- Das Hochzeitsschiff
Das Erste - Der Bäcker NDR
- Ermittlungs-Akte Sat.1
- Deutschland sucht den Superstar RTL
Diesen Menschen ist Schlimmes widerfahren: Irene und Tamer aus Göttingen, Anne und Enrico aus Magdeburg, Michaela und Marian aus Wedel, Maria und Stephan aus Heidenrod. Den vier Pärchen hat nicht nur jemand erzählt, dass es eine gute Idee sei, im Fernsehen zu heiraten. Sie haben sich auch noch dazu überreden lassen, dafür auf der ARD-Glücksgaleere anzuheuern: dem „Hochzeitsschiff“.
So heißt die neue Spielshow des Hessischen Rundfunks im Ersten – oder besser: so hieß sie. Denn mit diesen Quoten ist eine Fortsetzung eher unwahrscheinlich.
Für Sprecher Daniel Werner, der sonst höchst amüsant z.B. durch’s „Perfekte Promi-Dinner“ bei Vox führt, ist es vermutlich kein großer Verlust, wenn er künftig darauf verzichten muss, im öffentlich-rechtlichen Auftrag Reiseprospekttexte zu vertonen – all die „malerischen Inseldörfer mit einsamem Strand“, die „aufregenden Schmelztiegel der Kulturen“ und die „Festivals der Sinne“.
Es sind aber auch heikle Situationen, in die der HR seine Kandidaten da gebracht hat – mit Spielen, die sich die Mitarbeiter der Produktionsfirma höchstwahrscheinlich im Vollsuff auf der Weihnachtsfeier ausgedacht haben. (Kandidaten mit verbundenen Augen in Riesenkakteen nach versteckten Ringen suchen lassen.)
Und während des einwöchigen Drehs gab es nur wenige freie Tage, in denen die Kandidaten auch noch die Cocktailauswahl an Bord, die Sauna, den Whirlpool, das Schwimmbad und das leckere Essen in den Luxusrestaurants vorführen mussten. Das ist doch Folter! Vor allem, wenn Reiseleiterin Kim Fisher mit Klemmbrettchen daneben steht und Sätze sagt wie: „Der Druck ist groß“ / „Ist das aufregend jetzt“ / „Bei allen liegen sämtliche Nerven komplett blank“.
Nee, jetzt mal im Ernst: „Das Hochzeitsschiff“ war Fernsehen für besonders Begriffsstutzige, eine Kreuzfahrt-Dauerwerbesendung, die ihr Publikum permanent unterforderte und dauernd „Höhepunkte“ aus völlig höhepunktneutralisierten Spielen zeigte.
Die Show war so langweilig, dass die Zuschauer auf dem Kreuzfahrtschiff zwischendrin sogar ihre Uhren gestellt haben – ohne überhaupt die ganze Sendung erleiden zu müssen.
Zum Auftakt ließ sich Gaues nicht nur dabei filmen, wie er in seiner Backstube ausführlich erläutert, warum sein Brot und er so toll sind, während die anderen rundherum die ganze Arbeit machen. Nein, er hat sich auch beim Besuch seiner Kunden begleiten lassen, den vielen Promis, die aufs Brot auf Hannover schwören – wie, Sie ahnen’s, der Bundespräsident. Und Johann Lafer, gegen den Gaues wie der zurechnungsfähigste Mensch der Welt wirkt, wenn der Fernsehkoch ihm mit beängstigender Begeisterung die Technikspielereien in seinem automatisch steuerbaren Kochstudio und die Galerie mit den golden eingerahmten Promis präsentiert, die gerade Johann Lafer treffen.
„Diese Sendung ist für Zuschauer mit sensiblem Sprachempfinden nicht geeignet“, müsste vorher eigentlich eingeblendet werden, weil Gaues so viel flucht: aufs „Scheißmehl“, aufs „Scheißbrot“, überhaupt auf alles, was wieder nicht geklappt hat, während er mal einen Tag nicht da war.
Und wenn man mal für einen Moment beiseitelässt, dass das alles genauso gut am Montagabend bei RTL 2 laufen könnte, ist das unterhaltsamer als gedacht (Folge 1 bei ndr.de ansehen).
Meyer sieht aus wie seine eigene Parodie, wenn er weißbehandschuht in einem Labor-Set mit einer vermeintlichen „Rechtsmedizinerin“ spricht, die eine Biggi-Lechtermann-Gedächtnisfrisur trägt und Sätze sagt wie: „Wärmebildkameras reagieren – wie der Name schon sagt – auf Wärme.“ Als sich der Chef anschließend von ihr die „Körperkerntemperatur“ messen lässt, weiß er hochjournalistisch nachzuhaken: „Ich bin ja nicht durchweg 37 Grad warm, da gibt es durchaus Abweichungen.“
Dass es einen dabei vor Lachen schüttelt, ist vor allem dann lästig, wenn man keine Szene verpassen will, in der die Kamera wieder dramatisch um irgendwelche Gegenstände im Vordergrund herumfährt, die den Präsentator kurzzeitig verdecken.
Screenshots: Sat.1
Das Beste kommt natürlich zum Schluss: „Jackpot oder Kackpott.“ Sagt Dieter Bohlen. Exakt: Bei „Deutschland sucht den Superstar“ hat der Recall begonnen (Video bei rtlnow.de). Und abgesehen davon, dass dieser Friedhof der Castingschnipsel inzwischen so maßlos überemotionalisiert und katastrophal künstlich zusammengeschraubt ist, abgesehen auch vom ständigen Rückblickgewitter und Marco Schreyls dröhnenden Ankündigungen, hat sich am Anfang der Samstagssendung herausgestellt, dass die ganze bisherige Show überflüssig war.
Oder ist’s naiv gewesen, einfach so anzunehmen, dass die Kandidaten, die im Casting einen Zettel für den Recall bekamen, auch im Recall singen durften? Wahrscheinlich. 135 Bewerber hat Bohlens Jury in der aktuellen Staffel weitergelassen. Nur 60 davon durften im Recall tatsächlich nochmal ernsthaft antreten. (Oder wie Bohlen gesagt hat: „die Hälfte“.)
Die übrigen hat RTL trotzdem anreisen lassen, um ihnen davon zu erzählen. Das gibt im Fernsehen einfach schönere Bilder.
Soviel für diese Woche.
Screenshots: Das Erste, NDR, Sat.1, RTL
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