Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

"Deutschland hat einfach eine blöde Größe" – und Sat.1 versucht’s noch mal mit der deutschen Serie

| 8 Lesermeinungen

Heute startet Sat.1 die Serie "Danni Lowinski", in der Annette Frier eine Anwältin spielt, die ihr Jobschicksal als 1-Euro-Rechtsberaterin selbst in die Hand nimmt. Eine schöne Gelegenheit, um Autor Autor Marc Terjung ("Edel & Starck") mal zu fragen, was deutsche Serienunterhaltung immer noch so kniffelig macht.

Wenn heute Abend bei Sat.1 die erste Folge von „Danni Lowinski“ läuft, geht eine kleine Odyssee zu Ende. Denn eigentlich hätte die Anwaltsserie ja schon viel früher fertig sein und längst gezeigt werden sollen. Es ist ein bisschen was dazwischen gekommen: Erst die Zwillinge von Annette Frier. Und dann Johannes B. Kerner. Nun haben die Zwillinge gerade ihren 2. Geburtstag gefeiert und Kerner hat sich ins Nachtprogramm verzogen, also: Bahnfrei für den neuen Sat.1-Serienabend! Der ist ein weiterer Versuch, mit eigenproduzierter Fiction wieder erfolgreich zu sein, so wie es RTL mit „Doctor’s Diary“, „Lasko“ und „Countdown“ vorgemacht hat. Sat.1, das zuletzt mit „Plötzlich Papa“, „Dr. Molly & Karl“ und „Klinikum Berlin-Mitte“ auf die Nase fiel, versucht es nun mit „Der letzte Bulle“, eine Serie, in der Henning Baum einen Polizisten aus den 80ern spielt, der nach zwanzig Jahren wieder aus dem Koma aufwacht – und Ex-„Schillerstraße“-Bewohnerin Annette Frier als „Danni Lowinski“.

Um’s gleich vorweg zu nehmen: Der Auftakt gelingt bei beiden Serien nicht so richtig. Beim „Bullen“ herrscht in der ersten Folge akuter Flachwitzalarm und der Kriminalfall, der gelöst werden muss, ist völlig egal.

Auch „Danni Lowinski“ hat Startschwierigkeiten. In der zweiten Folge allerdings zeigt sich, dass in der Serie mehr steckt als man als Zuschauer anfangs vermutet. Weil nicht jeder Fall so leicht zu lösen ist, wie es scheint. Weil nicht jeder gewonnene Prozess auch ein Sieg ist. Weil zuhause in der Plattenbausiedlung ein Vater im Rollstuhl sitzt, der die Tochter anmotzt, sie habe im Leben nichts erreicht. Und weil der Autor von „Danni Lowinsiki“ Marc Terjung heißt, der Sat.1 mit „Edel & Starck“ einen seiner größten Serienhits beschert hat (und RTL mit „Die Anwälte“ einen seiner größten Flops).

Bild zu: "Deutschland hat einfach eine blöde Größe" – und Sat.1 versucht's noch mal mit der deutschen Serie
Annette Frier als „Danni Lowinski“ mit ihrem Serienpapa (Axel Siefer) / Foto: Sat.1

Das ist eine ganze Weile her. Und ein schöner Anlass, Terjung mal zu fragen: Was ist eigentlich los mit der deutschen Serie? Und wie lange noch? Terjung sagt:

„Die Sender verhalten sich zum Teil wie die politischen Parteien: Sie suchen nach Gründen, damit die Leute nicht abschalten – anstatt welche zu finden, die sie zum Einschalten bringen.“

Das hat eine Zeitlang dazu geführt, dass die Programmverantwortliche einfach die im Ausland erfolgreichen Serien nachdrehen ließen, nur schlechter. Verständlicherweise ist Terjung nicht besonders traurig, dass das nicht geklappt hat:

„Viele haben eingesehen, dass es nicht reicht, eine Serie, die im Ausland funktioniert, einfach in einer deutschen Version umzusetzen. Eigentlich muss man sich die Frage stellen: Was macht zum Beispiel amerikanische Serien so erfolgreich? Ich glaube, es liegt daran, dass viele ein gewisses Lebensgefühl bedienen. Das führt zu der Frage: Welches Lebensgefühl haben wir? Und wie können wir das in eine Serie packen?“

