- Rachs Restaurantschule RTL
- Die Inselsheriffs von Sylt NDR
- Ab auf die Alp! SR/3sat
- Mallorca – Mein Urlaubstag WDR
Womöglich hat Christian Rach vor Beginn der Dreharbeiten eine Lebensversicherung für sich abgeschlossen. Wenn er sich weiter so aufregt, ist bald Auszahlungstag – sofern er seine Nerven nicht ein bisschen schont.
Es ist natürlich nicht ganz unwahrscheinlich, dass RTL für „Rachs Restaurantschule“ vor allem die Momente herausgesucht hat, in denen der Sternekoch schulterzuckend im Türrahmen steht, seine Azubis anmault, weil die schon wieder eine Hausaufgabe verpennt haben, und ankündigt, am Sinn der Veranstaltung zu zweifeln.
Aber die Intensität der Schlechtgelauntheitsmomente in Rachs Doku-Experiment, das auf dem Bildschirm gerade kurz vor der Eröffnung steht, ist dann schon besorgniserregend. Dabei ist es gar nicht mal so, dass es nicht umfassende Anlässe dafür gäbe. Nur merkt man Rach im Laufe der Zeit an, dass er vielleicht doch ein wenig bereuen könnte, worauf er sich da eingelassen hat.
Sicher, er hat sein Versprechen gehalten, dass die persönlichen Geschichten der Teilnehmer nicht für Betroffenheitsbeiträge ausgeschlachtet werden (das erledigt nachher ja auch „Extra“). Und alles in allem steht „Rachs Restaurantschule“ dem Sender hervorragend, weil es außer um Unterhaltung eben auch um ein ganz konkretes Ziel geht: zwölf Leuten die Chance auf eine Ausbildung zu geben, die sie auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht (mehr) haben, und gemeinsam ein Restaurant zu eröffnen. Sozusagen nationales Motivationsfernsehen. Oder wie’s Rach formuliert: „Wir sind angetreten, damit sich viele im Lande ein Beispiel daran nehmen.“
Die Eröffnung ist längst gelungen, bereits seit Anfang Juli kann sich jeder Zuschauer davon persönlich überzeugen. (Und das Essen war hervorragend bei meinem Besuch, der Service – originell.)
Aber die Sendung wäre noch schöner, wenn RTL darauf verzichten würde, die Tolpatscher der Azubis in der Dauerrotation zu zeigen. Wenn der Teller runter gefallen ist, ist er eben unten. Und wenn der Off-Sprecher noch ein einziges Mal sagt, irgendjemand würde „den Ernst der Lage nicht kapieren“, fahr ich persönlich nach Hamburg, um – äh, mittagzuessen.
Während RTL die soziale Verantwortung probt, besinnen sich die dritten Programme der ARD auf das, was sie am besten können: von den Privaten abgucken. Seit dieser Woche hat auch der NDR seine eigene Kontrolletti-Dokusoap: In „Die Inselsheriffs von Sylt“ (Folge 1: „Party, Unfall, Schlägerei“) werden Polizeibeamte bei ihrer täglichen Arbeitsroutine begleitet, der damit beginnt, Grundschüler zu verwarnen, weil sie in der Fußgängerzone Fahrrad gefahren sind. Nach einer Küchenmesserattacke, einem Spielbankstreit, der Suche nach Taxischwarzfahrern, dem Kräftemessen mit jugendlichen Bahnhofspöblern und der Auflösung einer illegalen Party denkt man sich immerhin: Mönsch, auf Sylt ist doch mehr los als gedacht.
Dass all das dokumentarisch kein bisschen aufbereitet ist und im Schnitt lediglich zusammengepappt wurde, hat immerhin den Vorteil, die Sprecherin nicht zu oft zu hören zu müssen, die ihren Text in einem leeren Schwimmbad eingesprochen haben muss („Glücklicherweise nur ein Versicherungsfall“). Der NDR bietet per Einblendung trotzdem seinen „Mittschnittservice“ an: Für 14 Cent die Minute darf man anrufen und sich die Sendung nachhause bestellen.
