Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Christian Ulmen als "Snob": "In der ausgedachten Welt lebt es sich zur Abwechslung ganz entspannt"

| 10 Lesermeinungen

"Mir hat es Spaß gemacht, den gesamten Golfplatz zusammenzuschreien", sagt Christian Ulmen zum Auftakt seiner neuen Webserie "Die Snobs". Im Email-Interview mit dem Fernsehblog sagt er auch noch ein bisschen mehr: über die Massenkompatibilität von Humor, übers Edelprollsein und die Bedeutung besonders leidenschaftlicher Fans.

Diese Herren sind tatsächlich „gewöhnungsbedürftig“: Astor, ein familiengestresster, dauerqualmender, zu Gewalttaten neigender Ehrgeizling, der immer kurz vor der Explosion steht, und sein koksender Kamerad Von Zesen, der sich auf dem Alexanderplatz einen Grillwalker als Caddy einkauft, welcher nachher auf dem Golfplatz Schmähungen als „Stullengesicht“, „Ketchupclown“, „Bratmaxe“ und „Schweinefleischboy“ erdulden muss. Erst als die feinen Herren kurzerhand den Zahnarztsohn überfallen, um ihm die Golfklamotten zu entreißen und an den Wurstjungen weiterzugeben, wird er doch noch in die Gemeinschaft integriert.

Und das Spiel kann losgehen.

Bild zu: Christian Ulmen als "Snob": "In der ausgedachten Welt lebt es sich zur Abwechslung ganz entspannt"
Lau, Ulmen und Hochholdinger sind „Die Snobs“ auf dem Golfplatz / Foto: ZDFneo

„Die Snobs – Sie können auch ohne dich“ heißt Christian Ulmens neue Serie, in der er sich mit den Schauspielerkollegen Wilfried Hochholdinger und Frederick Lau entlang der 18 Löcher durch 18 Webisoden flucht.

Gedreht wurde „Die Snobs“ im Auftrag des Videoportals 3min.de, das der Deutschen Telekom gehört, wo man erstaunlicherweise gerade in eigene Inhalte investiert anstatt sich nur mit Zweitverwertungen zufrieden zu geben.

„Die Snobs“ hebt sich von bisherigen Webserien schon allein dadurch ab, dass ausnahmsweise mal nicht (nur) mit wackeliger Handkamera gedreht wurde. Es werden auch keine lustigen WG-Geschichten für die vielen Twentysomethings erzählt, die keinen Fernseher in der Studentenbude stehen haben. Die Handlung der Episoden (die ab nächster Wochen im Zusammenschnitt auch auf ZDFneo gezeigt werden) ist sowieso nicht so wichtig. Viel wichtiger sind: die Dialoge. Irre, oder? Deshalb fackeln wir hier jetzt auch gar nicht lange und lassen lieber Christian Ulmen erzählen.

Bild zu: Christian Ulmen als "Snob": "In der ausgedachten Welt lebt es sich zur Abwechslung ganz entspannt"3min.de hat nach der Präsentation der Serie zu Email-Interviews mit Ulmen geladen. Finden Sie blöd, Email-Interviews? Weil man da gar nicht journalistisch nachfragen kann? Kann man doch! Zumindest wenn der Gesprächspartner Christian Ulmen heißt.

Zwei Mails, eine mit Fragen („>“) hingeschickt, eine mit Antworten zurückbekommen. Bitteschön:

 

> Lieber Christian Ulmen,
>
> ich hatte in der vergangenen Woche die Gelegenheit, zwei Folgen der
> „Snobs“ vorab zu sehen und freue mich sehr, dass ich noch ein paar
> Fragen dazu per Mail nachschieben darf. (Manchmal ist es ja nicht
> schlecht, das, was man gesehen hat, noch einmal reflektieren zu
> können.)

Na, da hätten Sie ja mal Hallo sagen können, lieber Herr Schader! Ich freue mich aber auch über unser E-Mail-Gespräch.

> Bitte entschuldigen Sie, wenn Ihnen einige davon etwas flach vorkommen
> mögen. Im persönlichen Gespräch würde ich mich das nicht trauen, aber
> in der Kommunikation übers Web ist ja vieles anders. Das bringt mich
> schon zu meiner ersten Frage: Bei der Vorstellung der Serie haben Sie
> gesagt, Sie machen lieber gleich Fernsehen im Internet als sich mit
> quengelnden Redakteuren von Fernsehsendern rumzuschlagen, die
> permanent alles verschlimmbessern wollen, obwohl dann auch nicht mehr
> Leute zusehen als im Netz. Erstens: Hab ich das korrekt verstanden?
> Und zweitens: Da können doch aber die Redakteure nix für, oder?

