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Making of "Hindenburg" (1): Der Abflug verzögert sich um acht Jahre

Wie funktionieren Dreharbeiten mit einem 250 Meter langen Luftschiff, das gar nicht da ist? Warum muss in einem Film fürs deutsche Fernsehen Englisch gesprochen werden? Was hat der berühmteste Zeppelin der Welt mit einer polnischen Autofähre zu tun? Und wie kann es sein, dass Ikea die Leute am Set des teuersten Films, den RTL bisher in Auftrag gegeben hat, in Atem hält?

Am Sonntag und Montag läuft der Zweiteiler „Hindenburg“ im Fernsehen, in dem es – unter anderem – um den Absturz des größten Luftfahrzeugs geht, das je gebaut wurde.

Das Fernsehblog hat sich mit Produzent Sascha Schwingel über die Vorbereitung, die Dreharbeiten und die kleinen und großen Probleme am Set unterhalten.


Screenshot: RTL

Das Projekt: Historische Genauigkeit und moderne Interpretation

Dass es auf der Fernsehmesse in Cannes damals nur bei einer Ankündigung geblieben ist, war vielleicht gar nicht so schlecht. Im deutschen Fernsehen war zu diesem Zeitpunkt gerade mit großem Erfolg „Der Tunnel“ gelaufen und Nico Hofmanns Produktionsfirma Teamworx, die sich den Ruf des Eventfilmspezialisten erarbeitet hatte, wollte sich an das nächste große Abenteuer wagen: Die Verfilmung des Absturzes der LZ 129 – genannt: Hindenburg.

Gut zehn Jahre ist das her. Und vorerst blieb der Film als Konzept in der Schublade, weil schlicht und ergreifend das Geld fehlte, um ihn zu finanzieren.

1997 hatte James Cameron „Titanic“ ins Kino gebracht, veranschlagt mit 150 Millionen Dollar Kosten. Das war vermutlich nicht ganz die Größenordnung, mit der man sich als Produzent zu einem deutschen Fernsehsender traut, um einen Film zu verkaufen. „Hindenburg“ hat knapp jetzt über 10 Millionen Euro gekostet, welcher Anteil von RTL kommt, verrät der Sender freilich nicht, aber die Szenen, in denen der Gigant übers Eismeer fliegt, über die Skyline des New York der 30er Jahre und die Explosion kurz vor dem Schluss sind äußerst beeindruckend geraten.

Von der Ankündigung bis zum Beginn der Vorbereitungen sind acht Jahre vergangen. Aber für Sascha Schwingel haben sich die ausführlichen Besuche im Zeppelinmuseum in Friedrichshafen, wo heute (weitaus kleinere) Zeppeline fliegen, doch noch gelohnt.

„RTL hat uns sehr vertraut“, sagt er. „Wir durften den Film machen, den wir wollen.“ Und der ist erstaunlich modern geworden: von der Auswahl der Musik über die Kamera, die immer ganz nah dran an den Protagonisten ist, bis zur Erzählweise. Die Kostümdesigner wurden beauftragt, Kleider und Mäntel zu entwerfen, die sich einerseits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verorten lassen, aber gleichzeitig maximale Modernität widerspiegeln.

„Mit unserem modernen Blick auf die Historie zu schauen und zu sagen: die waren alle Spießer damals, ist Unsinn. Die Leute waren genauso modern wie wir heute – nur eben für ihre Zeit. Das haben wir abzubilden versucht“, sagt Schwingel. Und: „Wir haben sicher anders erzählt als das fürs ZDF der Fall gewesen wäre.“


Am Set: Kameramann David Slama, Regisseur Phillipp Kadelbach, Produzent Sascha Schwingel / Foto: RTL

„Hindenburg“ sollte ein Film fürs jüngere Publikum werden. Und bei allen Freiheiten trotzdem möglichst nah dran sein an den abgebildeten Damals. „Der Absturz der Hindenburg ist ein historisches Ereignis, dem man sich als Filmemacher irgendwie verpflichtet fühlt“, sagt Schwingel. „Wir wollten den Zeppelin vom Prinzip her möglichst originalgetreu abbilden.“ Historiker mit Schwerpunkt Luftschifffahrt sollten den Zweiteiler aber vielleicht nicht ohne vorherige Einnahme einer Beruhigungstablette gucken. Denn ein paar künstlerische Freiheiten hat sich das Team dann doch herausgenommen.

Um den sehr beengten Raum im Zeppelin filmisch attraktiver wirken zu lassen, wurden unter anderem die Passagierkabinen vergrößert und mit Fenstern ausgestattet, ein Zwischenraum im Gaskörper wurde verbreitert, damit sich die Protagonisten darin bewegen können. Schwingel sagt:

„Wir wollen ja auch eine Geschichte erzählen. Das geht nicht in einem Raum, der im original so klein wäre, dass sich die Kamera nicht mal drehen kann. Das macht mir aber kein schlechtes Gewissen. Es hat ja niemand gesagt: Komm, wir machen den Zeppelin rot, das sieht cooler aus.“

Im Gegenteil: Nicht nur das Luftschiff, auch der Film ist an vielen Stellen erstaunlich gräulich-trübe, Farben werden sehr reduziert eingesetzt, ein Halligalli-Katastrophenfilm ist „Hindenburg“ jedenfalls nicht geworden. Allein schon wegen des reduzierten Bauhausstils in der Passagiergondel, an dem sich die Setdesigner orientierten. (Mehr zur Inneneinrichtung beim Zeppelinmuseum.) Deshalb will Schwingel auch den „Titanic“-Vergleich nicht ganz gelten lassen:

„An ‚Titanic‘ war damals natürlich die Herausforderung, das Prunkvolle zu zeigen. Die Hindenburg sah ja in weiten Teilen eher so aus wie eine polnische Autofähre. Schon wegen des zu tragenden Gewichts war kein Platz für Prunk.“

Allen filmischen Interpretationen zum Trotz soll der Film, nachdem er im Fernsehen gelaufen ist, künftig auch im Zeppelinmuseum in Ludwigshafen Friedrichshafen laufen, das Schwingels Team während der gesamten Dreharbeiten mit seinen Fachleuten beratend zur Seite stand.

Vielleicht schauen sich die Passagiere die Geschichte aber besser erst an wenn sie von ihrem Rundflug sicher wieder gelandet sind.

RTL zeigt „Hindenburg“ in zwei Teilen am Sonntag und am Montag um 20.15 Uhr.

Morgen im Fernsehblog: Die Finanzierung – Warum ein Film fürs deutsche Fernsehen auf Englisch gedreht wird.

Fotos: RTL

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