Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Regionale Kindernachrichten sollen sich endlich lohnen!

| 13 Lesermeinungen

Um nicht immer nur mit Verboten zu drohen, wollen die Landesmedienanstalten Anreize für Privatsender schaffen, damit die gesellschaftlich erwünschte Programme zeigen. Dafür winken Belohnungen, zum Beispiel gelockerte Werbevorgaben. Von den Vorschlägen eines neuen Gutachtens würde derzeit vor allem RTL profitieren.

Am Nachmittag wird auf dem DLM-Symposium „Was soll der private Rundfunk für die Gesellschaft leisten?“ in Berlin ein Gutachten vorgestellt, das von den Landesmedienanstalten in Auftrag gegeben wurde und sich mit einer „Nachjustierung“ der existierenden Medienregulierung beschäftigt: „Anreizmodelle zur Förderung von privaten Public Value-Angeboten“. Bitte lesen Sie trotzdem weiter (und bewundern das neue Logo rechts!), es wird noch spannender.

Bild zu: Regionale Kindernachrichten sollen sich endlich lohnen!Denn das Gutachten, erstellt vom Hamburger Hans-Bredow-Institut, beschäftigt sich mit der Frage, ob es sich lohnt, statt immer neuer Verbote einfach mal Anreize für Privatsender zu schaffen, damit die „gesellschaftlich wünschenswerte Inhalte“ zeigen: zum Beispiel Nachrichten, Sendungen für Kinder und regionale Angebote.

Oder, um’s wissenschaftlicher zu formulieren:

„Ein stärker auf Anreize setzendes System kann dazu beitragen, dass private Rundfunkanbieter nicht ihre Leistungen in bestimmten Bereichen (etwa bei Informationsangeboten) reduzieren.“

Zur Belohnung bekämen die Sender gewisse Vorteile gewährt: dass sie sicher in elektronischen Programmführern gefunden werden, Vergünstigungen in der Infrastruktur und gelockerte Vorgaben für Werbung. Letzteres ist besonders interessant – und der Ansatz ist auch nachvollziehbar: Nachrichten etwa sind für die Sender nicht nur relativ teuer herzustellen, sondern unterliegen auch noch Werberestriktionen. Deshalb sind sie – aus Sendersicht – zunächst einmal nicht besonders attraktiv. Mit einem Ausgleich an anderer Stelle wäre sozusagen eine „Quersubventionierung“ möglich.

An diesem Punkt entwickelt die Studie einen erstaunlichen Vorschlag:

„Theoretisch können auch Senderfamilien programmübergreifend Adressat von Lasten und Privilegien sein. (…) Bei Werbeerleichterungen sind programmübergreifende Ansätze denkbar.“

Das würde bedeuten: Wenn sich die Mediengruppe RTL Deutschland dazu entschlösse, lokale Nachrichten bei n-tv zu zeigen, sagen wir: sonntagmorgens um 8.30 Uhr, könnten der Gruppe dafür zusätzliche Werbefreiheiten im Abendprogramm von RTL gewährt werden? Dann wird in Köln wahrscheinlich schon unter Hochdruck am Aufbau von Lokalredaktionen für Castrop-Rauxel und Villingen-Schwennigen gearbeitet – denn es wäre eine Riesendummheit, sich dieses Geschäft entgehen zu lassen. Was kann RTL Besseres passieren: Es zeigt die „gesellschaftlich erwünschten“, quotentechnisch aber schwierigen Inhalte in der Sparte und profitiert mit zusätzlicher Werbezeit in seinem Vollprogramm.

Aus der Perspektive der Zuschauer ist das weniger nachvollziehbar. Aber wer denkt schon an die Zuschauer?

Wie gesagt: Zunächst einmal sind es nur Vorschläge, und das Anreizsystem an sich ist auch gar nicht übel. Die Studie wagt sich aber noch weiter vor: mit so genannten „Paketen“, in denen Verpflichtungen und Vergütungen sozusagen bereits vorkonfektioniert sind. Vorgeschlagen werden unter anderem ein „Paket Informationsangebote in Nachrichten-Spartenprogrammen“ und ein „Paket Kindersendungen“, die „Werbeerleichterungen in anderen Programmteilen“ beinhalten. Falls mit „Programmteilen“ die übrigen Sender einer Gruppe gemeint sind, knallen in der Geschäftsführung von RTL gleich nochmal die Sektkorken – weil man dann bald für etwas belohnt werden könnte, dass man (mit n-tv und Super RTL) sowieso schon macht.

Pro Sieben Sat.1 wird sich hingegen schwarz ärgern: Im vergangenen Jahr hat Vorstand Thomas Ebeling N24 verkauft, und Neun Live als kindgerechtes Programm werten zu lassen, dürfte schwierig werden.

RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt warb bereits vor über einem Monat für ein neues „Anreizsystem“. In Kenntnis des Gutachtens der Landesmedienanstalten ist das nicht mehr ganz so überraschend, weil ihrer Sendergruppe mit dieser Grundlage beim jetzigen Status Quo (und vorausgesetzt, die Vorschläge würden umgesetzt) nicht nur mit einer massiven Bevorteilung rechnen könnte, sondern auch die Konkurrenz in München ziemlich alt aussehen ließe.

Es sei denn, die castet heimlich, still und leise schon Moderatoren für die neuen regionalen Kindernachrichten bei Sat.1.

Logo: ALM

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13 Lesermeinungen

  1. Raoul sagt:

    Das kann ich mir gut...
    Das kann ich mir gut vorstellen, dass sich RTL & Co. schon freuen. Ein wenig Lokales aus Castrop-Rauxel und schon mehr Werbeblöcke in der Prime Time. Da verwundert mich das neue Logo der Landesmedienanstalten nicht mehr – ähnlich innovativ und zukunftsweisend wie die geschilderte Idee.