Natürlich nicht. Redakteure sind super. Manche habe ich gar richtig gern. Einigen verdanke ich „Uwe Wöllner Will’s Wissen“, „Dr. Psycho“ oder „Stuckrad Late Night“. Wenn sie aber mal nicht da sind, illustriert ihr Fehlen auf amüsante Weise die Freiheit, die man halt im Netz hat. Egal, wie begabt Redakteure sind; am Tollsten ist doch, wenn man auch mal komplett machen kann, was man will.

> Mischt sich die Telekom (als Herausgeber von 3min.de) gar nicht in die
> Inhalte ein? Weil die davon wirklich überhaupt keine Ahnung haben und
> sich freuen, dass sie sagen können: Wir machen was mit dem Ulmen?

Umgekehrt: Sie haben Ahnung und genau deshalb mischen sie sich nicht ein.

> Mal ehrlich: Wenn „Die Snobs“ bei 3min.de nur ein paar tausend Mal
> angeklickt werden, sind Sie da doch auch weg vom Fenster! Ist
> Massenattraktivität nicht der Preis dafür, dass man Geld mit
> Schauspielern verdient? Also das Gegenteil von Theater.

Erstmal empfinde ich Massenattraktivität gar nicht als negativ. Und dann kommt es auf die eigene Genügsamkeit an. Man kann als Schauspieler sehr wohl ohne Massenerfolge gut leben. Die sind ja bei mir durchaus auch überschaubar und trotzdem darf ich viel arbeiten. Im Netz haben wir uns mit „ulmen.tv“ eine zuverlässige Zuschauerschaft erarbeitet. Ganz ohne Druck und Vorgaben.

> Im Interview auf 3min.de sagen Sie, mit den „Snobs“ im Titel sei gar
> keine bestimmte Zielgruppe gemeint, sondern ganz allgemein „jemand,
> der alles ablehnt, was nicht so ist, wie man es selber mag“. Das
> heißt, der Begriff ist positiv für Sie besetzt?

Es handelt sich einfach um eine Haltung, eine Attitüde. Die kann wahnsinnig Spaß machen, aber auch unheimlich anstrengend sein. Die beiden Snobs Astor und von Zesen sind auf jeden Fall Extremisten.

> Sie spielen den Astor. Wie war das, sich für eine Rolle mal nicht
> verkleiden zu müssen?

Ich habe mich in dem Sinne nie verkleidet. Figuren brauchen Kostüme. Das kann auch mal ein Gebiss sein. Bei Astor ist es eine rote Baseball-Mütze. Generell gehe ich an alle Charaktere mit derselben Vorbereitung ran.

> Oder, noch besser: Der Reiz der Rollen, die Sie in den vergangenen
> Jahren gespielt haben, war ja oftmals, einen Gesprächspartner aus der
> Reserve zu locken, zu sehen, wie sie oder er reagiert auf jemanden,
> der sich nicht normal bzw. nicht den Konventionen entsprechend
> verhält. Können Sie überhaupt noch Text lernen?

Eigentlich habe ich zuletzt mehr Rollen mit Text als ohne gespielt. Bin da also ganz gut im Training. Bei der Fortführung unseres Internet-TVs hatte ich aber ausnahmsweise keine Lust auf die Konfrontation mit nicht eingeweihten, echten Menschen „on the Road“, die sich ja leider hin und wieder dann doch verarscht fühlten und wo es nachträglich Gesprächsbedarf gab. In der rein ausgedachten Welt lebt es sich zur Abwechslung mal ganz entspannt.

Bild zu: Christian Ulmen als "Snob": "In der ausgedachten Welt lebt es sich zur Abwechslung ganz entspannt"
„Unvorhersehbare Deutungsmöglichkeiten“: Genre-Mix in „Die Snobs“ / Foto: 3min.de

> In einer Folge sammeln die Golfpartner Pilze im Wald und halluzinieren
> nach deren Genuss. Das hat mir sehr gut gefallen, weil das Ergebnis –
> ein bisschen wie die ganze Serie, wenn ich das richtig sehe – eine Art
> Mischung aus „Zauberberg“ und „Platoon“ ist. Welcher Einfluss war
> größer?

Ja! Tatsächlich sind in „Die Snobs“ eine Reihe von cineastischen und sogar literarischen Zitaten versteckt. Die von Ihnen aufgezählten gehören nicht dazu. Umso schöner, dass es auch hier zu unvorhersehbaren Deutungsmöglichkeiten kommt. Wir spielten im Sandbunker auf dem Golfplatz „Der Schmale Grad“ nach.

> Nein, im Ernst, man hat das Gefühl, die Protagonisten könnten am Ende
> jeder Folge auch ins Sanatorium zurückgehen. Aber: Braucht nicht jede
> gute Serie auch eine Identifikationsfigur?

Ich denke es können sich sehr viele Menschen mit Neurosen identifizieren. Zudem gibt es eine geheime Hauptfigur. Der sogenannte „Wurstjunge“, von Frederick Lau gespielt, spiegelt und katalysiert den Wahnsinn der „Snobs“ sehr gut, mit ihm leidet man gerne mit. Eine Serie zu entwerfen, die zunächst kein klassisches Geländer für den Zuschauer bietet, war von Anfang an Teil des Konzepts. Man muss sich schon ein wenig auf die „Snobs“ einlassen. Sie sind gewöhnungsbedürftig.