Screenshot: NDR
Zumindest zum Polizeideutschlernen wäre das gar keine so schlechte Idee. Dann können Sie bald so schöne Begriffe wie „Disko anmachen“ erklären (Blaulicht und Martinshorn).
Vorher noch eine kurze Frage: Wenn vom „gemütlichen Postboten aus Bern und seinem Hund“ sowie „Katharina, der fröhlichen Hebamme aus Deutschland“ die Rede ist, und zwar in einer Sendung namens „Ab auf die Alp!“ – würden Sie dann nicht auch vermuten, dass Inka Bause sich schon wieder einen neuen Bauernhofblödsinn hat aufquatschen lassen? Ist aber falsch.
Lediglich neun Jahre nach dem deutschen ist nun nämlich auch das Schweizer Fernsehen auf die Idee gekommen, eine Gruppe Zivilisationsurlauber für einen Sommer in die Berge zu schicken, um sie dort einen Hof bewirtschaften zu lassen. Seit vergangener Woche läuft das Ergebnis bei 3sat, um den deutschen Zuschauern zeigen zu können, dass die Schweizer gar nicht so langsam sind wie immer alle spotten. Sondern noch viel langsamer.
Weil Auftaktfolgen meistens öde sind, hab ich erst diese Woche reingeschaut. Und den mir völlig unbekannten Menschen dabei zugesehen, wie sie sich: ausführlich die Zähne putzen; Kaffee trinken; Blasen bepflastern; Grashöhen diskutieren; Kuhglocken zur Verzierung am Haus anbringen; sich anlecken lassen; und sehr, sehr lange melken üben.
Den „Bauer Knubbel“, der seine Hobbyhelfer „über gefährliche Stellen informiert“, hätte sich RTL zwar auch nicht besser ausdenken können. Aber selbst aus dem Off trieft es in dieser Sendung nur so vor Zeitstoppersätzen wie: „Jakob merkt nicht, dass die Kühe links vom Zaun auch zur Herde gehören“ und „Miriam ist aufgeregt, heute muss sie zum ersten Mal käsen“. Das war es dann aber auch schon mit der Aufregung, und fast wünscht man sich Detlev D! Soost, Kader Loth, Gunter Gabriel und Djamila Rowe zurück, die irgendwelche albernen Prüfungen bestehen müssen, indem sie in Kuhdung baden. Letzterer fällt freilich auch bei 3sat zuhauf, zum Beispiel während Jakob erzählt: „Ich freu mich jedes Mal, wenn ich eine Kuh sehe. Ein Freund von mir sagt: Das sind die Philosophen unter den Tieren.“
Abgesehen davon, einen weinenden Bauern davon erzählen zu hören, wie sich eine seiner Kühe mal im Elektrozaun verfing, ist das Tollste an der Sendung die Einsicht, dass das deutsche Fernsehen manchmal doch nicht so übel ist. Was das Erzähltempo angeht.
Zunichte gemacht wird diese Freude augenblicklich beim Ansehen der neuen neunzigminütigen (!) WDR-Dokusoap „Mallorca – Mein Urlaubstag“, in der die Kamera ausführlich filmt, wie Menschen auf besagter Insel einen ganz ruhigen Urlaub machen (Inhaltsangabe auf wdr.de), weit weg vom Ballermann. Quasi RTL 2 ohne Brüste und Saufen. Ach, der Westdeutsche Rundfunk ist einfach die Kuh unter den Fernsehsendern. Oft ganz nützlich, produziert aber auch einen Haufen Mist.
Soviel für diese Woche.
Screenshots: RTL, 3sat, NDR
Gibt es einen Grund nicht...
Gibt es einen Grund nicht direkt auf das Fernsehlexikon zu verlinken? Falls die Antwort Peer-typisch „@Hobelbruder: Ja.“ lautet – welchen?
Ich finde deinen Link und die...
Ich finde deinen Link und die Rede von „neun Jahre später“ ziemlich irreführend. Ich hatte mich schon gefragt, ob das wirklich neun Jahre her sein kann, dass diese B-Promi-Bagage da auf der Alm rumgesprungen ist, aber dabei meintest du was ganz anderes, was auch irgendwie überhaupt nicht mit dem aktuellen Sendeformat zu vergleichen ist… seltsam. Sollte das lustig gemeint sein, hab ich den Witz nicht verstanden.
