Das Fernsehblog

Die Woche im Fernsehen: Es ist Sommer, wir bau’n uns ein Lebkuchenhaus

Die Sendungen
  • Crazy Competition Pro Sieben
  • Natürlich Steffens ZDF
  • Deutschland unter Waffen? Das Erste
  • Peter Hahne ZDF
  • Das Schlagerrad HR

Endlich geht Pro Sieben mit seinem Programm dahin, wo die zungengepiercte Zielgruppe sitzt: aufs Land. Im diesjährigen Sommerüberbrückungsprogramm treten zwei Dörfer in lustig gemeinten Wettstreits gegeneinander an, wobei der Sender den mitwirkenden Frauen diesmal sogar gestattet hat, mehr als nur Bikini zu tragen – im Gegenteil zum letztjährigen Pendant, bei dem die Siegerin bloß mit dem dämlichen Titel „Sommermädchen 2009“ nach Hause gehen (und dann noch mal im Pro-Sieben-Nachmittagsprogramm auftauchen) durfte.

Die Dorfbewohner gewinnen immerhin 10.000 Euro. Als Verlierer kriegt man allerdings für ein Jahr einen potthässlichen rosa Felsbrocken vor die Nase gestellt, den „Stein der Schande“, der an die Niederlage erinnern soll (hier links im Bild; das rechts ist Moderator Stefan Gödde).

Sie merken’s schon: „Crazy Competition“ hat einen gewissen Grundwahnsinn, der durchaus ausbaufähig wäre. Immerhin hat sich der Bürgermeister der größeren Örtlichkeit dazu überreden lassen, vor seinem Fuhrpark, seiner Dorfvilla und dem dahinter liegenden Swimmingpool abfilmen zu lassen und von Pro Sieben einen Glanzeffekt aufs überlegene Protzergrinsen legen lassen.

„Während in Glees die ländliche Einöde der rheinland-pfälzischen Vulkaneifel dominiert, herrscht in Wassenach der Wohlstand“, dröhnt der Off-Sprecher bereits in den ersten Minuten, um die Konkurrenz zwischen dem „armen Außenseiter“ und dem reicheren Nachbarort zur Feindschaft auszuschmücken.

Frauentragen, Mülltonnenrennen und Lebkuchenhausbacken (was sonst?) sind die Disziplinen, in denen sich die Dörfer miteinander messen lassen müssen, wobei der Unterschied zum Klassiker „Spiel ohne Grenzen“ darin besteht, dass die meiste Zeit gar nicht für die Spiele drauf geht, sondern für die von der Kamera ausführlich gefilmte Vorbereitung. Ein paar lustige Momente hat Pro Sieben so aufs Band bekommen: zum Beispiel, wenn die Wassenacher Lebkuchenhaus-Chefin den Teig eimerweise durch die offenen Fenster der Schlange stehenden Autos reicht, damit der von den Nachbarn zuhause fertig gebacken werden kann.

Ein Glücksfall ist die Show aber insbesondere für alle, die bei der Freiwilligen Feuerwehr oder im Schützenverein sonst nix zu melden haben und auch endlich mal den Ton angeben wollen. Als Klugscheißer im Dauereinsatz hat ihnen Pro Sieben die unvermeidliche Sonya Kraus und „Galileo“-Daueresser Jumbo Schreiner als „Promi-Paten“ dazu bestellt.

Die Hoffnung auf einen positiven Nebeneffekt, nämlich dass Kraus und Schreiner nach dem lauten Anfeuern wegen akuter Heiserkeit ein paar Wochen lang nicht moderieren könnten, zerschlägt sich leider: „Crazy Competition“ ist schon im Sommer vergangenen Jahres aufgezeichnet worden.

„Jede Sendung ein Abenteuer“ – so beschreibt Dirk Steffens seinen neuen „Wissenstalk“ im ZDF, der als Ersatz für den Kissentalk des urlaubenden Markus Lanz gezeigt wird. Das scheint allerdings weniger ein Versprechen an die Zuschauer zu sein, sondern sich eher auf die Gäste zu beziehen. In der Premierensendung jedenfalls musste Joey Kelly eine Viertelstunde halbnackt in einem Glaskasten mit Eiswürfeln ausharren, um zu testen, ob ihm dann kalt wird. Ergebnis: ja, war kalt. Hat er aber länger ausgehalten als gedacht.

Wissenstalk war „Natürlich Steffens“ zum Auftakt keiner, eher typisch deutsches Erklärfernsehen mit Late-Night-Verkleidung und Dschungelkulisse.

Immerhin nimmt man dem Namensgeber der Sendung ab, dass er das nicht alles nur runtermoderiert, sondern selbst auch schon rumgekommen ist. Im Gespräch mit Experten erläutert er Fachbegriffe sofort fürs Publikum und erzählt im Gespräch mit dem Haiforscher Gerhard Wegner nicht nur, wie die beiden zusammen Babyhaie im Mittelmeer ausgesetzt haben, sondern räumt auch gleich mit den bekannten Haimythen auf. Die Tiere greifen vor allem Surfer an, weil die von unten beim Paddeln auf dem Brett aussehen wie ihr Lieblingsessen: Robben? Und sie können einen Tropfen Blut auf Kilometer Entfernung riechen? Nee, das erste stimmt gar nicht, das zweite gilt nicht für Menschenblut.

