Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Die Woche im Fernsehen: Der Walter Freiwald von Pro Sieben

| 20 Lesermeinungen

Dieter Nuhr versetzt dem kläglichen Rest des in der ARD abgebildeten Kabaretts den endgültigen Todesstoß; Pro Sieben beeinflusst mit der "Model-WG" die Jugendsprache; Annemarie Warnkross muss den Katalogfummel aus "Fashion & Fame" auftragen; und Sat.1 investiert in Bauchbindenhumor. Was diese Woche im Fernsehen los war.

Die Sendungen
  • Satire Gipfel Das Erste
  • Die Model-WG Pro Sieben
  • Fashion & Fame Pro Sieben
  • Die 2 – Anwälte mit Herz Sat.1

Lediglich drei Wochen nach seinem ZDF-Jahresrückblick „Nuhr 2010“, wenige Tage nach der Sat.1- Wiederholung seines Programms „Ich bin’s Nuhr“ und 22 Stunden vor seiner RTL-Premiere mit „Typisch Nuhr, typisch Nuhr“ hat Dieter Nuhr in der vergangenen Woche noch ein Stündchen freischaufeln können, um endlich auch im Ersten aufzutauchen.

„Früher war ein solches Feuer in der Sendung, da ging teilweise die Sprinkleranlage an“, stänkerte er gleich zu Beginn gegen seinen Vorgänger im „Satire Gipfel“, Mathias Richling: „Die Sendung war mit Richling zu aufregend.“ Also nutzte Nuhr prompt seine Chance, alles besser zu machen: Endlich darf auch Matze Knop in die Sendung kommen!

Bild zu: Die Woche im Fernsehen: Der Walter Freiwald von Pro SiebenDamit kann der neue Gastgeber für sich in Anspruch nehmen, dem kläglichen Rest des in der ARD abgebildeten deutschen Kabaretts den endgültigen Todesstoß versetzt zu haben (ganze Sendung in der Das-Erste-Mediathek). Immerhin: Knop durfte sich zum ersten Mal seit sechzig Jahren bei einem Auftritt nicht als Franz Beckenbauer verkleiden. Auch wenn es ihm natürlich unmöglich war, auf die entsprechende Stimmenimitation zu verzichten.

Mit der musste er artig warten, bis der Chef die Gags aus seinem ZDF-Jahresrückblick noch mal aufgesagt hatte. Ein bewundernswertes Zweitverwertungstalent, dieser Dieter Nuhr. Könnte glatt freier Journalist werden.

Beim „Satire Gipfel“ allerdings sollte er noch ein bisschen üben, weil eine Sendung nicht allein dadurch flotter wird, dass im Vorspann plötzlich U2 läuft. Vielleicht kommt nächstes Mal einfach Cindy aus Marzahn vorbei. Die macht doch auch sowas wie Kabarett, oder?

Bild zu: Die Woche im Fernsehen: Der Walter Freiwald von Pro SiebenVollständig auf die eigenen Talente verlässt sich derweil Pro Sieben. Ex-„Topmodel“-Juror Peyman Amin ist zurück, als Inka Bause der Fashionszene. Die jungen Damen, die sich in diesem Jahr darum bewerben, in „Die Model-WG“ zu ziehen, wurden dem Publikum jedenfalls nach bester Bause-Manier vorgestellt, wenn auch mit leichter Alliterationsschwäche: „die sensible Anja“, „die exotische Pam“, „die zielstrebige Mira“ – und keine einzige sucht einen Mann! (Da gibt es noch Optimierungsbedarf.) Stattdessen kämpfen die Frauen darum, sich künftig von einer New Yorker Modelagentur die schönsten Werbeshootings zuschubsen zu lassen (Folge 1 bei prosieben.de ansehen).

Nur einen Fehler dürfen sie dabei nicht machen: zu kommerziell sein. Ja, Himmel! Kommerziell bei Pro Sieben – das ist wahrlich unvorstellbar. Und Peyman erklärt auch warum: „Zu kommerziell heißt Katalog, Katalog heißt einfach nur national.“

Das ist mal ein schönes neues Schimpfwort, das unmittelbar in den Sprachschatz der Jugend übergehen könnte: Du bist voll Katalog! In diesem Jahr darf der Modelagent so was auch unbedenklich sagen, denn der „Model-WG“-Sponsor aus dem vergangenen Jahr ist weitergezogen: Otto wirbt jetzt eine Stunde früher im Pro-Sieben-Programm. Voll Katalog.

