Das Fernsehblog

Schichtwechsel am Quizfließband – ein Liveblog zum Abschied von Jörg Pilawa

Es ist das Ende einer Ära: Nach gefühlt siebzehntausend Sendungen moderiert Jörg Pilawa heute Abend zum letzten Mal eine Show im Ersten. Das ist kein Abschied für immer: Im Herbst schlägt er im ZDF auf, und bis dahin wird die ARD sicher noch viele Stunden Sendezeit mit Wiederholungen seiner diversen Quiz-Sendungen füllen. Trotzdem wollen wir dem Akkordarbeiter ein Denkmal setzen und verfolgen sein letztes, natürlich längst aufgezeichnetes „Star-Quiz“, live.

20:12 Uhr. Das Erste wird pilawalos. Gleich geht’s los.

20:19 Uhr. Hach, der Klassiker: Schon nach der ersten Sekunde Applaus abwinken, als wäre das völlig übertrieben. Und wenn das Publikum dann aufhört, sich scheinempört darüber beklagen. So erst 100.000-mal gesehen. Zum Anfang vom Ende gibt es einen Rückblick auf die Gäste aus 45 Sendungen.

20:21 Uhr. Was für ein Trubel: Schon in der ersten Sekunde wurde Dieter Thomas Heck auf einem Kinderfoto erkannt. Pilawa guckt: verschmitzt.

20:25 Uhr. Ui, späte Wahrheiten: Pilawa sagt, bleibenden Eindruck hinterlässt man in Quizshows nur, wenn man die volle Gewinnsumme abräumt oder total scheitert. Und Kandidat Hugo-Egon Balder ist lustiger, als die Fragen- und Antworten-Ausdenker der ARD. Irgendwas hatten die Kandidaten ohnehin im Kaffee.

20.30 Uhr. Was legt man sich auf müde Augen? Richtige Antwort: Schwarzteebeutel. Pilawa gibt einen kleinen Tipp: Nicht vergessen, hinterher wieder abzunehmen. Die Menschen im Publikum werfen sich weg, weil Gülcan in einem Sprechdurchfall erzählt, dass man Knödel im Ganzen in den Mund nehmen muss. und dann irgendwas zweideutiges, das ich nicht verstanden habe. (Sie kann große Sachen in den Mund nehmen oder so.) Über der ganzen Sendung liegt so eine anzügliche Betriebsausflug-nach-23-Uhr-Stimmung. Pilawa aber ist: nüchtern. Er wirkt ein bisschen wie der Kneipenwirt, der aufpassen muss, dass es nicht zu körperlichen Übergriffen kommt und nachher noch das Altglas wegbringt.

20.40 Uhr. „Was lässt sich unterdrücken, wenn man einen Finger auf das so genannte Philtrum unterhalb der Nase presst? Niesen / Lachkrampf / Tränen / Blähungen“. Heiterkeit. Niesen ist richtig. Pilawa macht’s vor. Und sagt, dass Gülcan und Hugo Egon Balder ihn fertig machen. Mich auch. Zunehmender Verdacht: Die haben alle vorher gekokst. Ich hätte viel früher anfangen müssen, irgendwas zu trinken. Pilawa: „Gülcan, tu mir einen Gefallen und versuch nicht noch, die Spielregeln zu verstehen.“ Und Bayern, stellt sich heraus, ist so groß wie Irland. Das gibt ein großes Hallo. ZZZzzzzzz

20.42 Uhr. Hugo-Egon Balder ist gut. „Was muss mit einem ausgefüllten Mantelbogen eingereicht werden?“ Gülcan: Was ist ein Mantelbogen? Balder: Wie ein Jackenbogen, nur länger. Wenn die Welt gerecht ist, wird einer der Anwesenden aber noch während der laufenden Sendung Gülcan erwürgen. Da dies eine Aufzeichnung ist: Hätte man davon vorher gehört? Wär das ein Anlass für eine Pressemitteilung? Oder würde sich das einfach versenden?

20.50 Uhr. „Wahrscheinlich“, sagt Pilawa, „fragt sich die ganze Nation, wofür die Buchstaben in THW Kiel stehen“.  Turnverein Hassee-Winterbek. Je nun. Vermutlich zählt die ganze Sendung auf das Bildungskonto der ARD. Andererseit muss man, um sie gucken zu können, so viel trinken, dass man sich an all das Gelernte am nächsten Morgen eh nicht erinnert. Eine Auswahlm;glichkeit bei irgendeiner Frage lautet „Gummi“. Gülcan fragt: „Was fürn Gummi?“ Hysterisches Gelächter. 

20.52 Uhr. Also, was der Herr Pilawa am besten kann, ist, die Hand so ans Kinn und den Finger an die Nase zu legen, dass er total klug wirkt. Aber er scheint sich tatsächlich vorher die richtigen Antworten durchgelesen zu haben und kann sie auswenig erklären. Gülcan sagt, wenn sie richtig geraten hat, dass Neuseeland auf der anderen Seite der Erdkugel von Madrid liegt, will sie den Nobelpreis für Erdkunde. Pilawa legt sich beide Hände an die Stirn und ruft: „NOBELPREIS FÜR ERDKUNDE!!!“ Ich möchte jetzt doch sehen, wie er reagiert, wenn jemand Gülcan zu würgen beginnt.

