Das Fernsehblog

Die Woche im Fernsehen: Andere skandinavische Länder haben auch schöne Städte

Die Sendungen
  • Traumhochzeit in Schweden Das Erste
  • Süchtig RTL
  • Die Schnäppchenhäuser RTL 2
  • ZDF.reporter unterwegs ZDF
  • Bauer sucht Frau – Die neuen Bauern RTL

Oslo, Oslo – das halbe Land konzentriert sich schon seit Tagen ausschließlich darauf, was am Samstag dort in der Telenor-Arena passieren wird. Dabei haben andere skandinavische Länder doch auch schöne Städte. Ockelbo zum Beispiel.

Das liegt zwar weder in Norwegen noch wird dort in absehbarer Zeit ein Wettbewerb ausgetragen, bei dem die Teilnehmer miteinander um die absurdesten Haarschnitte und Kostümierungen konkurrieren, aber Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert ist für seine ARD-Reportage „Traumhochzeit in Schweden“ trotzdem hingefahren, hat sich auf eine Verkehrsinsel an der Hauptstraße gestellt, alle drei Sekunden „Ockelbo“ gesagt, mit seinem Anzug, dem Einstecktuch und den Manschettenknöpfen dort überhaupt nicht hingepasst, aber in aller Seelenruhe berichtet, dass dies der Ort sei, aus dem Daniel Westling komme.

Westling wird in drei Wochen die schwedische Kronprinzessin Victoria heiraten. Ein einfacher Fitnesstrainer, von dem Seelmann-Eggebert ein Grundschulfoto aufgetrieben hat, auf dem er dessen Haarschnitt kommentiert, gleich nachdem er einen alten Freund Westlings gefragt hat, wie er das finde, dass Ockelbo bald eine direkte Verbindung zum Königshaus habe.

„Gut“ sei das, sagt der alte Freund, „gut für den Tourismus“.

Seit gefühlten hundert Jahren dreht Seelmann-Eggebert solche Filme über europäische Königshäuser. Diesmal hat er ein Exklusivinterview mit der Prinzessin bekommen, ist mit ihr über den Kudamm in Berlin spaziert, hat sich vor dem Krankenhaus in Stockholm positioniert, in dem Westling eine Nierenoperation hatte und stellt die Frage aller Fragen, die es vor einer solchen Hochzeit zu stellen gibt. Zum Kleid, natürlich: „Dior – oder nicht Dior?“

Man kann die Begeisterung anderer Nationen für ihre Königshäuser ja nur schwer nachvollziehen, wenn man aus einem Land stammt, in dem das Amt mit der höchsten Würde von Horst Köhler bekleidet wird, dessen Glamourbilanz – sagen wir: ausbaufähig wäre. Aber genau deswegen ist Seelmann-Eggeberts Übersetzungsarbeit so wichtig, zumal er sie stets mit einer scholl-latourartigen Ernsthaftigkeit erledigt als berichte er mitten aus einem Krisengebiet.

Womöglich ist es trotzdem ganz gut, dass Deutschland ohne eigene Krone auskommen muss. Die vielen zusätzlichen ARD-„Brennpunkte“ zum Geschehen im Königshaus wären ja kaum zu verkraften.

Ähnlich geht es vielen Zuschauern auch mit dem Elendsmittwoch bei RTL, dem der Sender in dieser Woche zu neuem Erfolg verhelfen wollte, indem er einen alkoholsüchtigen 49-Jährigen, der von seiner Frau verlassen wurde, beim Entzug begleitete. Dass das einigermaßen würdevoll passierte, ist in diesem Genre längst nicht mehr selbstverständlich.

Und trotzdem fällt es dem Fernsehen schwer zu akzeptieren, dass sich Geschichten wie diese selten nach einer 45-Minuten-Dramaturgie richten. Am Ende der Auftaktfolge (Produktion: Tresor TV) gibt es scheinbar große Hoffnung für den Therapierten: Er ist trocken, hat sich mit der Frau versöhnt, gemeinsam laufen sie an der Spree entlang – bis im Abspann der Hinweis eingeblendet wird, er schaffe „immer wieder abstinente Phasen“. Man braucht keine große Vorstellungskraft, um zu ahnen, dass der Fall nicht so gut ausgegangen ist, wie es das Fernsehen uns vorher weismachen wollte.

Mit 14,8 Prozent Marktanteil in der jungen Zielgruppe war „Süchtig“ nicht nur beim Publikum ein Flop, sondern auch bei den Werbekunden. Fünf Spots hat RTL in dieser Stunde verkaufen können – in zwei Werbepausen.

