- Feste feiern:
Buga 2011 SWR - Ein Medium sucht Spuren RTL 2
- Undercover Boss RTL
- Wer rettet
Dina Foxx? ZDF - Deutschland akut N24
Hach, ist das schön da draußen. Alles blüht, die Sonne scheint, und in der Luft liegt der süße Duft blinder Begeisterung. Zumindest in und um Koblenz, wo am vergangenen Wochenende die Bundesgartenschau eröffnet wurde, auch wenn man angesichts der Berichterstattung des SWR hätte denken können, die Stadt sei zur Metropole eines neuen Kaiserreichs ausgerufen worden.
In einer Spezialausgabe der Schwärm- und Jubelsendung „Feste feiern“ präsentierte Moderatorin Judith Kauffmann (deren Haarfarbe beinahe nahtlos in die ihres Hosenanzugs überging) nicht nur die schönsten Blumenarrangements in der Stadt sowie dem Festungsgelände auf der anderen Rheinseite.
Der Buga-Geschäftsführer musste sich nach der offiziellen Buga-„Hymne“ („Koblenz, du Koblenz, erblüh in vollem Glanz“) nicht ganz so kritische Fragen gefallen lassen, weil Kauffmann beim Interview in der neu gebauten Seilbahn erstmal „Gänsehaut“ bekam und ihren Gesprächspartner dann aufforderte: „Stellen Sie Ihr Licht doch nicht so unter den Scheffel!“, wonach der Mann („so ein Macher!“) sich endlich traute, die „guten Eintrittspreise“ zu loben.
Am härtesten ist man beim SWR aber natürlich im Umgang mit dem eigenen Haus, das in der Sendung reichlich berücksichtigt wurde, zum Beispiel in Form des unbedingt sehenswerten SWR-Pavillons auf dem Buga-Gelände, dem tollen SWR-Medienschiff auf dem Rhein und der sympathischen SWR-Landessenderdirektorin Simone Sanftenberg. „Wie geht’s Ihnen?“, fragte die Journalistin (Foto oben). Sanftenberg aber behielt die Ruhe und konterte: „Ich hab mir schon gedacht, dass Sie so was fragen!“ Nachher zog Kauffmann die Schrauben noch einmal an: „Wir sind der Sender, der ganz Deutschland mit diesen schönen Bildern versorgt. Das ist eine Verantwortung. Ist es auch eine Last?“
Nun verlangt ja niemand vom SWR, die Eröffnungsfestivität einer Gartenausstellung nicht auch mit schönen Bildern zu schmücken und stattdessen ein Politmagazin draus zu machen.
Wenn sich ein Sender allerdings als Außenstelle der Touristikzentrale mit Zuständigkeit Bewegtbildpropaganda versteht, ohne auch nur am Rande darauf zu verweisen, dass die Ausstellung samt sündhaft teurer Seilbahn in der Stadt höchst umstritten war, ist das exakt die Art Rentnerfernsehen, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein massives Glaubwürdigkeitsproblem beschert.
So aufklärerisch gut gemeint das Anliegen aber sein mag – der Film, der die Zuschauer in die Geschichte reinziehen soll, ist viel zu vollgestopft mit Charakteren, Ereignissen und Referenzen, noch dazu wirr geschnitten und mit peinlichen Momenten gespickt (in der ZDF-Mediathek ansehen).
„Sie können sich ja noch richtig ereifern!“, sagt der Anwalt im grau-blau eingefärbten Knast, worauf seine Mandantin erwidert: „Ja, weil ich noch ein Herz hab.“ Und in einem Rückblick regt sich einer von Dinas Freunden beim gemeinsamen Abendessen von null auf hundert auf, verflucht die Gastgeberin als „Industrienutte“ und beginnt den interessanten Dialog: „Leck mich!“ – „Leck du mich!“ – „Jesus!“
Vielleicht lohnt sich’s, in den kommenden zweieinhalb Wochen online nachzusehen, ob sich alle wieder ein bisschen abgeregt haben
In dieser Woche wurde der Chef eines Franchise-Pizzalieferservices zum Teigkneten, Pizzabelegen, Fahrerbegleiten und Spülen verdonnert (Folge bei rtlnow.de ansehen) – das hat aber nicht gereicht, um dem Publikum glaubhaft zu machen, der Entscheider hätte nachher wirklich etwas dazu gelernt.
