Das Fernsehblog

Die Woche im Fernsehen: Kuschelweich auf Ex

Die Sendungen
  • Jugendliebe RTL
  • Iss oder quizz ZDFneo
  • Marco W. Sat.1
  • Eins gegen Eins Sat.1
  • Biss zur großen Pause Pro Sieben

Schwierige Entscheidung diese Woche: mit Veronica Ferres anfangen oder doch mit Inka Bause? Mit einem vieltalentierten Star, der deutschlandweit geschätzt wird – oder, wie gesagt, Veronica Ferres? Hm.

Na gut, sie hat es sich redlich verdient, endlich einmal Hauptperson dieser kleinen Kolumne zu sein. Schließlich musste Bause eine ganze Flasche Kuschelweich auf Ex trinken, um nachher mit nostalgiebeschwipster Stimme die Texte zu ihrer neuen Sendung „Jugendliebe“ einsprechen zu können (Folge 1 bei rtlnow.de ansehen). Und wer bisher dachte, bei „Bauer sucht Frau“ oder „Schwiegertochter gesucht“ sei die Auswahl der Hintergrundmusik schon unerträglich, der hat am Sonntag nicht sehen müssen, wie RTL zu „Can’t live without you“, „My heart will go on“, „Love lifts us up where we belong“ und „It must have been love“ erwachsene Menschen mit ihren Teenagerschwärmen wiedervereinte, von denen zwei (von zwei) inzwischen anderweitig glücklich liiert sind.

Die Idee zur Sendung ist bloß eine Variation bekannter Überraschungsshows im Dokusoap-Mäntelchen, aber generell ist es ja nicht verkehrt, wenn das Fernsehen Menschen zusammenführt, sofern diese als Gegenleistung akzeptieren, ihre Tränen in 16:9 zu weinen.

Und deshalb ist es auch nicht das Konzept, sondern erst die brechreizanregende Umsetzung, die Bauses „Jugendliebe“ unerträglich macht. Das liegt zum einen daran, dass RTL die Erinnerungen der Protagonisten hat nachspielen lassen, sodass Rolf mit seinen 65 Jahren nicht einfach erzählen darf, wie er in den 60ern Karin kennengelernt hat, bevor sich die beiden aus den Augen verloren. Nein, RTL illustriert das mit vor Kitsch triefenden Traumsequenzen, in denen zwei als 60er-Jahre-Paar verkleidete Jungschauspieler in eine Pappkulisse mit lustigen Tapetenmotiven gestellt wurden, bevor sich das echte Ex-Paar in einer Seekneipe vor Spielautomatenkulisse treffen darf.

Noch dazu glänzen Bauses Moderationssätzchen ohne die ironiebemühten Alliterationen in ihrer ganzen Schablonenhaftigkeit so sehr als seien sie gerade von einem Artzroman ausgekotzt worden. „Aus dem 15-Jährigen ist ein attraktiver Mann geworden“, raunt Bause, als Nadine ihre ehemalige Schulliebe Dominic wiedertrifft. Und vorher: „Nadine quält eine große, unerfüllte Sehnsucht.“ Dabei quält Nadine bloß eine krankhafte Fixierung auf ihren Ex-Freund, von dem Bause natürlich wissen will, wie lange er mit ihr zusammen war: „Drei, vier Wochen“, sagt die heute 27-Jährige. Tja. Klar, dass man allen Männern danach erstmal erklären muss, sie nicht heiraten zu können, weil irgendwo vielleicht noch ein gleichaltriger Holländer wartet.

„Manchmal muss man in die Vergangenheit reisen, um bereit für die Zukunft zu sein“, klöppelt sich Bause zum Schluss ins TV-Poesiealbum. Vielleicht wäre das auch mal ein schöner Grundsatz fürs RTL-Programm.

Während Bause die Menschen zusammenführt, hat Senna Guemmour großen Spaß daran, sie auseinander zu bringen. Und zwar werktäglich bei ZDFneo. „Iss oder quizz“ heißt die Show, in der die Ex-Monrose-Sängerin mit dem Kollegen Lutz van der Horst ganz normale Restaurantbesucher dazu anstiftet, sich verkabeln zu lassen und die per Knopf im Ohr erteilten Anweisungen auszuführen, um die nichtsahnende Begleitung zu ärgern und 1000 Euro zu gewinnen.

„Das ist bestimmt seine Sekretärin“, zischte Guemmour in der ersten Sendung (Video in der ZDF-Mediathek)  als ein Herr mit deutlich jüngerer Begleitung auftrat, und als sich später herausstellte, dass es seine Ehefrau ist, raunte Guemmour ihrem Kandidaten mit der falschesten aller Freundlichkeiten zu: „Och wie schön – sechs Jahre verheiratet!“

Das Prinzip der Show hört sich nach einer Mischung aus „Quiztaxi“ und „Schillerstraße“ an, ist aber vor allem: blöd. Es sei denn, man mag herzlich darüber lachen, wie wildfremde Leute die Ergebnisse von Rechenaufgaben in ihr Gespräch einbauen, sich auffällig in der Nase bohren oder mit der Gabel den Rücken kratzen. Per versteckter Kamera beobachten die beiden Anstifter das Geschehen hinter den Kulissen und lachen sich kaputt: Der Partner guckt ganz doof! Hahaha. Viel lustiger ist eigentlich nur, dass ZDFneo sich langsam darauf zu konzentrieren scheint, Sendungen zu machen, die selbst Kabel 1 zu blöd gewesen wären.

