Das Fernsehblog

Kleine Product-Placement-Bilanz (5): Ganz in weiß auf dem "Traumschiff"

Für den Fall, dass Sie zu den wenigen Menschen gehören, die an Weihnachten und Neujahr nicht die neuen Folgen des „Traumschiff“ gesehen haben: Im Fernsehblog erfahren Sie, was Sie verpasst haben. Nein, nicht etwa die Geschichte, in der sich ein attraktiver junger Mann in die Freundin seiner Freundin verliebt – das war ja im vergangenen Jahr. Diesmal hat sich ein attraktiver junger Mann in die Schwester seiner Freundin verliebt. Und: Ein begnadeter Pianist hat den Klavierdeckel auf die Finger gehauen bekommen und konnte nicht mehr spielen. Das war eine erstaunliche Wendung, schließlich konnte im vergangenen Jahr ein anderer begnadeter Pianist nicht mehr spielen, weil er bei einem Landausflug über eine Liege gestolpert war und sich die Finger überdehnt hatte.

Nur Harald Schmidt, den jemand täuschend echt als Roboter nachgebaut hat, damit der den Kreuzfahrtdirektor Oskar Schifferle spielt, war der alte.

Aber darum geht es hier gar nicht. Es geht mal wieder um Product Placement. Das heißt bei den öffentlich-rechtlichen Sendern „Produktionshilfe“ und ist seit einem Dreivierteljahr staatsvertraglich erlaubt, wenn das Unternehmen, das ein Produkt oder eine Dienstleistung zur Verfügung stellt, kein Geld dafür bezahlt.

Das braucht die Reederei Peter Deilmann auch gar nicht, denn das ZDF bedankt sich seit jeher artig dafür, dass es auf der „MS Deutschland“ drehen darf, indem es das „Traumschiff“ für potenzielle Kunden in Szene setzt. Und das Logo der Reederei gleich mit:


Screenshots: ZDF; alle Bilder aus den aktuellen Folgen

Inzwischen muss der Sender die Zuwendung allerdings mit dem Hinweis „unterstützt durch Produktionshilfe“ kennzeichnen. Dass dieser Hinweis zu Beginn der beiden aktuellen „Traumschiff“-Folgen in weißer Schrift auf weißem Untergrund stand, ist sicher bloß ein blöder Zufall.


Screenshots: ZDF

Wollen Sie’s nochmal größer sehen? Gerne:


Screenshots: ZDF

Andererseits ist’s ja auch wurscht, ein normalsterblicher Zuschauer wird ohnehin kaum verstehen, was genau damit gemeint ist, wenn ihm die Kennzeichnung überhaupt auffällt.

Kein Zufall ist hingegen das Product Placement des Touristik-Unternehmens TUI, das gerade im Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker vorkam, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. (Video in der ZDF-Mediathek, Placement ab 36:22.)


Screenshots: ZDF/ORF

Als die Politik dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im neuen Staatsvertrag erlaubte, kostenlose „Produktionshilfen“ anzunehmen, wollte sie – offiziell – erreichen, dass dadurch die Produktionsbudgets der Sender geschont werden. Dass jetzt bald durch jede zweite Sendung ein Kreuzfahrtschiff fährt, hat natürlich keiner wissen können. Aber es wäre zu ahnen gewesen, dass die Sender die Hilfen eben nicht nur dort in Anspruch nehmen, wo sie nicht zu vermeiden sind, sondern immerzu und überall.

Dabei ist das ZDF an der Platzierung im Neujahrskonzert nicht mal selbst Schuld: Sie stammt vom ORF, der „Mein Schiff“ von TUI in Szene setzte. Dasselbe Schiff übrigens, auf dem das Erste im Februar eine ganze abendfüllende Show veranstaltet.

„Der Kampf um Unabhängigkeit wird Medien immer begleiten, das öffentlich-rechtliche Fernsehen zumal“, sagt ZDF-Chefredakteur Peter Frey heute im „FAZ“-Interview über die aktuelle Berichterstattung des Zweiten. In der Unterhaltung allerdings hat (nicht nur) sein Sender diesen Kampf schon vor langer Zeit freiwillig aufgegeben.

 

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