Die größte Schwachstelle ist, dass die Sendung viel zu mechanisch funktioniert. Die Teilnehmer aus den Chefetagen müssen in jeder Folge dieselben Sprüche aufsagen („Es geht nicht darum, die Mitarbeiter zu kontrollieren“). Und am Ende werden die durch die Verkleidung ihres Chefs getäuschten Mitarbeiter in die Firmenzentrale eingeladen, aufgeklärt und kurios beschenkt. Vielen Geschäftsführern scheint es weniger um die Verbesserungsvorschläge zu gehen, die sich aus dem Rollentausch tatsächlich herausdestillieren ließen, sondern bloß um Publicity mit Wohlfühlende.
Der Pizzachef hat minimale Verbesserungen am Bestellsystem angekündigt und eine intensivere Schulung der Angestellten beim Teigrollen. (Obwohl nur er selbst damit Probleme hatte.) Wie schade: RTL opfert damit die schöne Chance gesellschaftlicher Relevanz simpler Firmen-PR.
Die Flaschen von RTL 2 sind aber alle noch da und haben den „medialen Profiler“ Martin Zoller für „Ein Medium sucht Spuren“ in Vermisstenfällen herumschnüffeln lassen, die Jahre zurückliegen (Sendung ab 20 Uhr bei rtl2.de ansehen). Einer Mutter, deren Tochter vermutlich Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, sagte Zoller, ihre Tochter würde irgendwo tot in der Kanalisation liegen, das habe er an ihrer Aura auf dem Foto und beim Handauflegen einer Landkarte erkannt – nur: „Leider steht das jetzt nicht mehr in meinen Möglichkeiten, da weiterzumachen.“ Einer Frau, deren Mann nicht mehr nachhause kam, erzählte der Schweizer, der Schlingel sei mit einer Anderen abgehauen, wahrscheinlich nach „Ungarn, Tschechien oder östliches Österreich“.
„Dann kann ich ja jetzt wütend sein“, meinte die Verlassene, die damit endgültig sicher war, dass ihrem Mann nichts zugestoßen war.
Das Absurde an dem billigen Hokuspokus ist: Zoller hilft den Betroffenen tatsächlich. Aber nur, in dem er wortreich ausschmückt und wiederholt, was die Angehörigen vorher schon erzählt haben. „Das hat mir bestätigt, was ich selber schon im Kopf hatte“, sagt die Ehefrau. Viel mehr hat der Mentalmogler auch gar nicht gewollt. Armseligeres Fernsehen kann man eigentlich kaum machen.
Und weil sich Fernsehkritiker sonst so gerne darüber beschweren, dass in politischen Talkshows soviel unnütz gestritten wird, hat sich N24 für „Deutschland akut“ etwas Besonderes ausgedacht (bei n24.de ansehen). Einen hauptberuflichen Apotheker als Moderator, der gar keine Fragen stellt, sondern bloß drannimmt – und Gäste, die schon zu Beginn der Sendung alle einer Meinung sind. Zum Thema Kernkraft hatte Friedemann Schmidt die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn, einen Greenpeace-Experten und einen Vertreter der Polizeigewerkschaft eingeladen.
Es ist die lahmste aller Talkshows, die N24 jemals im Programm hatte, ohne Konfrontation, ohne Skepsis, dafür aber mit reichlich Apothekenassoziationen, wie Schmidt im N24-Vorgespräch darlegte (achten Sie bitte auch auf den völlig hilflosen Nachrichtenvorleser, der sich überhaupt nicht vorbereitet hat). „Wir sind uns jetzt alle einig, hier am Tisch sowieso, und draußen in Deutschland“, sagte der „Deutschland akut“-Gastgeber mitten in der Auftaktsendung, obwohl noch soviel Restsendezeit übrig war, in der man auch das mit dem Weltfrieden noch schnell hätte klären können. Aber so bleibt wenigstens noch was für die nächste Ausgabe.
Soviel für diese Woche.
Screenshots: SWR, ZDF, RTL, RTL 2, N24
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