Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Making of "Hindenburg" (1): Der Abflug verzögert sich um acht Jahre

| 9 Lesermeinungen

Wie funktionieren Dreharbeiten mit einem 250 Meter langen Luftschiff, das gar nicht da ist? Warum muss in einem Film fürs deutsche Fernsehen Englisch gesprochen werden? Was hat der berühmteste Zeppelin der Welt mit einer polnischen Autofähre zu tun? Das Fernsehblog hat sich mit "Hindenburg"-Produzent Sascha Schwingel über die Entstehung des Films unterhalten.

Wie funktionieren Dreharbeiten mit einem 250 Meter langen Luftschiff, das gar nicht da ist? Warum muss in einem Film fürs deutsche Fernsehen Englisch gesprochen werden? Was hat der berühmteste Zeppelin der Welt mit einer polnischen Autofähre zu tun? Und wie kann es sein, dass Ikea die Leute am Set des teuersten Films, den RTL bisher in Auftrag gegeben hat, in Atem hält?

Am Sonntag und Montag läuft der Zweiteiler „Hindenburg“ im Fernsehen, in dem es – unter anderem – um den Absturz des größten Luftfahrzeugs geht, das je gebaut wurde.

Das Fernsehblog hat sich mit Produzent Sascha Schwingel über die Vorbereitung, die Dreharbeiten und die kleinen und großen Probleme am Set unterhalten.

Bild zu: Making of "Hindenburg" (1): Der Abflug verzögert sich um acht Jahre
Screenshot: RTL

Das Projekt: Historische Genauigkeit und moderne Interpretation

Dass es auf der Fernsehmesse in Cannes damals nur bei einer Ankündigung geblieben ist, war vielleicht gar nicht so schlecht. Im deutschen Fernsehen war zu diesem Zeitpunkt gerade mit großem Erfolg „Der Tunnel“ gelaufen und Nico Hofmanns Produktionsfirma Teamworx, die sich den Ruf des Eventfilmspezialisten erarbeitet hatte, wollte sich an das nächste große Abenteuer wagen: Die Verfilmung des Absturzes der LZ 129 – genannt: Hindenburg.

Gut zehn Jahre ist das her. Und vorerst blieb der Film als Konzept in der Schublade, weil schlicht und ergreifend das Geld fehlte, um ihn zu finanzieren.

1997 hatte James Cameron „Titanic“ ins Kino gebracht, veranschlagt mit 150 Millionen Dollar Kosten. Das war vermutlich nicht ganz die Größenordnung, mit der man sich als Produzent zu einem deutschen Fernsehsender traut, um einen Film zu verkaufen. „Hindenburg“ hat knapp jetzt über 10 Millionen Euro gekostet, welcher Anteil von RTL kommt, verrät der Sender freilich nicht, aber die Szenen, in denen der Gigant übers Eismeer fliegt, über die Skyline des New York der 30er Jahre und die Explosion kurz vor dem Schluss sind äußerst beeindruckend geraten.

Bild zu: Making of "Hindenburg" (1): Der Abflug verzögert sich um acht JahreVon der Ankündigung bis zum Beginn der Vorbereitungen sind acht Jahre vergangen. Aber für Sascha Schwingel haben sich die ausführlichen Besuche im Zeppelinmuseum in Friedrichshafen, wo heute (weitaus kleinere) Zeppeline fliegen, doch noch gelohnt.

„RTL hat uns sehr vertraut“, sagt er. „Wir durften den Film machen, den wir wollen.“ Und der ist erstaunlich modern geworden: von der Auswahl der Musik über die Kamera, die immer ganz nah dran an den Protagonisten ist, bis zur Erzählweise. Die Kostümdesigner wurden beauftragt, Kleider und Mäntel zu entwerfen, die sich einerseits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verorten lassen, aber gleichzeitig maximale Modernität widerspiegeln.

„Mit unserem modernen Blick auf die Historie zu schauen und zu sagen: die waren alle Spießer damals, ist Unsinn. Die Leute waren genauso modern wie wir heute – nur eben für ihre Zeit. Das haben wir abzubilden versucht“, sagt Schwingel. Und: „Wir haben sicher anders erzählt als das fürs ZDF der Fall gewesen wäre.“

Bild zu: Making of "Hindenburg" (1): Der Abflug verzögert sich um acht Jahre
Am Set: Kameramann David Slama, Regisseur Phillipp Kadelbach, Produzent Sascha Schwingel / Foto: RTL

„Hindenburg“ sollte ein Film fürs jüngere Publikum werden. Und bei allen Freiheiten trotzdem möglichst nah dran sein an den abgebildeten Damals. „Der Absturz der Hindenburg ist ein historisches Ereignis, dem man sich als Filmemacher irgendwie verpflichtet fühlt“, sagt Schwingel. „Wir wollten den Zeppelin vom Prinzip her möglichst originalgetreu abbilden.“ Historiker mit Schwerpunkt Luftschifffahrt sollten den Zweiteiler aber vielleicht nicht ohne vorherige Einnahme einer Beruhigungstablette gucken. Denn ein paar künstlerische Freiheiten hat sich das Team dann doch herausgenommen.

