Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

NDR-Fernseh-Chefredakteur Cichowicz: "Wir zeigen nicht jedes neue Schiff"

| 4 Lesermeinungen

NDR-Fernseh-Chefredakteur Andreas Cichowicz über die Kreuzfahrtbegeisterung seines Senders, Strategien zur Vermeidung von werblichen Effekten bei der Berichterstattung und Moderatoren, die bei großen Schiffen ins Schwärmen geraten.

NDR-Fernseh-Chefredakteur Andreas Cichowicz über die Kreuzfahrtbegeisterung seines Senders, Strategien zur Vermeidung von werblichen Effekten bei der Berichterstattung und Moderatoren, die bei großen Schiffen ins Schwärmen geraten.

Das Fernsehblog: Herr Cichowicz, der NDR berichtet regelmäßig über neue Schiffe, die auf Kreuzfahrt gehen. Woher kommt die Begeisterung?

Bild zu: NDR-Fernseh-Chefredakteur Cichowicz: "Wir zeigen nicht jedes neue Schiff"Andreas Cichowicz: Zunächst einmal zeigen wir nicht jedes neue Schiff, nur solche, für die besondere Kriterien gelten: wenn es etwa das größte ist, das bisher gebaut wurde, wenn es um eine völlig neue Präsentation geht oder es für ein bestimmtes Klientel gemacht ist. Sicher ist: Schiffstaufen ziehen zehntausende Leute an – das sind Events, bei denen auch der NDR gefordert ist.

Mit einem schönen Nebeneffekt für die Unternehmen, die ihre Schiffe potenziellen Kunden präsentieren dürfen.

Wir sind uns des Problems bewusst. Auf der einen Seite geht es um maritime Wirtschaft, die für den NDR besonders interessant ist. Mir ist aber auch klar, dass da werbliche Effekte entstehen. Wir haben uns des Themas vor ungefähr zwei Jahren in der Geschäftsleitung angenommen. Ich habe mich damals im Anschluss mit den verantwortlichen Kameraleuten und Regisseuren abgesprochen und festgelegt, wie man Einstellungen so aufnimmt, dass werbliche Effekte möglichst vermieden werden. Seitdem achten wir in dem Bereich, den ich für die Programmdirektion Fernsehen verantworte, darauf besonders. Ob berichtet wird, liegt letztlich auch daran, ob sich die Veranstalter auf unsere Bedingungen einlassen.

Wie sehen die denn aus?

Wir benutzen möglichst kein Material von Unternehmen. Und wenn es ein Rahmenprogramm gibt, legen wir Wert darauf, dass das auf einer Bühne passiert, auf der keine Logos zu erkennen sind.

Nach der Taufe des neuen TUI-Schiffs gab es im vergangenen Jahr Ärger, weil das Logo des Unternehmens im Bild war.

Das hätte nicht passieren dürfen, zumal das vertraglich vereinbart war, dass keine Logos zu sehen sein werden. Im entscheidenden Moment der Taufe ist allerdings vom Unternehmen das Logo dazwischen geschaltet worden. Da konnte die Regie wenig machen. Wir haben uns beim Management beschwert und es gab eine schriftliche Entschuldigung. Der NDR hat aber auch klar kommuniziert, dass wir deswegen die Zusammenarbeit erst einmal ruhen lassen wollen. Da war die Grenze überschritten.

Wie will der NDR vermeiden, dass sich bei „Events“ die Grenzen zwischen Begeisterungsjournalismus und einer kritisch-zurückhaltenden Berichterstattung auflösen?

Man kann dem teilweise entgehen, indem man zum Beispiel so weit es geht auf Material verzichtet, das von den Veranstaltern angeboten wird. In unserer Berichterstattung gibt es ja immer wieder auch kritische Kommentare. Wenn die Meyer-Werft ein neues Schiff fertig gestellt hat, senden wir die Überführung live. Dann kommen natürlich auch die Naturschützer zu Wort, die gegen den Ausbau der Ems sind. Damit kann die Meyer-Erft gut umgehen. Airbus in Hamburg war ein schwieriger Gesprächspartner: Es gab schon den Fall, dass wir auf dem Werksgelände drehen wollten und das Unternehmen uns vorschreiben wollte, welchen Luftfahrtexperten wir befragen sollen und dass nichts über die Konkurrenz gesagt wird. Das haben wir natürlich abgelehnt.