Und man muss im vergangenen Jahr nur wenige Minuten von „Jumbos Würstchenmillionär“ gesehen haben, um zu wissen, was das bedeutet.

Damit sind wir endlich bei Veronica Ferres, die im Sat.1-Erfolgsfilm „Marco W. – 247 Tage im türkischen Gefängnis“ diese Woche das spielte, was sie am besten kann: eine weinende Mutter in einer Ausnahmesituation. Dass sie dabei fast gar nicht gestört hat, muss man den Verantwortlichen des Films durchaus zugutehalten, auch wenn ihr Werk klar aus der (Unschulds-)Perspektive des Hauptprotagonisten erzählt ist und über den Fall nichts Neues verrät. Dafür hat man den Titel quasi wörtlich genommen: von den 247 Tagen im türkischen Gefängnis wird jeder einzeln erzählt – zumindest kommt es einem als Zuschauer nach einer Weile so vor, wenn abwechselnd verhandelt, geweint, untersuchungsinhaftiert und die fremde Sprache nicht verstanden wird.

Die Szenen aus dem grün-schwarzen Verbrecherverlies, in dem der damals 17-Jährige mit Drogen, Dreck und Gewaltexzessen konfrontiert wurde, sind dabei durchaus beeindruckend umgesetzt und von Darsteller Vladimir Burlakov ziemlich echt gespielt. Viel mehr als das hat die Sat.1-Version (die auf sat1.de angesehen werden kann) vermutlich auch gar nicht leisten wollen.

Die Frage ist nur: Was will Claus Strunz? Eine politische Talkshow bei einem Sender moderieren, bei dem in den vergangenen zwölf Jahren noch jede politische Talkshow gefloppt ist? Offensichtlich. Also hatte der Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“ in dieser Woche nicht nur Premiere mit seiner neuen Sendung „Eins gegen Eins“ (deren Bühne aus einer Mattel-Spielesammlung gefallen zu sein scheint), sondern auch große Mühe, zwischen Guido Westerwelle und Gabor Steingart zu Wort zu kommen. „Ich will noch einen Satz hinzufügen“, erklärte Westerwelle als Strunz ihn gerade unterbrechen wollte, und Strunz erlaubte: „Einen!“ Worauf Westerwelle in die diplomatischen Verhandlungen einstieg: „Zwei!“

Eine „Arena der Argumente“ hatte der Moderator zu Beginn der Sendung versprochen (Video bei sat1.de). Wer nochmal nachschlägt, was das Wort im Ursprung bedeutet, der versteht auch, warum die Sendung allen Aufpeppbemühungen zum Trotz demnächst in der Bedeutungslosigkeit versanden dürfte.

Schwestersender Pro Sieben freut sich derweil über einen außerordentlichen Reichtum: so viele schlechte Gags hat sonst keiner im Programm. (Obwohl gerade die Serie von Mirja Boes auf RTL wiederholt wird.) Und von den meisten weiß der Sender auch noch, dass sie schlecht sind.

Sie gehören nämlich ganz offiziell zur Trash-Gag-Sparte, die mit der „Pro Sieben Märchenstunde“ vor fünf Jahren etabliert wurde und seit 2008 in Spielfilmlänge als „Funny Movie“ in loser Reihenfolge fortgesetzt wird. Derzeit laufen wieder neue Filme, und welch großes Vertrauen der Sender diesen entgegenbringt, erkennt man schon an der Programmierung samstagabends gegen „DSDS“ und „Wetten dass…?“ Insofern hatte es der Genremischklamauk „Biss zur großen Pause“ am Wochenende nicht besonders leicht, sich beim Publikum durchzusetzen. Und falls Sie jetzt glauben, hier folgte auch nur ein böses Wort über den Versuch, die erfolgreiche „Twighlight“-Reihe mit Elementen aus „Highschool Musical“ zu kombinieren, dann – haben Sie sich aber gewaltig getäuscht!

Immerhin braucht es einen geradezu gewaltigen Mut, eine Vampirfamilie von Transsylvanien in die „Hysteria Lane“ einer amerikanischen Vorortsiedlung auswandern zu lassen (als die man eine deutsche Vorortsiedlung notdürftig verkleidet hatte), Vampir 1 auf dem Flug „Sind wir bald da? Die Stewardess ist leer“ sagen und Vampir 3 als Mahner nach der Blutsaugerei auftreten zu lassen: „Räum dein Leergut weg!“ (Film bei prosieben.de ansehen).

Dass, während Vampir 2 sich ins vermeintlich hässliche Entlein der Schule verliebt, reichlich gesungen wird, nämlich „Kiss“ von Prince und „Don’t touch this“ von Mc Hammer in einer deutschen Witzversion („Biss“ und „Weil’s Quatsch ist“), gibt zusätzliche Mutprobenpunkte.

Und das hat auch gar nichts damit zu tun, dass Vampirjäger Van Hellbring zwischendurch einen nervenden Journalisten erstechen durfte. Äh. Also: sehr, sehr schöner Film. Weiter so, Pro Sieben!

Soviel für diese Woche.

Screenshots: RTL, ZDFneo, Sat.1, Pro Sieben

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