Um den sehr beengten Raum im Zeppelin filmisch attraktiver wirken zu lassen, wurden unter anderem die Passagierkabinen vergrößert und mit Fenstern ausgestattet, ein Zwischenraum im Gaskörper wurde verbreitert, damit sich die Protagonisten darin bewegen können. Schwingel sagt:

„Wir wollen ja auch eine Geschichte erzählen. Das geht nicht in einem Raum, der im original so klein wäre, dass sich die Kamera nicht mal drehen kann. Das macht mir aber kein schlechtes Gewissen. Es hat ja niemand gesagt: Komm, wir machen den Zeppelin rot, das sieht cooler aus.“

Bild zu: Making of "Hindenburg" (1): Der Abflug verzögert sich um acht JahreIm Gegenteil: Nicht nur das Luftschiff, auch der Film ist an vielen Stellen erstaunlich gräulich-trübe, Farben werden sehr reduziert eingesetzt, ein Halligalli-Katastrophenfilm ist „Hindenburg“ jedenfalls nicht geworden. Allein schon wegen des reduzierten Bauhausstils in der Passagiergondel, an dem sich die Setdesigner orientierten. (Mehr zur Inneneinrichtung beim Zeppelinmuseum.) Deshalb will Schwingel auch den „Titanic“-Vergleich nicht ganz gelten lassen:

„An ‚Titanic‘ war damals natürlich die Herausforderung, das Prunkvolle zu zeigen. Die Hindenburg sah ja in weiten Teilen eher so aus wie eine polnische Autofähre. Schon wegen des zu tragenden Gewichts war kein Platz für Prunk.“

Allen filmischen Interpretationen zum Trotz soll der Film, nachdem er im Fernsehen gelaufen ist, künftig auch im Zeppelinmuseum in Ludwigshafen Friedrichshafen laufen, das Schwingels Team während der gesamten Dreharbeiten mit seinen Fachleuten beratend zur Seite stand.

Vielleicht schauen sich die Passagiere die Geschichte aber besser erst an wenn sie von ihrem Rundflug sicher wieder gelandet sind.

RTL zeigt „Hindenburg“ in zwei Teilen am Sonntag und am Montag um 20.15 Uhr.

Morgen im Fernsehblog: Die Finanzierung – Warum ein Film fürs deutsche Fernsehen auf Englisch gedreht wird.

Fotos: RTL

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9 Lesermeinungen

  1. "künftig auch im...
    „künftig auch im Zeppelinmuseum in Ludwigshafen laufen“:
    das Zeppelinmuseum ist in Friedrichshafen, nicht in Ludwigshafen

  2. pschader sagt:

    @Dominik Wetzel: Natürlich!...
    @Dominik Wetzel: Natürlich! Danke.

  3. Der Artikel (und auch der...
    Der Artikel (und auch der zweite Teil) finde ich durchaus lesenswert. Ich mag es, wenn gute „Geschichten“ über die Entstehung eines Films erzählt werden.
    Das einzige, was ich mich gerade Frage ist, ob ich jetzt die Story über Ikea irgendwie übersehen habe oder Ikea im Artikel einfach nicht vorkommt?

  4. pschader sagt:

    @Bettkantenschläfer: Im...
    @Bettkantenschläfer: Im dritten Teil morgen kommt’s. Gleich am Anfang, versprochen!

  5. Also habe ich nich Ikea...
    Also habe ich nich Ikea überlesen, sondern die Tatsache, dass es einen dritten Teil gibt 😉

  6. Meiner sagt:

    Zitat: "Wir wollen ja auch...
    Zitat: „Wir wollen ja auch eine Geschichte erzählen. Das geht nicht in einem Raum, der im original so klein wäre, dass sich die Kamera nicht mal drehen kann.“… Aha… wie die das damals beim boot bloss hinbekommen haben…? Hm… vielleicht hat man damals einfach noch sein handwerk verstanden…

  7. JP sagt:

    Optisch und technisch ist der...
    Optisch und technisch ist der Film sicher gelungen, vom erzählerischen leider gar nicht! Da hätte man vielleicht den einen oder anderen Euro noch sparen können, wenn man sich nicht auf einen sehr in die Länge gezogenen Zweiteiler, sondern auf einen kompakteren 90 bis 100 minütigen Film konzentriert hätte.

  8. pschader sagt:

    @JP: Das Problem ist nur, dass...
    @JP: Das Problem ist nur, dass für 100-Minüter kein Sender mehr soviel Geld ausgeben würde. Der zweiteiler ist quasi auch schon ein Zugeständnis an die Finanzierbarkeit.

  9. Jan sagt:

    Na, da werden die...
    Na, da werden die Museumsbesucher in Friedrichshafen aber vom Original-Nachbau ziemlich enttäuscht sein, der doch ein bisschen billig im Vergleich zu der Filmversion wirkt. Und viel kleiner und weniger imposant – und dann auch noch in anderen Farben, ich denke da an das blaue Aluminium-Gerippe, das im Film mal wieder grau geworden ist und die Farbgestaltung von Wänden und Boden.
    (Und das Piano ist – wie in der Filmversion von 1975 – auch wieder dabei, obwohl es auf der letzten Fahrt der Hindenburg nicht mehr dabei war.)
    „An ‚Titanic‘ war damals natürlich die Herausforderung, das Prunkvolle zu zeigen. Die Hindenburg sah ja in weiten Teilen eher so aus wie eine polnische Autofähre. Schon wegen des zu tragenden Gewichts war kein Platz für Prunk.“
    Na ja, bei „Titanic“ ging es James Cameron vor allem darum, das Schiff authentisch abzubilden und vor der möglichst authentisch dargestellten realen Katastrophe eine fiktive Geschichte zu erzählen. Da scheinen doch die Ansprüche bei diesem Film eher mehrere Stufen tiefer gelegt worden zu sein, was die (technische) Authentizität angeht. Wie sonst ist zu erklären, dass im Film selbst die Ingenieure davon reden, mit der Hindenburg zu „fliegen“, obwohl nun gerade sie wissen müssten, dass man mit Fahrzeugen, die leichter als Luft sind, „fährt“.
    Wenn man schon soviel Geld für CGI und Sets ausgibt, sollte man doch solche Details auch hinbekommen. Aber fürs Drehbuch war wohl trotzdem mal wieder nicht genug Geld übrig. 🙂

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