Manchmal liegt es ja nicht nur an den Unternehmen: Bei der live im NDR übertragenen „Parade der Traumschiffe“ im Hamburger Hafen vor anderthalb Wochen sind Moderator und Gäste arg ins Schwärmen geraten.

Man kommt doch bei so einer Veranstaltung gar nicht darum herum, auch über das Thema Kreuzfahrten zu sprechen. Vielleicht schwärmt der ein oder andere Experte ein bisschen stark, das kann schon mal sein. Wenn es direkte Empfehlungen für Kreuzfahrturlaube gäbe, würde ich aber in der Tat einschreiten.

Wie sehr versuchen die Unternehmen denn, mit Marketingmitteln Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen?

Manche sind da sehr stark aktiv. Genau deswegen ist es wichtig, sich auf die journalistischen Gründe für eine Berichterstattung zu besinnen

Foto: NDR


4 Lesermeinungen

  1. SvenR sagt:

    "Wir zeigen nicht jedes neue...
    „Wir zeigen nicht jedes neue Schiff“ weil dafür 24 Stunden am Tag Sendezeit nicht ausreichen?

  2. Auf Material verzichten......
    Auf Material verzichten… sich besinnen, bevor man sendet… Selbst auf 3sat kann man Propagandfilme in eigener Sache bringen, wenn man als Medienmacher eben halt Kontakte hat. Oder was auch immer anzubieten. Wie am Mittwoch in dieser letzten Augustwoche geschehen. Was so was auf Jugendliche für einen Eindruck macht, darüber macht man sich noch keine Gedanken?
    Was hält man die Lokalpolitiker dann eigentlich mit den Rundfunkstaatsverträgen beschäftigt – die Zeit, die sie darüber sitzen, kostet den Steuerzahler nur Geld. Kleinste Pünktchen werden diskutiert und verändert und hier läuft dann so was.

  3. Kersten B sagt:

    Ich bin durch ein Schulprojekt...
    Ich bin durch ein Schulprojekt meines Sohnes zur Leserin der FAZ geworden. Habe den Artikel mit Verwunderung gelesen. Es wird über Urlaubsschiffe berichtet. Urlaub hat etwas mit Spaß, Freude, Lust am Leben, Neues Entdecken zu tun. Diese Schiffe bieten einen Luxus und Service den man anderswo viel teurer bezahlen muß. Daher glaube ich, daß man nicht wirklich objektiv berichten kann. Ist man erst auf einem dieser Schiffe wird man von ihnen in einen Bann gezogen, dem sich keiner entwinden kann. Da spielen Abenteuer, Fernweh, neue Länder oder Städte, die man besuchen kann eine Rolle. Geht das ohne Subjektivität. Ich glaube nicht. Wo ist das Problem? Nur weil man durch die Berichterstattung Werbung für eine rasch wachsende Schiene des Tourismus macht? Schade für den Verfasser. Ich war mit einem Schiff unterwegs und das ist das bisher Beste, was mir passiert ist

  4. Aber... ich erwarte das schon,...
    Aber… ich erwarte das schon, dass man sich einem solchen Bann zu entwinden versucht. Es nimmt der begeisterten Schilderung doch gar nichts weg, fügt nur zusätzlich auch die mögliche Erwähnung von Schattenseiten dazu, die vielleicht auch da sind. Es gibt zudem noch ganz andere Situationen, wo man standhaft und objektiv bleiben sollte – oder vielmehr werden, dann nämlich, wenn man nach dem Ereignis seinen Bericht zusammenstellt. Oder eben vorher seine Fragen, selbst wenn man mit einem netten Minister am Abend zuvor am Buffet gescherzt hat. Erwartungen, dass man das trennen kann, sind die dann überzogen?
    Was hier der Chefredakteur an ganz konkreten Punkten schildert, ist in meinen Augen richtig und selbst wenn mal was vergessen oder unterlaufen wird, ist es wichtig, das nicht aus dem Blick zu verlieren. Wenn man die Erfahrung einmal gemacht hat, das was gar nicht so stimmte, gehen sonst die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen perdu. Und das ist schwer wieder aufzubauen… Urlauber erleben auch Reinfälle trotz Hochglanzkatalogen. Vom Fernsehen erwartet man in puncto seriöse Info etwas mehr. Das ist letzten Endes auch fürsorglicher. Mich freut es, dass hier noch dran gedacht wird!

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