Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Kurze Pause für die Biedermeierspießer: RTL lädt zum "Dating im Dunkeln"

| 16 Lesermeinungen

In einer neuen Datingshow experimentiert RTL damit, wie sich Menschen kennenlernen, wenn der erste Eindruck nicht auf Äußerlichkeiten beruht, und entlarvt so vermeintliche Idealbilder vom Traumpartner. Das wäre beinahe charmante Unterhaltung – wenn manche Kandidaten zum Schluss nicht als Deppen da stünden.

Es gibt ein altes Sprichwort, das noch von den Gründungsvätern des Fernsehens stammt. Es lautet: „Erst wenn die letzte Schwiegertochter gerodet, der letzte Bauer vergiftet und der letzte Bachelor gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass RTL keine Heiratsvermittlung ist.“

Vielleicht haben sich die Gründer aber auch geirrt. Sonst wären sich Josef und Narumol ja nie begegnet. Und die vielen noch zuhause wohnenden Muttersöhnchen hätten nie eine Chance gehabt, eine Partnerin zu finden, die beim Anblick der Wohnzimmereinrichtung mit dem Fliesentisch nicht sofort der Schlag trifft.

Bild zu: Kurze Pause für die Biedermeierspießer: RTL lädt zum "Dating im Dunkeln"Seit Jahren hat RTL einen erstaunlichen Erfolg als Resterampe brunftbereiter Biedermeierspießer, die sich anderweitig noch nicht unterbringen konnten und bereitwillig die öffentliche Bloßstellung vor einem Millionenpublikum akzeptieren, wenn sie dafür endlich mit der großen Liebe belohnt werden. Hauptsache, sie hat zwei Beine und den Kopf richtig herum auf den Schultern sitzen. Langsam scheinen dem Sender aber die Exoten auszugehen. Anders ist es nicht zu erklären, dass am neusten Kuppelshowversuch verhältnismäßig normale Mittzwanziger teilnehmen.

Für „Dating im Dunkeln“ lässt der Sender drei Frauen und drei Männer in eine Luxusvilla einziehen, in der die beiden Geschlechter ausschließlich in einem komplett abgedunkelten Raum zusammenkommen. Nach einem gemeinsamen Kennenlernen sucht sich jeder Teilnehmer die Frau oder den Mann heraus, die oder den er gerne zu „Einzeldates“ treffen möchte. Am Ende des Aufenthalts sehen die Kandidaten ihre Auserwählten für 15 Sekunden im Scheinwerferlicht und müssen entscheiden, ob sie sie wiedersehen wollen – oder doch lieber noch mal eine Runde durchs Internet drehen.

Die Grundidee von „Dating im Dunkeln“ ist gar nicht so übel. Die Show experimentiert damit, wie sich Menschen kennenlernen und Gemeinsamkeiten erschließen, wenn der erste Eindruck nicht auf Äußerlichkeiten beruht – sondern auf der Stimme, dem, was die Kandidaten von sich preisgeben, und der eigenen Imagination.

Auf die Zärtliche-Cousinen-Schalalala-Musik, mit denen manche der Flirtszenen hinterlegt sind, hätte man gut und gerne verzichten können. Dafür, dass sich die Singles alle aufführen wie bei einer Katalogbestellung, kann aber ja RTL nichts. Kandidatin Rebecca freut sich zum Beispiel, ihrem Max endlich in seine blauen Augen zu sehen, die sie sich von ihrem skandinavischen Traumtypen mit dem Blondschopf wünscht. Als sie im Scheinwerferlicht erkennt, dass der Mann, in den sie sich ein bisschen verschossen hat, senegalesische Wurzeln hat, ist sie erstmal ziemlich irritiert.

Aber RTL wäre nicht RTL, wenn es bei dieser charmanten Entlarvung der vermeintlichen Idealbilder vom Traumpartner bliebe.

Weil sich die Kandidaten Maik und Toni am Ende beide für die 25-jährige Nancy entschieden haben, muss die wiederum einen von beiden wählen. Mit dem packt sie ihre Koffer und läuft den Weg von der Villa zum Auto hinunter, das beide nachhause bringen soll. Währenddessen hat das Kamerateam den Kontrahenten oben auf der Veranda die ganze Zeit mit einem Blumenstrauß warten lassen, um dann zu zeigen, wie er seinen Schwarm mit dem Rivalen abreisen sieht. Und RTL ist wieder ganz bei sich.

Wahrscheinlich hatten die Gründungsväter mit ihrem Sprichwort doch Recht.