Bei RTL 2 hingegen ist in dieser Woche der große Optimismus ausgebrochen: Seit Dienstagabend werden in „Die Schnäppchenhäuser“ Menschen begleitet, die für kleines Geld Häuser ersteigern, die sie zuvor nie gesehen haben, und beim ersten Betreten feststellen, dass sie doch nicht nächste Woche einziehen können, weil der Messie, der vorher drin gewohnt hat, zwar weg ist, der Hausmüll der vergangenen Jahre allerdings noch nicht.

Das ist genauso öde wie es sich anhört, und weil das auch die Produktionsfirma Imago gemerkt haben muss, hat man sich dort Gedanken gemacht, wie sich die Folgen aufpeppen lassen. Zum Beispiel mit einer Musikauswahl aus der Hölle: Beim Ofenanmachen läuft im Hintergrund „Light my fire“, wenn der Schwager beim Renovieren hilft „Ein Freund, ein guter Freund“ oder „Help“, beim improvisierten Mittagessen auf der Baustelle (mit dem Sprecherkommentar „Hoffentlich schmeckt es besser als es aussieht“) „Du darfst nicht vergessen zu essen“ von den Sternen. Sobald es unvorhergesehene Ausgaben gibt, klingelt aus dem Off eine Registrierkasse.

Es ist eine Sendung für Zuschauer geworden, die anderen gerne dabei zusehen möchten, wie sie auf Handwerker warten. Dass es diese Zielgruppe überhaupt gibt, darauf muss man erstmal kommen.

Die Überzeugung beim Sender scheint dennoch groß zu sein: „Die Schnäppchenhäuser“ läuft seit Mittwoch täglich um 18 Uhr und hat den „Trödeltrupp“ auf 17 Uhr vertrieben, was nur bedeuten kann, dass in Grünwald das Archiv mit den Sitcoms, die bisher zu dieser Zeit gezeigt wurden, in Flammen aufgegangen ist.

Draußen auf der Straße, da fühlt sich das ehemalige Autobahnpolizei- und Schwarzarbeitfahndermagazin „ZDF.reporter“ schon länger wohl. Neuerdings stehen die Journalisten während ihrer Recherche aber nicht mehr hinter, sondern vor der Kamera – im Fachjargon heißt das „Presenter-Reportage“, in der Programmzeitschrift „ZDF.reporter unterwegs“ und der Unterschied zu früheren Ausgaben könnte größer nicht sein. Plötzlich ist wieder sowas wie ein journalistischer Ehrgeiz spürbar, es wird nicht mehr nur abgefimt, sondern tatsächlich recherchiert und erklärt. Sechs mal soll es das neue Format in diesem Jahr geben, in dieser Woche ging es ums Thema Gesundheit, abwechslungsreich in mehreren Beiträgen zu unterschiedlichen Schwerpunkten aufgearbeitet.

Sicher, man muss sich erstmal dran gewöhnen, dass da jetzt viel über Brücken gelaufen, in Zügen und Mietwagen gesessen und ständig „ich“ gesagt wird – das aber ist viel spannender anzusehen als die Filmansagen aus dem tristen Studio.

Dass auch Moderator Norbert Lehmann permanent unterwegs sein muss – auf dem Dach des Frankfurter Uniklinikums, im ICE und im Kurort Baden-Baden -, ist zwar ein bisschen albern, weil er die Vor-Ort-Recherche dann doch den Kollegen überlässt, aber es passt ins Gesamtbild des neuen Konzepts, das wieder zurück zur ursprünglichen Idee der Sendung geht. Nur warum das Magazin nun von der externen Produktionsfirma Elbmotion produziert wird, wüsste man gerne. Hätte das ZDF da nicht alleine drauf kommen können?

Die „unterwegs“-Version als Standard – das wäre sicher teurer als bisher, dafür aber auch zeitgemäßer und ehrgeiziger als vieles, was sonst derzeit an Reportagemagazinen im Fernsehen läuft. Also: unbedingt ansehen!

Abschließend noch Glückwünsche an RTL, wo man auf dem besten Weg ist, sämtliche Programme mit ein- und denselben Protagonisten zu bestreiten. Beim „Bauer sucht Frau“-Spezial am Montag wurden jedenfalls nicht nur die Protagonisten der nächsten Staffel in die Fernsehauslage gepackt, es gab auch ein Wiedersehen mit Melanie aus „Schwiegertochter gesucht“ und Schäfer Heinrich aus der vorletzten „Bauer“-Staffel, die sich gefunden und verliebt haben, was Vera Int-Veen zu Ostern bereits in einem „Schwiegertochter gesucht“-Spezial kommentieren durfte bevor nun die Staffelübergabe an Inka Bause erfolgte.

So gruselig das auch sein mag: RTL hat das Perpetuum-Mobile-Programm erfunden. Etwas, das immer in Bewegung bleibt. Und doch nie von der Stelle kommt.

Soviel für diese Woche.

Screenshots: Das Erste, RTL, RTL 2, ZDF

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