> Diese Antwort habe ich nicht verstanden. Was meinen Sie genau?

Dass die „Snobs“ „auch ohne Sie können“. Dass es sich jedoch lohnt mit ihnen warm zu werden.

> Sind Sie neidisch auf den Kollegen Wilfried Hochholdinger, der in der
> Serie noch viel snobbiger wirkt als Sie, der mit Basecap und Polohemd
> allenfalls als Yuppie durchgeht?

Nein, die hochgezogene Augenbraue habe ich Herrn Hochholdinger gerne überlassen. Keiner kann den Aristokraten besser als er. Mir hat es dagegen Spaß gemacht den gesamten Golfplatz zusammenzuschreien. Snobs finden sich auch in Edelprolls.

> Herr Ulmen, Sie können gar kein Golf spielen, oder?

Natürlich nicht.

> Wäre so eine schöne Trendsportart nicht besser gewesen, um
> internetaffine Zuschauer zu erreichen? Wasser-Kiting? Street-Bouncing?
> Nordic Walking?

Der internetaffine Zuschauer ist doch kein Extremsportler. Der ist bequem. Ein Golfer eben.

> Ist es Ihnen egal, ob das, was Sie machen, von einem größtmöglichen
> Publikum gesehen wird?

Nein. Und es wäre eklig kokett, das Gegenteil zu behaupten. Aber ich weine wirklich nicht so laut, wenn das Riesenecho ausbleibt. Dann tröste ich mich immer damit, dass die Sachen, die von Wenigen geguckt werden, dafür meistens umso leidenschaftlichere Fans haben.

> Warum ist Ihr Humor nicht massenkompatibel? Sie werden doch trotzdem
> von allen gemocht.

Eben.

> Nur zur Sicherheit: Das mit dem Fernsehen hat sich für Sie endgültig erledigt?

Auf gar keinen Fall. „Die Snobs“ läuft in Zweitverwertung auf ZDFneo, für den RBB habe ich eine Talkshow mit Uwe Wöllner gemacht, demnächst stellen wir, auch für ZDFneo, „Stuckrad Late Night“ her. Fernsehen wird sich für mich nie erledigt haben.

> Lieber Christian Ulmen, danke für die Zeit und die Geduld.

„Die Snobs – Sie können auch ohne dich“ läuft seit diesem Dienstag auf 3min.de; neue Folgen werden jeweils dienstags, donnerstags und sonntags freigeschaltet. Ab 11. November zeigt ZDFneo einen sechsteiligen Zusammenschnitt.

Fotos: ZDFneo/3min.de


10 Lesermeinungen

  1. Holler sagt:

    Genial, in der ersten Mail...
    Genial, in der ersten Mail direkt folgendes zu fragen: „Diese Antwort habe ich nicht verstanden. Was meinen Sie genau?“

  2. paul sagt:

    Ja, der Schader ist schon sehr...
    Ja, der Schader ist schon sehr vorausblickend. Muss man in dem Business sicher auch sein!

  3. Tjoa sagt:

    Schönes Interview, "Snobs"...
    Schönes Interview, „Snobs“ hingegen ist bislang eine einzige Enttäuschung.. Ultralangweilig und extrem hölzern

  4. H.M.Voynich sagt:

    Die dritte Folge ist draußen,...
    Die dritte Folge ist draußen, und ich bin raus.
    Was soll sowas? Doch wohl nicht lustig sein, oder?

  5. Michael S. sagt:

    @Holler:
    🙂 Genau, das habe...

    @Holler:
    🙂 Genau, das habe ich mich auch während des Lesens gefragt…wo doch nur eine Mail mit Antworten zurück kam…

  6. Golf-Club oder Opel-Gang ich...
    Golf-Club oder Opel-Gang ich habe neuerdings mein Interesse für Wurzeln wiederentdeckt.

  7. eps-il-on sagt:

    Snob <> bonZ!...
    Snob <> bonZ!

  8. Inka sagt:

    habs jetzt auch nochmal auf...
    habs jetzt auch nochmal auf ZDFneo gesehen. Da kommt es viel besser rüber. I like it. Das geht noch was, ich sag es Euch…

  9. Tim sagt:

    Finde Snobs eher langweilig -...
    Finde Snobs eher langweilig – der Ulmen kann mehr…

  10. Meh sagt:

    Klar, es gibt neureiche...
    Klar, es gibt neureiche Arschproleten wie den Astor, aber irgendwie will bei mir der Funke nicht überspringen. Das Versagerenglisch ist nicht witzig, die Gewaltausbrüche sind nicht witzig und die Parodie auf Snobs auch nicht. Total überflüssig das Ganze.

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