„Dating im Dunkeln“ läuft am Sonntagabend um 19.05 Uhr bei RTL.

Screenshot: RTL


16 Lesermeinungen

  1. georgt sagt:

    was nicht vergessen werden...
    was nicht vergessen werden darf: das ganze ist ohnedies bis ins letzte detail übernommen. die luxusvilla als ort, der ablauf der abschiedsszenen, das läuft alles genauso schon seit jahren in den original „dating in the dark“ …

  2. pschader sagt:

    @georgt: ...was ja nichts...
    @georgt: …was ja nichts Ungewöhnliches ist und völlig in Ordnung, wenn Formate aus anderen Ländern adaptiert werden. Schade ist bloß, wenn das fast *ausschließlich* passiert.

  3. erika sagt:

    jetzt ist RTL wohl total...
    jetzt ist RTL wohl total verrückt geworden,
    nehr kann man dazu nicht sagen

  4. BloodyFox sagt:

    Ich stell mir deinen Job...
    Ich stell mir deinen Job mittlerweile echt langweilig vor, Peer. Ich meine mir wird ja schon gähnend langweilig, wenn ich hier jedes Mal lese, wie RTL schon wieder ein neues Format nach dem Schema-F herauspresst. Irgendwie ist das doch immer dasselbe. Nicht einmal sich darüber aufregen macht so viel Spaß wie früher. Deutschland bekommt immer noch das Fernsehprogramm, das es verdient und das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern.

  5. Ben sagt:

    Wurde u.a. schon von MTV...
    Wurde u.a. schon von MTV Deutschland verwurschtelt und wird ab und an auch mal wieder als Wiederholung gezeigt.

  6. netscripter sagt:

    Aber dieses Format gab es doch...
    Aber dieses Format gab es doch schon einmal ganz ähnlich beim deutschen MTV, moderiert von Miriam Weichselbraun und hieß „Love is blind“. Nur dass dort die Villa wegfällt und nur ein Kandiat oder eine Kandidatin sich zwischen 4 Männern entscheiden muss (den Ex, den Traumtyp, eine Nullnummer und ich glaube einen Vergebenen). Deswegen war ich auch recht irritiert, warum dieses Konzept auf einmal bei RTL auftaucht. Wirklich spannend klingt die aufgeblähte Version davon hier nämlich nicht.

  7. Hab eben das Ende der Sendung...
    Hab eben das Ende der Sendung beim Essen gesehen und muss sagen: Unterhaltsam war zumindest das Ende der Show schon. Trotzdem wird das Format wohl nicht lange bestand haben, dafür war es einfach zu langatmig und mit zu wenig Unterhaltung gespickt.

  8. Alter Hut sagt:

    Die Idee ist doch im Grunde...
    Die Idee ist doch im Grunde ein ultraalter Hut … Denn eine vergleichbare Sendung lief schon vor mehr als 20 Jahren in der ARD. Da hieß sie „Herzblatt“, nur dass die Singles nicht im Dunkeln saßen, sondern durch eine Trennwand voneinander getrennt waren. So what?

  9. Lukas sagt:

    Ich würde dieses Konzept...
    Ich würde dieses Konzept ehrlich gesagt ungern als Serie sehen. Einzeln war das mal ganz interessant (die „Phantombilder“ waren stellenweise gruselig originalgetreu), aber ich kann mir nur schwer vorstellen, wie die Idee in neuen Folgen immer wieder neu funktionieren soll (obwohl sie das im Ausland ja augenscheinlich tut).

  10. Wolfgang sagt:

    Das hat aber RTL II weitaus...
    Das hat aber RTL II weitaus spektakulärer umgesetzt: Zwei Personen sehen sich nicht, chatten miteinander im Zwischennetz, machen ein Date aus, dort wird die Chatterin zuerst durch eine andere Dame ersetzt, dann erscheint die Chatterin (die in Wirklichkeit eine verhinderte Großinquisitorin ist) und macht zusammen mit dem Dreh-Team gehörig Rabbatz. Und wenn der Chatter Pech hat, kommt er zuerst ans Licht der Öffentlichkeit und muss sich anschließend irgendwo im Dunkeln verkriechen.
    Das Ganze verkauft man dann noch als sozialhygienisch wertvollen Dienst an der Gesellschaft und lässt es von einer blonden Ministergattin öffentlich absegnen. Was ist dagegen „Dating im Dunkeln“ für eine lahme und irrelevante Veranstaltung.

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