Der größte Feind des Individualtouristen ist bekanntermaßen: die Busreisegruppe. Zumindest ist es mit der andächtigen Stille, in der man historische Bauwerke auf sich wirken lassen mag, augenblicklich vorbei, sobald draußen der bunt beklebte Dreiachser hält. Weil es dann keine dreißig Sekunden dauert, bis sich die Pauschalurlauber in die Sehenswürdigkeit ergießen, um während des minutiös geplanten Besichtigungsaufenthalts ein vollständiges Abbild des Gebäudes zu fotografieren, und zwar im Kampf um die beste Position ohne Rücksicht auf menschliche Verluste.
Wie gut, dass es für alle, die diese Gefahr meiden wollen, ersatzweise das Fernsehen gibt.
Andächtige Stille ist dort zwar auch eher selten, und Reportagen, die sich Zeit nehmen, sind der Schreck jedes Programmplaners – aber wenigstens fehlen die Busreisegruppen.
„Nie wieder keine Ahnung“ heißt die dreiteilige Reihe, die der SWR heute in seinem Dritten Programm in die Fortsetzung schickt. (Die erste Staffel widmete sich der Malerei.) Der Titel ist als Versprechen zu verstehen: Drei mal dreißig Minuten sind Zeit, um dem Architektur-Laien zu erklären, wo eigentlich der Unterschied zwischen Gotik und Romanik ist, was den Klassizismus ausmacht, warum sich die komplette Baugeschichte auf fünf Grundstoffe reduzieren lässt und wer in den vergangenen Jahrhunderten die prägendsten Gestalter waren.
Das Prinzip der Sendung beruht auf gnadenloser Reduktion: Jede Epoche, jede Technik und jedes Wirken eines bekannten Architekten wird auf die wichtigsten Fakten reduziert. Van de Meijklokjes stellt die Fragen (Wie hoch kann man bauen? Was ist ein Doppel-T-Träger? Woran erkennt man den Klassizismus?), und Professor Raimund Wünsche, Direktor der staatlichen Antikensammlung und der Glyptothek in München, sowie Architekt Andreas Hild beantworten sie. Mit großer Lust, dabei auch den ein oder anderen Spaß mitzumachen.
Zwischendurch ist auch ein bisschen Zeit zum gemeinsamen Diagucken und Popcornessen. Und einmal, in Versailles, verkörpert der Herr Professor vertretungsweise sogar den Sonnenkönig.
Oder um’s noch etwas klarer zu formulieren: „Nie wieder keine Ahnung“ ist ein hervorragendes Vorbild für alle Programmverantwortlichen bei ARD und ZDF, die bisher nicht daran geglaubt haben, dass es einen Weg gibt, jüngeres Publikum für sich zu begeistern ohne sich dabei an der Machart der Privaten zu orientieren.
Das Problem ist nur: Daran muss sich der SWR künftig halt auch in Zukunft messen lassen.
„Nie wieder keine Ahnung“ zum Thema Architektur läuft ab heute donnerstags um 22.30 Uhr im SWR. Und sicher auch bald jetzt online in der Mediathek. Außerdem haben sich die Kollegen von jetzt.de mit Enie van de Meiklokjes über die Sendung unterhalten.
Screenshots: SWR
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