Bild zu: Die Woche im Fernsehen: Der Walter Freiwald von Pro SiebenDafür haben die Querdenker der hauseigenen Produktionsfirma Red Seven Entertainment eigens „Fashion & Fame“ erdacht, das erste Teleshopping im deutschen Fernsehen, das ohne die Unterstützung von Walter Freiwald auskommt. Wenn auch nicht ohne Verkaufsaugust. Und weil wir heute so schön am Vergleichen sind: Der Walter Freiwald von Pro Sieben heißt Philipp Plein und hat sich, wie man das als erfolgreicher Designer so macht, seinen Namen ganz groß in den Swimmingpool vor seinem Schweizer Anwesen geschrieben. Jetzt darf Plein einen Haufen sehr von sich selbst überzeugter Nachwuchs-Schneider ein paar Wochen an der Nase herumführen, indem er sie im Glauben lässt, möglichst kreative Stoffkombis entwickeln zu sollen, um Chefdesigner bei seinem neuen Label „Goldcut“ zu werden (Folge 1 bei prosieben.de ansehen).

Lustig ist’s schon, wie die Kandidaten ihr ganzes Genie an der Nähmaschine bemühen. Denn am Ende braucht es doch bloß Durchschnittsware, die nach der Sendung von der Zielgruppe bei otto.de im Internet bestellt werden soll.

Bild zu: Die Woche im Fernsehen: Der Walter Freiwald von Pro SiebenSchlimmer als die Kandidaten hat’s eigentlich nur Annemarie Warnkross getroffen, die Sybille Weischenberg von Pro Sieben, die sich vor „Fashion & Fame“ in der Dauerwerbesendung des Schminksponsors nicht nur von Boris Entrup verunstalten lassen muss, dem offensichtlich die Amateurinnen ausgegangen sind. Warnkross muss am späten Abend in „red!“ den „Fashion & Fame“-Fummel auch noch als erstes anziehen. (In dieser Woche ein pistazieneisfarbener Fetzen mit Goldklebeband.)

Nächste Woche tackert ihr der Sender vielleicht gleich die Bestelladresse auf die Stirn.

Fehlt bloß noch Sat.1, das sich diese Woche mit „Die 2 – Anwälte mit Herz“ an RTL heranzupirschen versucht. (Folge 1 ist leider schon wieder verschwunden, Folge 2 bei sat1.de noch abrufbar.) „2 Anwälte“, „echte Fälle“, „wahre Geschichten“ steht im Vorspann. „Schlechte Laienschaupieler“ hat wahrscheinlich nicht mehr reingepasst. Denn natürlich sind die Geschichten der Dokusoap, wie sich’s gerade gehört, bloß nachgestellt. Oder wie’s im Abspann steht: „Die Figuren und Orte sind frei erfunden.“

Allerdings! Oder hat schon mal einer was von einem seltsamen Ort namens „München“ gehört?

Am Ende ist unklar, was man schöner finden soll: Dass Sat.1 die geschauspielerten „wahren Begebenheiten“ mit Rückblicken erzählt, in denen noch mal der gesonderte Hinweis „nachgestellte Szene“ erscheint. Oder dass sich Produzent Constantin Entertainment, Hort der innovativen Fernsehformatentwicklung, soviel Mühe mit den Bauchbinden gegeben hat wie es sonst nur der Konkurrenz aus Köln gelingt. Über die ehrenwerten Motive der Rechtsanwältin Funda Bicakoglu kann jedenfalls kein Zweifel bestehen. Sie sind ehrenwert. Die ehrenwerten Motive.

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Und nächstes Mal beantworten wir dann die Frage: Haben Leute, die sich vom Privatfernsehen überreden lassen, Vergewaltigungsopfer für schlechte Dokusoap-Imitationen zu spielen, eigentlich sonst keine Hobbys?

Soviel für diese Woche.

Screenshots: Das Erste, Pro Sieben, Sat.1

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20 Lesermeinungen

  1. heul sagt:

    Einen braveren Mainstream- und...
    Einen braveren Mainstream- und Spießer-„Kabarettisten“ als den Nuhr mit seinem vielziterten „Fresse halten“-„Bonmot“ kann man sich kaum vorstellen. Da hätte auch der Kaiser früher mitgelacht. Den kann man auch problemlos bei SPD- oder CDU-Parteitagen fürs Rahmenprogramm einladen. Der tut nichts, der will nur spielen. Ich will den Hildebrandt zurück!!!

