Es gibt gewisse Dinge, die im Laufe der Zeit zu einer echten Seltenheit geworden sind: die blaue Mauritius, die Erstausgabe des „Superman“-Comics, der letzte TV-Erfolg von Oliver Geißen. Um eine ebensolche Rarität handelt es sich bei dem folgenden Bild. Erkennen Sie’s?
Erstes „P“-Logo im RTL-Programm: „Das Supertalent“ vom 18. Dezember 2010 / Screenshot: RTL
Der Screenshot zeigt die erste Einstellung des „Supertalent“-Finales aus dem vergangenen Dezember und zugleich die erste Einblendung des Hinweises „Unterstützt durch Produktplatzierungen“ im Programm von RTL. Nach Angaben des RTL-Vermarkters IP Deutschland war es bisher auch die einzige. Geworben wurde für Microsofts Xbox 360, die das Placement eigentlich für den Boxkampf Wladimir Klitschko gegen Dereck Chisora gebucht hatte, der jedoch – wegen einer Verletzung Klitschkos – kurzfristig abgesagt wurde.
Stattdessen lieferte RTL seinem Werbekunden – einen Achtjährigen.
„Daniele ist fleißig. Er übt jeden Tag mit Kinect für die Xbox 360“, erklärte Moderator Marco Schreyl im ersten Einspielfilm, mit dem der junge Michael-Jackson-Imitator in der Sendung vorgestellt wurde. Daniele hüpfte dazu vor dem Fernseher herum und lobte ein Xbox-Tanzspiel: „Das ist cool. Man lernt was draus und es macht Spaß.“ In der Ecke stand gut sichtbar der Xbox-Karton herum. Und Schreyl meinte: „Mit Kinect für die Xbox im Gepäck kann doch jetzt nichts mehr schief gehen.“
„Man lernt was draus und es macht Spaß“: Xbox-Placement im „Supertalent“ / Screenshots: RTL
Vielleicht ist es ganz gut, dass sich RTL mit seinem ersten Placement so viel Zeit gelassen. Denn auch für eine kurzfristige Notlösung gehört diese Produktintegration ja wohl eher in die Kategorie „peinliche Plumpheiten“.
Seit genau einem Jahr erlaubt der Rundfunkstaatsvertrag privaten Sendern, Produkte von Werbekunden ins Programm zu nehmen und sich dafür bezahlen zu lassen, freilich unter Berücksichtigung gewisser Regeln. Und nach den vielen kleinen Bilanzen in diesem Blog wollen wir uns jetzt mal anschauen, was das erste Jahr wirklich gebracht hat – den Sendern (und später auch: den Produzenten und den Zuschauern).
Während sich RTL und IP Deutschland wie gesagt sehr viel Zeit ließen und arg zurückhielten, war Pro Sieben Sat.1 mit seinem Kreativvermarkter Seven-One Ad Factory experimentierfreudiger. Gerade mal 10 Tage brauchte Pro Sieben, um bei „Schlag den Raab“ das erste Marken-Placement unterzubringen, die kreative Anstrengung dafür hielt sich (wie an dieser Stelle bereits geschildert) allerdings ins Grenzen. Im ersten Jahr haben die Sender der Gruppe nach Auskunft ihres Vermarkters 25 Placements gezeigt – beziehungsweise: ausprobiert. Denn an vielen Stellen holpert die neue Werbeform noch gewaltig.
Dazu gehören weniger Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“, wo nun erstmals erlaubt und gekennzeichnet ist, was Pro Sieben vorher schon jahrelang als gängige Praxis etabliert hat und von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg großzügig übersehen wurde.
Spannender hingegen war die Markeneinbindung bei der Castingshow „Fashion & Fame“, in der Pro Sieben junge Designer castete, um ihnen einen Job bei einem neuen Label des Vorbilds Philipp Plein zu bieten. Denn „Fashion & Fame“ war die erste Sendung im deutschen Fernsehen, deren Konzept ganz klar auf die Partnerschaft mit dem Placement-Kunden zugeschnitten war, in diesem Fall dem Versandhändler Otto, der auch in der Vergangenheit bereits mit allerlei Werbeexperimenten auffiel (und sich nicht weiter daran störte, dass die damals noch verboten waren).
Kein Erfolg für Pro Sieben: die Placement-Show „Fashion & Fame“ / Screenshot: Pro Sieben
Am Ende jeder „Fashion & Fame“-Folge wählte die Jury einen der Kandidaten zum Sieger, der das beste Accessoire der Woche entworfen und geschneidert hatte. Im Anschluss an die Sendung war das Gewinnerstück bei Otto zu bestellen.
So perfekt die Symbiose zwischen Programm und Werbung auch ausgetüftelt war: die Sendung ist beim Publikum grandios gefloppt und von Pro Sieben bereits nach der zweiten Woche vom Donnerstagabend auf den Samstagvorabend strafversetzt, wo sie einen einsamen Quotentod starb.