20.58 Uhr. Was nicht ganz klar ist: Warum die ARD einen Nachfolger für Pilawa sucht. Irgendwie müsste da gar kein Moderator stehen. Nicht dass er stört. Aber irgendwie elementar für die Sendung isser nicht.

21.04 Uhr. Wenn die ganz schnell hin- und herschalten, kann man jetzt schon Sven Lorig mit Jörg Pilawa verwechseln.

21.05 Uhr. Das wär’s: Die tauschen die beiden zur Halbzeit aus und gucken, ob’s einer merkt.

21:10 Uhr. In der Runde, in der ein Prominenter auf Kinder- und anderen peinlichen Fotos erkannt werden muss, ist Pilawa selbst die Lösung. Oder wie Kandidat Tim Mälzer mit entsprechenden Fingerzeig auf den Moderator ruft: „DIE FLITZPIEPE!“ Und Pilawa ist total überrascht, dass er da überhaupt vorkommt. „Woher habt ihr die her, die Fotos, die sind unter Verschluss?!“ Wahnsinn, was für eine Situation. Da werden die Menschen, die es gesehen haben, noch lange drüber reden. 

21:15 Uhr. Tim Mälzer ist kurz aufs Klo. 

21:20 Uhr. „Was leistet sich ein Mensch durchschnittlich 16-mal am Tag? Herrengedeck, Versprecher, Seitensprung, Kreuzfahrt?“ Großes Geraune nach „Seitensprung“. Pilawa: „Fragen Sie mal Tiger Woods!“ Dann erzählt er grundlos eine lange Geschichte, dass Männer und Frauen gleich viel reden am Tag. Ja. Richtige Antwort aber: Kreuzfahrt.

(Kl. Scherz von mir.) 

21:23 Uhr. Ein Assistent bringt Pilawa einen Teller Currywurst mit Pommes. Pilawa beglückt: Es ist – halten Sie sich fest – sein Leibgericht!! Die ganze Sendung ein Feuerwerk der guten Laune und großen Überraschungen.

21:26 Uhr. Michael Mittermeier hat was total Lustiges gesagt. Würde jetzt zu weit führen, das zu erklären. Hätten’Se sich die Sendung schon selbst ansehen müssen. (Naja, nee, soo gut war er jetzt auch nicht.)

21:32 Uhr. (Kurzer Zwischengedanke, ob wir nicht lieber hätten livebloggen sollen, was gerade im ZDF läuft, weil Pilawa ja demnächst dort arbeitet. Hach, DAS wär’s gewesen.)

21:36 Uhr. Zunehmende Ermüdungserscheinungen. (Bei mir, nicht bei Jörg Pilawa. Der ist immer noch: da.) Was mag gleich noch passieren? Womöglich überraschen die Kollegen Pilawa zum Abschied noch mit seinem Lieblingsgetränk. Oder -buch. Oder -schuh. Oder.

21:46 Uhr. Pilawa macht vor, wie „Heulsumo“ geht, wenn die Ringer zwei Kinder tragen und schütteln, bis eins schreit. 

21:49 Uhr. Vielleicht ist es der Dackelblick. Den Finger legt er nur manchmal an die Nase. Aber die Stirn hat er eigentlich immer in Falten. Das ergibt eine kombinierte Nachdenklichkeits- und Niedlichkeits-Suggestion. Andererseits ist es irgendwie passend zu wissen, dass Pilawa, während das ausgestrahlt wird, schon im Urlaub auf seiner eigenen Insel sitzt. Es ist nicht so, dass er unbedingt da sein müsste, um das zu moderieren.

21.57 Uhr. Ui, da hat er’s aber spannend gemacht: Tim Mälzer und Michael Mittermeier haben sich in der 150.000-Euro-Frage darauf festgelegt, dass Deutschland weltgrößter Importeur von Schnittblumen ist. Pilawa: „Oooooh, und das in der 45. Sendung. Deutschland ist weltgrößter Exporteur von Schuhen. (Pause. Pause.) Lasst mich doch mal ausreden: … nach den USA. Schnittblumen ist richtig!“ Ja mei.

21.59 Uhr. „Bleiben Sie der ARD gewogen, diesem Sendeplatz“, verabschiedet sich Pilawa. Es gibt nochmal so etwas wie ein Best-Of, mit vielen kleinen Schnipseln und der Einblendung „Tschüss, Jörg.“ Musik: „It’s not easy to say good bye“, Ausschnitte von einem lustige Grimassen schneidenden Pilawa in irgendwelchen früheren Sendungen. Vorbei. So steril muss man das erst einmal über die Bühne bringen. Jörg Pilawa hat sich aus der ARD verabschiedet. Und es ist:

egal. 

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