlich ernst meint. Dabei scheint das in der Branche die Ausnahme zu sein. Auch für RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt, die während Rachs Rede strahlend stolz im Publikum saß, nachmittags aber mit dem Gegenteil dessen, für das ihr Sender in diesem Moment gelobt wurde, Quote holt.

Um ein Programm zu machen, das die Zuschauer spannend finden (oder besser: von dem Redakteure und Produzenten glauben, dass die Zuschauer es so spannender finden), wird getrickst und manipuliert, oft auf Kosten der Protagonisten, die sich nachher auf dem Bildschirm kaum wiedererkennen. Für die Medienseite der F.A.Z. hab ich heute, am Freitag, einen Text über die Praktiken bei der Entstehung von Restauranttester-Sendungen aufgeschrieben (derzeit nur gedruckt verfügbar Nachtrag, 20.2.: Der Text steht jetzt auch online), bei denen es nicht immer so zugeht, wie Christian Rach das für seine Sendung beansprucht. Hinweise darauf lassen sich bei der Kabel-1-Version „Rosins Restaurants“ schon im Abspann erkennen. Dort wird einer Firma gedankt, die sich als „Europas größter Verleiher von Event-Ausstattung“ bezeichnet:


Screenshot: Kabel 1

Die Unterstützung besteht offenbar darin, die Restaurants für die Testessen, zu dem Sternekoch Rosin nach einem Intensiv-Coaching bittet, hübscher zu machen und entsprechend auszustatten. Mitwirkende berichten, dass zum Beispiel das Mietgeschirr nach dem Dreh aber gleich wieder abgeholt wird.

Auch „Rosins Restaurants“ lebt vor allem von emotionalen Momenten: wenn der Inhaber erkennt, dass er sich übernommen hat, der Küchenchef, dass die Arbeit zu sehr Routine geworden ist, und das Personal, wie sehr es überfordert ist. Es mag legitim sein, diese Momente zu zeigen. Für Kabel 1 jedoch sind Situationen, in denen Tränen fließen, der ideale Zeitpunkt um – Werbung zu zeigen:


Screenshot: Kabel 1 (Verfremdung von uns)

Ich bin mir nicht sicher, wieviele Leute in der TV-Branche das, was Rach bei der Goldenen Kamera gesagt hat, auch für ihre eigene Arbeit unterschreiben würden und ob es überhaupt noch ein Ziel ist, Realität abzubilden anstatt sich selbst eine zurecht zu biegen. Natürlich ist Fernsehen immer auch ein Stück Inszenierung, die Frage ist nur: Wie weit geht man dabei? Das Erstaunliche an Rachs Sendung ist aber, was ihr Namensgeber zum Schluss seiner Rede erwähnt: Dass das Publikum auch ohne solche Tricks einschaltet.

Haben Sie eigene Erfahrungen mit der Realitätsinszenierung des Fernsehens gemacht? Dann mailen Sie uns doch! Unter kontakt (at) dasfernsehblog (dot) de.

Screenshot oben: ZDF

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