Bild zu: "Deutschland hat einfach eine blöde Größe" – und Sat.1 versucht's noch mal mit der deutschen SerieWas Terjung in „Danni Lowinski“ gepackt hat, klingt erstmal nicht besonders optimistisch. In der Serie geht es ums berufliche Scheitern, um Armut, soziale Ungerechtigkeit. Aber mittendrin steht Annette Frier – hervorragend schusselig, dönerfutternd und viel zu buntblusig gekleidet – und bringt dann doch wieder alles in Ordnung. Als Anwältin kriegt sie keinen Job, weil sie den etablierten Kanzleien zu unseriös scheint. Also besorgt sie sich selbst einen. „Rechtsberatung 1 Euro pro Minute“ steht auf dem Schild neben dem Tapeziertisch, den Danni im Einkaufszentrum aufgestellt hat und damit Mandanten anspricht, die sonst nie im Leben auf die Idee kämen, sich zum Anwalt zu trauen: die schwarz arbeitende Haushaltshilfe, die von der reichen Familie von einem Tag auf den anderen vor die Tür gesetzt wurde; der alleinerziehende Vater, der seine Kinder weggenommen bekommen soll, weil er völlig überfordert ist; die Prostituierte, die ausgewiesen werden soll.

Das Fernsehblog: Eine Frage hätten wir da aber noch, Herr Terjung. War das wirklich nötig: noch eine Anwaltsserie?

Marc Terjung: Das Schlaue an ‚Danni Lowinski‘ ist glaube ich, dass die Protagonistin eben nicht die Anwältin aus dem bürgerlichen Milieu ist, die sich zu ihren Mandanten herunterbeugt und sagt: ‚Ich helfe euch, euch ist Unrecht widerfahren!‘ Das hat ja dann einen leicht herablassenden Touch von Entwicklungshilfe. Danni kann ihren Leuten auch sagen: ‚Streng dich an, such dir einen Job!‘ Das ist dann nicht arrogant – sondern wahr.

Bild zu: "Deutschland hat einfach eine blöde Größe" – und Sat.1 versucht's noch mal mit der deutschen SerieNach dem Ende von „Edel & Starck“ haben Sie vor drei Jahren „Allein unter Bauern“ für Sat.1 geschrieben, das dann gefloppt ist. Was ist falsch gelaufen?

Bei Sat.1 gab es damals unter Roger Schawinski eine ganz große Euphorie. Das ist ja auch gut so. Aber eigentlich sagt der Autor: Wir müssen uns was trauen! Und der Sender geht es eher langsam an. Plötzlich war ich derjenige, der konservativ argumentiert hat – das Rollenbild stimmte nicht mehr. Das war eine gute, eine optimistische Zeit, gerade bei Sat.1, wo die Redakteure ihre Projekte geliebt haben, aber dann erkennen mussten, dass man – wie bei ‚Bis in die Spitzen‘ – völlig am Publikum vorbeiproduziert hat.

War „Allein unter Bauern“ auch am Publikum vorbeiproduziert?

„Allein unter Bauern“ sollte gleichzeitig Familienserie sein und Politik mal ganz anders erzählen. Das war schwer zu verbinden. Ich glaube, das haben die Zuschauer gemerkt.

Und seitdem tun sich die Sender mit Eigenproduktionen besonders schwer? Weil ständig die Angst vor dem nächsten Flop da ist?

Im Gegenteil zum Fernsehfilm wird die deutsche Serie nicht so richtig ernst genommen. Das Alltägliche wird geringgeschätzt. Das ist schade. Bei den Amerikanern sind Serien der Platz, auf dem die Welt verhandelt wird. Das ist eine andere Kultur. Es ist doch normal, wenn Serien floppen. Dadurch dass es in bei uns so wenige Serien gibt, muss jede einzelne aber sehr viel leisten. Deutschland hat eine problematische Größe. Der amerikanische Markt ist so groß und umkämpft – da muss man offensiv sein. In einem kleinen Markt wie Dänemark wird einfach ausprobiert, es geht ja gar nicht anders. Deutschland ist irgendwo dazwischen.

„Irgendwo dazwischen“ – zwischen Experiment und traditioneller Familienunterhaltung – ist auch „Danni Lowinski“. Jetzt muss sich nur noch jemand daran erinnern, dass es für sowas bei uns einen Fernsehsender namens Sat.1 gibt.