Das Pech für Seven-One Ad Factory: „Fashion & Fame“ war schon die zweite große Placement-Pleite im ersten Jahr. Die erste ereignete sich bereits im August bei „Deutschlands Meisterkoch“, für das die Handelskette Real und der Elektrogerätehersteller Siemens Hausgeräte gewonnen wurden. Wegen schlechter Quoten verpflanzte Sat.1 die Sendung vom Freitagabend ebenfalls auf den Samstagvorabend. Dabei war nicht nur die Show sehr ordentlich produziert, auch das Placement wurde geradezu vorbildlich – vor allem aber: viel unaufdringlicher als etwa beim „Supertalent“ von RTL – in die Sendung integriert. (An dieser Stelle ist das bereits ausführlicher beschrieben.)
Hübsch platziert, nix genutzt: „Deutschlands Meisterkoch“ warb mit Real und Siemens / Screenshot: Sat.1
Anfang Januar veröffentlichte Seven-One Media eine Begleitforschung zu dem Placement-Experiment und lobte sich per Pressemitteilung selbst: Bei den 350 Befragten habe es eine „hohe Akzeptanz“ gegeben und „starke Imageeffekte“ für die beiden Marken.
Wer sich die Ergebnisse noch einmal genauer ansieht, erkennt aber auch die Probleme (aus Sicht von Sender und Vermarkter): Lediglich 6 % der Befragten konnten sich ungestützt (also ohne Auswahlvorgabe) an das Placement von Real erinnern. (Gestützt waren es 32 Prozent.) Besser waren die Werte bei der Erinnerung an das zusätzliche Sponsoring der Sendung (inklusive Placements): 23 Prozent. Die klassischen Spots in der Werbepause hatten hingegen noch 44 Prozent im Kopf (ebenfalls ungestützt). Ein großes Kompliment für die Placements ist das nicht.
Vor allem aber ist zu befürchten, dass künftige Produktplatzierungen deutlich aufdringlicher sein werden, damit sie die Zuschauer besser erkennen, obwohl ein Produkt den Werberichtlinien der Landesmedienanstalten „nicht zu stark herausgestellt“ sein darf. (Was immer das zu bedeuten hat.)
In Sachen Kreativität geht Sat.1 aber in jedem Fall als Sieger aus dem ersten Placement-Jahr hervor, nicht nur wegen „Deutschlands Meisterkoch“, sondern auch wegen „Anna und die Liebe“. Für die Soap entstand die Idee, die neue Kampagne der Café-Kette McCafé von der (fiktiven) „AudL“-Werbeagentur Broda & Broda entwickeln zu lassen. Während das in den Agenturszenen der Daily Soap über mehrere Folgen hinweg Thema war, ließ McCafé in Großstädten erste Plakate mit dem neuen Claim kleben. Statt des eigentlichen Produkts wurde also die – echte – Werbekampagne in der Sendung untergebracht (siehe Video-Ausschnitt auf Myvideo.de).
Auch die kleineren Sender sammelten erste Erfahrungen mit Placements: Der RTL-2-Vermarkter El Cartel Media brachte unter anderem ein Placement für das Ubisoft-Spiel „Just Dance 2“ in der Musikshow „The Dome“ unter. Und Kabel 1 blamierte sich mit einer Produktplatzierung in „Jumbos Würstchenmillionär“, auf die man auch erstmal kommen muss. Na, was glauben Sie: Welcher Partner passt perfekt zu einer Sendung, in der ein Team gesucht wird, das die perfekte Currywurst zubereiten kann? Ganz genau: ein Baumarkt!
Irgendwie muss es Seven-One Ad Factory geschafft haben, der Baumarktkette Obi einzureden, es sei für das Unternehmen von Vorteil, in eine lieblos inszenierte Kabel-1-Castingshow integriert zu werden. Also spielte sich ein großer Teil der Sendung anfangs auf einem Baumarktparkplatz ab, wo die Kandidaten von Jurychef Jumbo Schreiner baufällige Imbisswagen präsentiert bekamen, die sie renovieren mussten. Mit begrenztem Budget und vorgegebener Zeit durften sie sich dafür natürlich im Baumarkt ausstatten.
Die Sieger der Show bekamen am Ende nicht nur ihren eigenen Imbisswagen geschenkt, sondern auch die Erlaubnis, damit für zwei Jahre auf einem Obi-Parkplatz zu stehen.
Eine Show wie vom Baumarktparkplatz: Kabel 1 und der „Würstchenmillionär“ mit Obi / Screenshots: Kabel 1
Ein Erfolg war auch diesem Placement nicht vergönnt, zumindest nicht im Fernsehen: „Jumbos Würstchenmillionär“ startete mies und bekam von Kabel 1 schon in Woche zwei die Sendezeit um fast die Hälfte gekürzt.
