Am Montag- und Dienstagabend zeigt Sat.1 den Politthriller „Die Grenze“, in dem Deutschland durch Terroranschläge auf mehrere Ölraffinierien weiter in die Krise getrieben wird und die Stimmung im Land sich zugunsten extremer Parteien entwickelt. Um bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern eine neue Rechte zu verhindern, paktiert die (konservative) Bundesregierung mit der neuen Linken und lässt es zu, dass sich das Bundesland vom restlichen Deutschland abspaltet.
Das Bemerkenswerteste am Film ist allerdings, dass darin ausnahmslos alle Protagonisten N24 sehen.
Im Büro, zuhause, in den Parteizentralen – überall läuft ununterbrochen derselbe Kanal, wo plötzlich zu jeder Tages- und Nachtzeit live gesendet wird und trotzdem nie Flugzeugträger, Riesenkräne oder die Geheimen Ufopläne der Nazis zu sehen sind. (Nur die erfundene Talk-Moderatorin Sabine Sybille Lux, deren Studio – ein bisschen wie das hier – eher in Brauntönen gehalten ist und die irgendwann zu den Rechten überläuft, die sendet anderswo.)
Screenshots: Sat.1
Zwischendurch taucht bei einer Pressekonferenz auch mal ein Mann mit einem n-tv-Mikrofon auf, das die Produktionsfirma Teamworx im Archiv gefunden haben muss, aber: Wer schaut schon n-tv? Sogar die Bundeskanzlerin (gespielt von Katja Riemann) ist bekennender N24-Fan, gibt den Kollegen nicht nur Interviews, sondern sitzt auch die ganze Zeit im Bundeskanzleramt vor der Glotze.
Screenshots: Sat.1
In ihrem „Faktencheck“, wie plausibel die Ereignisse in der „Grenze“ sind, haben sich die Kollegen von „TV Spielfilm“ deshalb die lustige Frage gestellt: „Ist das realistisch?“ Und gleich die Antwort mitgeliefert:
„Nein, der Marktanteil des Senders liegt bei rund einem Prozent. Die ‚Tagesschau‘ der ARD, die in ‚Die Grenze‘ nicht vorkommt, erreicht Werte von um die dreißig Prozent. Da N24 zum gleichen Medienkonzern wie Sat.1 gehört, wirbt der Sender in ‚Die Grenze‘ nur für seinen eigenen Nachrichtenkanal – auf Kosten der Glaubwürdigkeit.“
Ach, die Glaubwürdigkeit. Erstens nimmt es Pro Sieben Sat.1 mit der sowieso nicht so ernst, wenn es um seine Nachrichten geht, und zweitens kommt die N24-Werbung in der „Grenze“ natürlich reichlich spät, weil der Sender derzeit bekanntlich zur Disposition steht, entweder verkauft oder umstrukturiert werden soll. Damit dürfte „Die Grenze“ der letzte Film sein, in dem N24 als Top-Informationsquelle vorkommt. Der erste ist er nicht. Als kleinen Tribut an den Mitarbeiter, der in den Konferenzen zu jedem neuen TV-Movie immer die Hand heben musste, um zu fragen, ob man da nicht irgendwo Hans-Hermann Gockel einbauen könnte, präsentiert Das Fernsehblog deshalb ein Best-of:
Der tollste Nachrichtensender der Welt – im Film.
Schließlich hat die Seriositätssimulation bei Pro Sieben Sat.1 eine lange Tradition. In der unfreiwillig komischen Katastrophenpremiere „Tsunami“, für die Pro Sieben vor viereinhalb Jahren Sylt von einer riesigen Welle überschwemmen ließ, wollten sich einige Inselbewohner nicht evakuieren, sondern lieber an der Küste sitzen und fernsehen.
Screenshot: Pro Sieben
In der Sat.1-Serie „Allein unter Bauern“, in der Christoph M. Ohrt als karrierebesoffener Politiker über eine Affäre mit einer Botschafterfrau stolpert, hielt ihm der damalige Sat.1-Nachrichtenmann Thomas Kausch das Pro-Sieben-Sat.1-Kabel-1-Mikrofon
Screenshot: Sat.1
Den heißesten Sommer aller Zeiten, den Sat.1 ausgerechnet im Winter 2008 mit dem Film „Die Hitzewelle – Keiner kann entkommen“ ins Programm hineintranspirierte, verfolgten die Protagonisten natürlich ebenfalls beim Nachrichtensender ihres Vertrauens.