Aber Sie haben sicher auch schon mal von diesen Mythen gehört. Mindestens im zwanzig Minuten vorher gezeigten Filmbeitrag, der genau daraus bestand.

„Ich glaube, dass das eine Folge unserer Medienwelt ist“, hat der Mann von der Polizeigewerkschaft in der ARD-Doku „Deutschland unter Waffen?“ erzählt. Natürlich nicht über Haie, sondern dazu, dass die Anzahl der Schusswaffendelikte in Deutschland seit Jahren zurückgeht, obwohl die Öffentlichkeit ein ganz anderes Bild vermittelt bekommt.

Und was heißt das jetzt? Alles halb so wild – trotz Amok-Nachrichten im Fernsehen? Ganz so einfach ist es nicht, weiß Filmemacher Lutz Hofmann, der Für und Wider des (privaten) Schusswaffengebrauchs erläutert. Angesichts des heiklen Themas ist der Film – trotz bedrohlicher Hintergrundmusik von der ARD-Politmagazin-CD – erstaunlich ausgewogen. Die Killerspieleindustrie muss geradezu neidisch sein. Auch wenn sich durch den Schnitt und die Komposition vermuten ließe, zu welcher Seite Hofmann neigt.

Fast eine Dreiviertelstunde kommen Kritiker und Befürworter zu Wort, Hofmann erklärt die in Deutschland komplizierte Waffenbeschaffung und das derzeitige Waffenrecht ausführlich – da schwenkt die Kamera kurz vor Schluss nach Großbritannien, wo seit 14 Jahren ein vollständiges Waffenverbot gilt. Und die Zahl der Schusswaffendelikte zunächst sogar anstieg, weil die, die damit Unsinn anstellen wollen, sich auf illegalem Wege zu bedienen wussten. Vielleicht wäre ja das ein viel spannenderes Thema gewesen.

Ob er „Harald Schmidt“ gesehen habe, fragte Margot Käßmann ihren Gastgeber, aber der sieht eigentlich nicht so aus als würde er witzige Sendungen im Fernsehen anschauen, nicht mal – wie in diesem Fall – witzig gemeinte. Konkret lauteten ihre Worte, die quasi als Erklärung ihres Rücktritts nach ihrer Alkoholfahrt gemeint waren: „Wenn Sie eine Sendung wie ‚Harald Schmidt‘ gesehen haben, wo er mich wirklich dezidiert lächerlich gemacht hat – das kann die Evangelische Kirche mit ihrer Ratsvorsitzenden, das sollte sie nicht tragen müssen.“

Diese News ging in Peter Hahnes Premiere seines neuen Sonntagmittagtalks „Peter Hahne“ ein bisschen unter: dass Harald Schmidt doch noch Wirkung hat.

Aber es ist ja auch kein Wunder, ständig war man als Zuschauer von den am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor entlang schlendernden Touristen abgelenkt, die im Studio hinter den beiden Gesprächspartnern gezeigt wurden. Wie in einem Fenster, wahrscheinlich zum zu demonstrieren, dass man nah bei den Menschen ist. Den vorher aufgezeichneten. Oder Hahne hat nicht nur das Hauptstadtstudio um ein paar hundert Meter verlegt, sondern auch ein großes Loch in die Seite fräsen dürfen.

Und dann müssen wir noch kurz über Ruth Moschner reden. Die Frau, die mal Co-Moderatorin der „Freitag Nacht News“ von RTL war bevor sie eine Clipshow in den Sand setzte, in der sie zu schauspielern versuchte. Bei Comedy Central.

Seit heute ist Moschner endgültig im Straflager der deutschen Fernsehunterhaltung angekommen: dem Freitagabendprogramm des Hessischen Rundfunks. Dort moderiert sie eine Sendung mit dem Titel „Das Schlagerrad“ und erdreht sich in einer vom Rummelplatz geklauten Deko alte Musikclips von Marianne Rosenberg, Udo Jürgens und Howard Carpendale. Das bunte Rad wurde vom HR vermutlich aus dem Berliner Sat.1-Nachlass erworben, Moschners Gags hingegen kommen direkt aus einer fremden Dimension.

„Bei uns geht es jetzt rund“, scherzt sie bevor das Rad sich in Bewegung setzt. Oder: „Bei uns geht’s Schlag auf Schlager weiter.“ Wenn sie die Höhner ankündigt, sagt sie: „Schön, schöner, Höhner“. Und dazu, dass Herbert Grönemeyer mit zunehmendem Alter fülliger geworden ist: „Der hat ja auch Flugzeuge im Bauch.“

Es ist nicht mal mehr die Resterampe, für die Moschner da zugesagt hat, sondern schon Schrottpresse, und jeder Neun-Live-Moderator würde einen solchen Auftrag ablehnen, des restlichen Ehrgefühls wegen. Moschner hingegen bringt knallhart alle ihr zur Verfügung stehenden Exklusivinformationen unter: „Wussten Sie eigentlich, dass Heino gelernter Bäcker und Konditor ist?“ JA, verdammt! Wahrscheinlich träume ich heute Nacht auch von Juliane Werdings Heilpraktikerausbildung.

Nehmen Sie sich daran ein Beispiel, Frau Moschner: Es ist Zeit für eine Zweitkarriere!

Soviel für diese Woche.

Screenshots: Pro Sieben, ZDF (2), Das Erste, HR

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