Die gute Nachricht ist: Wenigstens der „Curry Rakete“ auf dem Obi-Parkplatz in Köln-Godorf scheint es ganz gut zu gehen.
Wie die Product-Placement-Bilanz für Produzenten und Zuschauer ausfällt, steht wahrscheinlich am Freitag im Fernsehblog.
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<p>Witzig, dass das Wort...
Witzig, dass das Wort „Produktplatzierungen“ in Deutsch eingeblendet wird und nicht auf ganz cool gemacht wird und der englische Begriff verwendet wird.
@UweKeim: Die Werberichtlinien...
@UweKeim: Die Werberichtlinien der Landesmedienanstalten schlagen die Formulierung „Unterstützt durch Produktplatzierungen“ vor.
Wo bleibt eigentlich die...
Wo bleibt eigentlich die jährliche Jammerei zum Weltsauentag? Gegenargumente hier:
https://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33084/1.html
Ich habe mich schon gewundert,...
Ich habe mich schon gewundert, warum in diesem Blog kein Wort über die unsägliche Echo-Verleihung verloren wurde. Nach dem „Kuschelweich auf Ex“ hatte ich das eigentlich erwartet.
Und der Echo war wohl der schlimmste Show-Event in letzter Zeit….
Gerade habe ich den Grund gefunden?! Herr Niggemeier war selber als Autor an der Show beteiligt.
Sorry, aber jetzt sehe ich diese Kolumne in anderem Licht. Man kann nicht Journalist sein und dann selber mitstricken und wenns schief geht, wird vornehm geschwiegen.
Ich fürchte, Ihr habt jetzt ein Glaubwürdigkeitsproblem! Na, zumindest dürfte das für Inka Bause ein Trost sein.
Interessant ist, dass...
Interessant ist, dass Produktplatzierungen nur bei 6 % der Zuschauer hängen bleiben, wenn niemand sie darauf stößt. Das heißt also, dass durch die Legalisierung dieses Vorgangs ein Problem gelöst wurde, dass 94 % der Zuschauer gar nicht erkannt haben bzw. für so unwichtig hielten, dass sie es gleich wieder verdrängt haben.
Hätte man einen solchen Test nicht mal mit den illegalen Vorläufern machen können, um zu sehen, ob das überhaupt funktioniert. Dann wären uns diese Sendungen oder zumindest ihre Konzeption in der gezeigten Form erspart geblieben (und ich nehme da gelungene Einbindungen mal raus). Werbung, die als solche nicht gekennzeichnet ist, bleibt nicht hängen. Gibt es irgendwelche Reaktionen der Werbeindustire dazu?
Spannend ist auch, die...
Spannend ist auch, die empfundene Selbstverständlichkeit bei den Sendern im Zeitverlauf zu beobachten: Während es in der frühen Phase des legalen Product Placements noch erstlinig darum ging, möglichst smart zu verstecken, ist PP mittlerweile im Tagesgeschäft angekommen und – wenn gut gemacht – schon lange kein Aufreger mehr, wie ihr richtig geobachtet. Hier das angesprochene Review aus der Anfangsphase:
https://stenographique.wordpress.com/2010/06/06/product-placement-tv-gesetz-missbrauch/
Das war 2 Monate nach der Einführung, also aus 06/2010, und betrachtet den Einsatz am Beispiel SIXX.
@W.Cohrs: Ich weise immer...
@W.Cohrs: Ich weise immer wieder gerne darauf hin, dass der Kollege Niggemeier und ich zwei verschiedene Personen sind. Dazu hätte er es sicher sehr gut ertragen, wenn ich die Echo-Verleihung in der Kolumne verbraten hätte. Ich hatte bloß keine Lust, mir drei Stunden die Show anzusehen. Meinen Sie, das ginge in Ordnung? Und können wir das vielleicht beim nächsten Mal unter dem Eintrag diskutieren, zu dem es gehört? Danke.
@mcsteed: Guter Aspekt, aber...
@mcsteed: Guter Aspekt, aber die Sender argumentieren ja, dass PP im Zusammenspiel mit klassischer Werbung funktioniert, dass das Placement also quasi die Erinnerungsleistung an die anderen Formen unterstützt und deshalb alleine gar keine Wirkung zu haben braucht. Oh, ich könnte Lobbyist werden, merke ich gerade.
Interessant ist vielleicht...
Interessant ist vielleicht noch, daß die Produktplatzierungen inzwischen auch bei sky angekommen sind. Einige Filme von Warner Bros. wurden in den letzten Wochen mit dem entsprechenden Hinweis ausgestrahlt.
https://www.youtube.com/watch?v=KHI7VZJnI5Q
@BlueKO: Danke für den...
@BlueKO: Danke für den Hinweis! Das kommt davon, wenn man gänzlich ohne Pay TV lebt. Falls es aus der Leserschaft noch mehr Sichtungen gibt: nur zu!