  2. Muriel sagt:

    Bekomme ich hier irgendwas...
    Bekomme ich hier irgendwas nicht mit, oder ergibt das wirklich keinen sinn?
    Das duale Rundfunksystem ist doch eben gerade so gedacht, dass auf der einen Seite die ÖR-Sender die Angebote sicher stellen, die sich wirtschaftlich nicht so lohnen, während auf der anderen die Privaten den Massenmarkt bedienen. So ganz grob gesagt. Oder?
    Warum muss man denn jetzt noch Mühe darauf verwenden, die Privaten dazu anzureizen, weniger den Massenmarkt zu bearbeiten und mehr wie die ÖR-Sender zu werden?
    Wäre es nicht auch viel einfacher, dafür zu sorgen, dass die ÖR-Sender wieder ein bisschen mehr wie ÖR-Sender werden?

  3. pschader sagt:

    @Muriel: Hast du falsch...
    @Muriel: Hast du falsch verstanden, ja. Weil eben auch von privaten Fernsehveranstaltern, so ist es bisher gesellschaftlicher Grundkonsens (wenn auch nicht bei allen Zuschauern), eine gewisse Verantwortung verlangt werden darf. Man kann natürlich diskutieren, ob wir das wirklich weiter so sehen wollen oder in den Wind zu schießen gedenken.
    Unabhängig davon lautet die Antwort auf deine letzte Frage: nein. Einfacher wäre das bestimmt nicht. (Schon allein wegen der – theoretischen – Programmautonomie.)

  4. pschader sagt:

    Übrigens: Kommt sonst noch...
    Übrigens: Kommt sonst noch jemandem das neue Medienanstaltenlogo mit den drei zusammenhängenden Quadraten bekannt vor?

  5. Muriel sagt:

    @Peer Schader: Danke schön....
    @Peer Schader: Danke schön. Ich verstehe deinen Einwand, auch wenn ich diesen gesellschaftlichen Grundkonsens zumindest so nicht teile, wie du ihn mutmaßlich meinst. (Eine gewisse Verantwortung sollte man von jedem verlangen, aber ich denke nicht, dass die sich so ausprägen sollte, wie es hier vorgeschlagen wurde.) So würde ich ihn in der Tat sehr gerne und möglichst bald in den Wind schießen. Aber diese Diskussion gehört hier vielleicht nicht hin.
    Was meine letzte Frage angeht: Ich denke, das kommt darauf an, wie man es nimmt und wer es versucht. Für die Landesmedienanstalten wäre es in der Tat nicht einfacher, da muss ich dir Recht geben. Ich habe das eher gesamtgesellschaftlich gemeint.

  6. pschader sagt:

    @Muriel: Ich finde, dieses...
    @Muriel: Ich finde, dieses Diskussion gehört hier auf jeden Fall hin! Wohin denn sonst? Also: nur zu! Wie sehen’s die anderen? Privatsender von Relevanzpflichten befreien?

  7. Muriel sagt:

    @Peer Schader: Ich meinte ja...
    @Peer Schader: Ich meinte ja nur, weil ich dauernd mit meinem Gemoser hier ankomme und ja doch immer nur das Gleiche sage.
    Aber wenn’s dich nicht stört, würde ich gerne noch die Frage dazuwerfen, wer eigentlich festlegt, was Relevanz ist und warum wir sie gerade im Rundfunkbereich oft so weitgehend abgekoppelt von dem betrachten, was der Markt gerne hätte.
    Wer darf denn sagen, dass Regionalnachrichten (die ich zum Beispiel mir nicht mal für Geld ansehen würde, wenn es nicht sehr viel wäre) relevanter sind als Galileo oder Deutschland sucht den Superstar (die ich mir zugegebenermaßen nur für noch viel mehr Geld ansehen würde)? Für wen relevant? Für was?

  8. pschader sagt:

    <p>@Muriel: Naja, aber du hast...
    @Muriel: Naja, aber du hast doch auch eine Vorstellung davon, was du von den öffentlich-rechtlichen Sendern erwartest. Und es sagt ja keiner, dass „Galileo“ nicht auch relevant sein kann bzw. die Medienwächter das so sehen würden. Gestern lief zum Bsp. der Beitrag: „Kann man Atomkraftwerke einfach abschalten?“

  9. Muriel sagt:

    @Peer Schader: Ich glaube,...
    @Peer Schader: Ich glaube, dass ich ungefähr weiß, was du meinst, obwohl ich persönlich von den ÖR-Sendern eigentlich nicht viel erwarten außer ihrer möglichst baldigen Auflösung (wissend, dass ich da enttäuscht werde).
    Mir ist nur einfach nicht klar, wo dieser Drang herkommt, anderen vorschreiben zu müssen, was für sie relevant sein soll und was nicht. (Ich unterstelle ihn nicht unbedingt dir persönlich, dafür kenne ich dich nicht gut genug.)

  10. BloodyFox sagt:

    MIr wär das ziemlich egal, ob...
    MIr wär das ziemlich egal, ob die von der Relevanzpflicht befreit werden oder nicht, so wenig wie ich deutsches Fernsehen schaue. Aber wenn man sich das mal so überlegt: Die ÖR orientieren sich bereits jetzt schon in großen Teilen an den privaten Sendern, da möchte ich mir nicht ausmalen, wie das dann wird, wenn die Privaten komplett freidrehen dürfen.

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