Rach macht das (wieder) ganz...
Rach macht das (wieder) ganz gut.
Der Rest ist Mist.
@Hobelbruder: Ich krieg...
@Hobelbruder: Ich krieg Tantiemen, wenn ich Blogs verlinke, die der Kollege Niggemeier mitbetreibt, und finanziere mir davon meinen nächsten Dubai-Urlaub.
@BloodyFox: Der Link, der Link! Und „Die Alm“ ist ja auch schon sechs Jahre alt.
<p>Sorry, wenn das jetzt etwas...
Sorry, wenn das jetzt etwas offtopic wird.
Aber ich bin verwundert, welcher PR-Berater der Polizei da versagt hat. Wenn ich mir das Bild des Polizisten oben ansehe — sowohl Frisur wie auch schwarze Handschuhe zu Kurzaermligkeit sind Aeusserlichkeiten, die martialisches Auftreten unterstreichen. Ich fuerchte, bei der Bundeswehr waeren diese Bilder nicht mal am Presseoffizier vorbeigekommen… oder will die Polizei das laestige „Freund und Helfer“-Image loswerden?
Bedauerlich, dass der NDR sich und Geld dafuer hergibt.
@Peer Schader: Ich glaube,...
@Peer Schader: Ich glaube, Hobelbruder meint, dass der Link im drittletzten Absatz zum Fernsehlexikon über Google führt. Scheint ein Copy&Paste Problem beim Googlen nach „sieben die alm“ zu sein. Google wirft da als Link manchmal eigene Seiten dazwischen, vermutlich um festzustellen, auf welchen Link geklickt wurde.
@mju: Glaube ich zwar nicht,...
@mju: Glaube ich zwar nicht, dass er das meint, aber korrigiert. Danke.
Toller Blogeintrag, aber muss...
Toller Blogeintrag, aber muss diese Vielzahl an grammatikalischen und orthografischen Vergewaltigungen der deutschen Sprache auf einer offiziellen faz-Website wirklich sein? Redigiert das niemand, einschließlich Ihnen selbst; Herr Schader?
Ja, leider ist mir die Masse...
Ja, leider ist mir die Masse an grammatikalischen und orthografischen Fehlern in diesem Beitrag auch „aufgestoßen“. Insofern finde ich die Einwände zum Teil und insbesondere was die Sendung „Die Inselsheriffs von Sylt“ anbetrifft nicht richtig. Ich sehe die 18.15 Uhr – Schiene im NDR Fernsehen regelmäßig und sher gerne. Die von Ihnen thematisierte Sendung fand ich sehr interessant. Einen Polizisten bei der Arbeit auf Frisur, Handschuhe und „Kurzärmeligkeit“ (wie in einem der Beiträge hier zu lesen) zu reduzieren, halte ich angesichts der gezeigten Situation ( stark alkoholisierte Jugendliche beim Schlagabtauch, bzw. verwickelt in eine Schlägerei) für sehr fragwürdig und für sehr undifferenziert. Ihnen, Herr Schader, empfehle ich dringend einen Deutsch-Kursus. „Polizeideutschlernen“, ist ein Zitat aus Ihrem Beitrag und überdies ein wirklich interessanter Begriff.
Prinzipiell finde ich es gut,...
Prinzipiell finde ich es gut, wenn Menschen die deutsche Sprache achten und in diesem Sinne auch überprüfen…aber die letzten beiden Einträge halte ich für ausgesprochen lachhaft. „Polizeideutschlernen“ sollte doch als Neologismus zählen, der den sarkastischen Unterton unterstreicht und ist demzufolge meines Erachtens korrekt verwendet worden.
Abgesehen davon, vielen Dank für diesen wie auch für die letzten Beiträge…Gut zu wissen, dass man mit der Kritik an den Medien nicht allein dasteht. Ich hoffe, die Aufklärungsarbeit, die Sie (Herr Schader) hier betreiben, trägt auch ihre Früchte.