Sat.1 zeigt „Der letzte Bulle“ und „Danni Lowinski“ montags um 20.15 Uhr und 21.10 Uhr.

Fotos: Sat.1 / privat


8 Lesermeinungen

  1. BloodyFox sagt:

    "Auch "Danni Lowinski" hat...
    „Auch „Danni Lowinski“ hat Startschwierigkeiten. In der zweiten Folge allerdings zeigt sich, dass in der Serie mehr steckt als man als Zuschauer anfangs vermutet. Weil nicht jeder Fall so leicht zu lösen ist, wie es scheint. Weil nicht jeder gewonnene Prozess auch ein Sieg ist. Weil zuhause in der Plattenbausiedlung ein Vater im Rollstuhl sitzt, der die Tochter anmotzt, sie habe im Leben nichts erreicht.“
    „Das hat eine Zeitlang dazu geführt, dass die Programmverantwortliche einfach die im Ausland erfolgreichen Serien nachdrehen ließen, nur schlechter.“
    Also für mich klingt das doch sehr nach einer Law-and-Order-Adaption, oder irre ich mich da? Ich erinnere mich dann teilweise an Gespräche in der Anwaltskammer, wo der Prozess am Ende der Folge resümmiert wurde und nicht alle mit dem Ergebnis zufrieden war… weil teilweise auch die unterschiedlichen Auffassungen von Gerechtigkeit der jeweiligen Protagonisten miteinander kollidierten, Leute davon kamen, obwohl man genau wusste, dass sie schuldig sind oder ein Prozess gewonnen wurde, obwohl man Verständnis für die Gegenseite hatte.

  2. BloodyFox sagt:

    "die Prostituierte, die...
    „die Prostituierte, die ausgewiesen soll.“ … das infinite Hilfswerb fehlt noch 🙂

  3. Densemann sagt:

    Dann hoffen wir mal ... nach...
    Dann hoffen wir mal … nach dem ganzen Hype um eingedeutschte Serien wie „Stromberg“ wäre doch was eigenes echt mal wieder nett.
    Und da ich Frau Frier wirklich gerne sehe, gebe ich der „Danni“ heute meine Aufmerksamkeit.

  4. pschader sagt:

    @BloodyFox: Ups. Danke....
    @BloodyFox: Ups. Danke.

  5. Andi sagt:

    "Der letzte Bulle" hat keine...
    „Der letzte Bulle“ hat keine (lange) tragende Grundidee, am Ende bleibt die übliche Ermittlerkonstellation: Der Raue und der Penible.
    Aber „Danni Lowinski“ macht Spaß – da bin ich nächste Woche wieder dabei.

  6. nona sagt:

    Wenn man sich fragt "Welches...
    Wenn man sich fragt „Welches Lebensgefühl haben wir?“, dann sollte die nächste Frage eben nicht lauten „wie können wir das in eine Serie packen?“, sondern „wollen genügend deutsche Zuschauer überhaupt ‚ihr‘ Lebensgefühl in einer Serie sehen? oder doch lieber ein fantastischer anmutendes ausländisches?“
    @BloodyFox: „Law & Order“ hat konzeptionell so ziemlich garnix mit „Danni Lowinski“ gemein.

  7. viewer sagt:

    Danny Lowinski fand ich...
    Danny Lowinski fand ich richtig gut und knapp 16% MA in der Zielgruppe ist eine tolle Quote. Dann freu ich mich schon mal auf die zweite Folge, wenn die NOCH besser sein soll. 😉

  8. marina sagt:

    ich denke einfach, dass...
    ich denke einfach, dass deutsche Serien es allgemein von anfang an schwer haben. schon alleione, weil wir 1. hoeren, dass es eine deutsche soap/sendung ist /Sein wird. und wir mit der zeit merken, dass es viele schlechte serien gibt. aus diesem grund ist das punkt 2. die voreingenomme meinung in der wir 3. der neuen sendung nicht einmal eine chance geben.
    Man sollte sich einfach von vornerein keine meinung ueber plakate oder inhaltsangaben bilden.
    Ich fand z.B. Berlin Berlin richtig klasse. Tuerkisch fuer Anfanger hatte auch etwas!
    ARD schafft es auch, warum sollte Sat.1 nicht auch mal die Kurve bekommen? 😉

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