  2. sylterin sagt:

    Ist es den Nuhr noch ein...
    Ist es den Nuhr noch ein Strohfeuer, auf das der George Clooney der Spaßvögel setzt. Anders kann man sich sein inflationäres auftreten auf allen Kanälen kaum erklären. Vielleicht sollte ihm mal jemand erzählen, das wenn so ein Strohfeuer verpufft ist, es lange dauert bis wieder Substanz nach wächst. Die Gags werden nicht automatisch besser, Nuhr weil man sie häufiger hört. Im Gegenteil irgendwann ist es Nuhr noch langweilig.

  3. Hobelbruder sagt:

    Wer ist nochmal Frank...
    Wer ist nochmal Frank Beckenbauer?

  4. nona sagt:

    Dieter Nuhr ist nicht...
    Dieter Nuhr ist nicht unlustig. Aber Dieter Nuhr ist ein prototypischer „Comedian“, kein Kabarettist. Schon gar kein politischer. Insofern sind auch schon vor Matze Knop die allerletzten Reste des einstmals so ehrenwerten Scheibenwischers verstorben. „Satire“ würde ich das jetzt auch nicht nennen, „Gipfel“ schonmal gleich garnicht. Ansonsten gilt Matze Knop = Umschaltgrund weil nicht ertragbar. Egal in welcher Funktion oder in welchem Sender.
    Die Gleichung „kommerziell = Katalog = national“ ist übrigens völliger Humbug und spricht nicht für den professionellen Kenntnisstand des zitierten Herrn. Material für Kataloge wird heute international produziert und in etlichen Ausgaben weltweit verwendet. Auch unter Einsatz von so genannten „Top-Models“ – gut, kommt vielleicht auf den Katalog an… man ahnt ja nicht mit was für hinterwäldlerischen Kistenschiebern so ein Sender wie dieser kooperiert…

  5. Andreas sagt:

    Danke. Wieder eine Woche um...
    Danke. Wieder eine Woche um ohne das Gefühl, im Fernsehn was verpasst zu haben.
    Nur eins noch: wenn Nuhr und Knop der Satire Gipfel sind… ähm, ja, armes Deutschland.
    Lösung: Comedians verbieten!

  6. derwaechter sagt:

    "Frank Beckenbauer"

    Ein...
    „Frank Beckenbauer“
    Ein unehelicher Sohn des Kaisers?
    Hi Hi

  7. pschader sagt:

    @derwaechter: Jetzt nicht...
    @derwaechter: Jetzt nicht mehr! Danke.

  8. Mirko sagt:

    Ich hatte ja die leise...
    Ich hatte ja die leise Hoffnung, dass Dieter Nuhr zumindest ein angemessener Moderator werden könnte, nachdem Richling allzu oft wie eine Mischung aus Thomas Herrmans auf Koks und Karneval gewirkt hat. Aber das war wohl nichts. Wieder mal überproportionale Selbstdarstellung des Moderators, und die Gäste waren auch nicht so das Gelbe vom Ei. Wobei ich Matze Knop in letzter Zeit zumindest zugestehen möchte, dass er sich etwas mehr Mühe gibt – war er früher eine Art langweiligere Mischung aus Richling und Pocher mit extremem Fremdschämfaktor, nervt er wenigstens nicht mehr ganz so oft mit seinen „Parodien“ und ab und an kann man sogar mal über seine Witzchen schmunzeln (für echtes Lachen oder gar die Kabarett-Version, bei der das Lachen und schmerzhafte Realität vermischt werden, reicht’s aber noch lange nicht)… Cindy aus Marzahn würde ich übrigens durchaus einen Kabarett-würdigen Auftritt zutrauen, ich glaube nur, dass ihr so ein Auftritt nicht ganz ins Konzept passen würde.
    Wie gut, dass es wenigstens noch die Anstalt gibt.

  9. SvenR sagt:

    ich mag Dieter Nuhr. Trotzdem....
    ich mag Dieter Nuhr. Trotzdem.

  10. onlime sagt:

    Die Mädels aus der Model-WG...
    Die Mädels aus der Model-WG können doch froh sein, wenn sie mal in einem Katalog erscheinen.

Kommentare sind deaktiviert.