Screenshots: Sat.1
Am präsentesten allerdings waren die Nachrichtenkollegen im Pro-Sieben-Schocker „Tornado – Zorn des Himmels“ (2006), in dem Hauptdarsteller Matthias Koeberlin als schlauer Meteorloge exklusiv bei N24 vor dem nahenden Unglück warnen durfte. Und die ganze, wirklich die ganze Nation sah zu.
Screenshots: Pro Sieben
Das alles ist freilich nichts gegen das Denkmal, das Sat.1 seinem Schwestersender nun in der „Grenze“ setzt, die – anders als in den zuvor genannten Produktionen – nicht nur Fernsehbildschirme abfilmt, sondern immer wieder direkt ins vermeintliche Live-Programm eines Senders schaltet, der wenigstens im Film so ist, wie ihn sich Politik und Landesmedienanstalten immer schon gewünscht haben.
Bei TV-Produktionen nicht...
Bei TV-Produktionen nicht ungewöhnlich und eigentlich schon selbstverständlich. Im US Fernsehen (und die müssen ja wissen wies geht 😉 ) gucken die Leute auch alle FOX News wenn der Film oder die Serie bei FOX läuft. Mich würds eher irritieren wenns nicht so wär.
Bei dem letzten tollen Screenshot ist es außerdem wohl nicht ganz ungewöhnlich das die Regie (ich denke mal rechts unten ist die Regie der Nachrichtensendung zu sehen) die Nachrichten gucken die sie gerade produzieren 🙂
Wo ist das Problem? In der...
Wo ist das Problem? In der Lindenstrasse läuft, wenn was läuft, die Tagesschau. Jeder präsentiert seine Sender-Familie. Solange in öffentlich-rechtlichen Talkshows noch lieber gehüstelt wird, anstatt RTL und Sat1 auszusprechen, finde ich dieses Verhalten von den Privaten nur legitim. Seit wann geht es in fiktiven Filmen darum, wie realistisch etwas ist?
@Das ist schon richtig - aber...
@Das ist schon richtig – aber bei FOX & Co. laufen eben auch in der Realität News-Sendungen und nicht irgendwelche Panzer-Dokus aus dem Archiv.
Wow! Eine Privatsender-Familie...
Wow! Eine Privatsender-Familie bewirbt in einer Privatsender-Familien-Sendung eine andere aus der Verwandschaft und versucht, sie dabei gut aussehen zu lassen. Was kommt als nächstes? Wird einem FAZ.net ein Print-Abo der Frankfurter Allgemeinen anempfohlen? Das Abendland ist in Gefahr!
Ach, die Regie von N24 guckt...
Ach, die Regie von N24 guckt kein N24, das glaub ich nicht.
Um in einem Polit-Thriller...
Um in einem Polit-Thriller Authentizität zu erreichen, macht es nun mal Sinn, mit fiktiven Sendungen eines Nachrichtenkanals zu arbeiten. Dass man dann den aus eigenem Haus nimmt, liegt auf der Hand. In diesem Fall kann man auf diese Weise sogar noch gleich seine Bedeutung aufwerten, damit man ihn dann zu besserem Preis verkauft bekommt. Ist doch logisch, oder?
...und wahrscheinlich auch...
…und wahrscheinlich auch einfach ökonomischer, konzerneigene schon bestehende Formate zu faken, als das Heute-Studio nachbauen zu lassen?
Äh... liebe "ja natürlich...
Äh… liebe „ja natürlich gucken die N24, ist doch legitim bei Sat.1“-Kommentatoren: es geht doch in dem Artikel nicht darum, dass die Leute N24 gucken, sondern darum, dass N24 allen Ernstes als Nachrichtensender dargestellt wird, oder?
Das ist doch in etwa so realistisch, als ob in einem Fernsehfilm die Leute den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb bei RTL2 verfolgen.
...zumal dann wieder...
…zumal dann wieder Lizensgebühren anfallen. Schlicht und einfach billiger. Wenn es darum geht entweder viel Geld zu sparen oder auf authentizität zu achten (die in dem Fall wohl auch nur ein bruchteil bemerkt) würde ich mich auch immer wieder für die Geldspar Variante entscheiden.
Ich finds immer witzig bei...
Ich finds immer witzig bei Ami-Serien, wie viele Varianten es von CNN gibt – wie zum Beispiel CZN bei „JAG“.