Das ZDF relauncht gerade öfter einen seinen Digitalsender als man im Fernsehrat das Wort Telemedienkonzeptgenehmigungsverfahren aussprechen kann, zumindest ist es 18 Monate nach dem Start von ZDFneo diesen Samstag wieder soweit: Ein altes, traditionelles Programm wird durch ein neues, hipperes ersetzt. Der Theaterkanal weicht ZDFkultur bzw. „zdf.kultur“. Und das Fernsehblog beantwortet die wichtigsten Fragen zur Umstellung.
Wenn Sie keine ausgeprägte Popmusikallergie haben, im deutschen Fernsehen schon immer Konzerte von Bands und Künstlern wie Muse, Blur, The Kooks, Stereophonics, Rihanna, Nick Cave, Van Morrison, Franz Ferdinand, Radiohead usf. vermisst haben, sich dafür interessieren, was in diesem neumodischen Internet alles so passiert, keine Anfälle bekommen, wenn Sie zu grelle Farben auf dem Bildschirm sehen und ihr Fernsehbild digital empfangen: och, ja.
Und was hat das mit Kultur zu tun?
In Mainz möchte man künftig nicht mehr zwischen „ernster“ und „unterhaltender“ Kultur unterscheiden, deshalb laufen Operetten und Heavy-Metal-Konzerte künftig im selben Programm. Das ZDF lädt jetzt auch selbst Künstler zu Konzerten ein („zdf@bauhaus“), probiert eine Blog-artige Theatersendung mit Pegah Ferydoni aus („zdf.kulturpalast“) und hat (wieder) ein eigenes Game-Magazin („Pixelmacher“).
Müsste das nicht „zdf@pixelmacher“ oder „zdf.pixelmacher“ heißen?
Nein, das würde unnötige Vorhersehbarkeit in die wurschtelig-alberne Programmbenamung bringen.
Was ist, wenn ich das Programm des alten Theaterkanals eigentlich ganz gut fand?
Dann müssen Sie nach den Sendungen, die ihnen da gefallen haben, bei ZDFkultur ein bisschen länger suchen.
Und wie viel kostet der Spaß jetzt wieder?
12 Millionen Euro im ersten, 16 Millionen im zweiten Jahr. Ist im Vergleich zu anderen Programmkosten aber ein Schnäppchen, sagt das ZDF. Dass auf einmal doppelt soviel Geld da ist wie für den früheren Theaterkanal, liegt an „Umschichtungen“. Im Umschichten ist das ZDF neuerdings ganz groß, wenn es jüngeres Publikum erreichen will.
Junges Publikum. Wo ist da jetzt genau der Unterschied zu ZDFneo?
Bei ZDFneo läuft die „heute show“-Wiederholung einen Tag früher (samstags statt sonntags). Und bei ZDFkultur gibt es echte Moderatoren, nicht bloß Dokusoap-Protagonisten (Videobeweis!).
Wie bitte? Was sind das denn für Leute? Und warum mussten die vorher nicht jahrelang irgendwelche Nachmittagsquizshows im Hauptprogramm moderieren?
Weil das ZDF sich auch mal was trauen möchte: wieder Moderatoren auf den Sender zu lassen, die nicht für Millionen von der Konkurrenz weggekauft werden müssen. Na gut, es ist nicht ganz sicher, ob Rainer Maria Jilg nach seiner Abwerbung vom Digitalkonkurrenten Einsplus jetzt mit goldenen Turnschuhen übern Mainzer Lerchenberg läuft. Wahrscheinlich ist der Mann aber doch eher wegen der Chance gekommen, künftig nicht bloß einmal im Jahr beim „SWR 3 New Pop Festival“ Musikreporter sein zu dürfen. Lukas Koch stand vorher beim Kika vor der Kamera, Jo Schück hat fürs ZDF unter anderem „Die Wahl im Web“ mitkonzipiert, Nina Sonnenberg moderierte für den ORF. Und jetzt halten Sie sich fest: Keiner der vier ist älter als Mitte dreißig.
Das erinnert alles ein bisschen an die Herangehensweise, mit der Viva 1993 im deutschen Fernsehen startete – nur dass ZDFkultur weniger auf den Mainstream ausgerichtet ist und wahrscheinlich kein reiner Musiksender sein möchte. Aber irgendwie ist die Inspiration unübersehbar: Ein wesentlicher Bestandteil des Programms knüpft doch an das an, wovon sich MTV und Viva zu Gunsten von Dokusoaps und Datingshows verabschiedet haben.
Könnte man so sehen, ja.
Nur eins noch: Was hat es mit dieser ominösen Sendung „mit Blog auf sich, die täglich um 20 Uhr gezeigt wird?
Das fragen wir doch am besten jemanden, der sich am besten damit auskennt. Herr Jilg? Hätten Sie kurz mal Zeit, die Antworten zu übernehmen? Danke.
Rainer Maria Jilg: Ich weiß auch noch nicht so genau, wie’s im Regelbetrieb sein wir, aber ungefähr die Hälfte der Sendung soll aus Beiträgen bestehen, die übrige Zeit ist für die Moderationen eingeplant, in der wir dann auf aktuelle Ereignisse eingehen können. Es wird kurze Interviews und Porträts geben, vieles aus der Musikwelt und dazu alles, was im Netz passiert. Samstags wollen wir uns ganz auf Musik und Musikvideos spezialisieren und sonntags gibt es ein Best-Of der vergangenen Woche.
Für welche Zuschauer ist „Der Marker“ gemacht?
Jilg: Eine richtig feste Zielgruppe haben wir gar nicht. Unser Kriterium ist: Was würden wir uns selbst gerne ansehen? Ich hab gerade eine Liebeserklärung an die Europalette gedreht, zu deren 50. Geburtstag in diesem Jahr. Das würde in dieser Form nirgendwo sonst laufen. Und genau das macht den Reiz aus: dass wir alles ausprobieren können.
Warum kommt die Sendung täglich und nicht einmal in der Woche eine ganze Stunde?
Jilg: Ich mag den Gedanken, jeden Abend auf das reagieren zu können, was tagsüber zum Beispiel im Netz los war. Gut, wir haben um 20 Uhr natürlich auch ein ordentliches Konkurrenzprogramm – aber bei den jüngeren Zuschauern warten ja auch nicht alle mehr darauf, dass die „Tagesschau“ losgeht, um sich zu informieren. Außerdem sind 15 Minuten die ideale Länge, um die Sendung nachher im Internet anzusehen, wenn man sie verpasst hat.
Schwerpunkt ist aber schon die Popmusik, Klassik spielt sicher keine große Rolle?
Jilg: Wenn’s ein besonderes Konzert oder eine besondere Aufführung gibt, dann schon! Wie gesagt, im Mittelpunkt steht immer die Frage: Interessiert es uns? Ich hab zum Beispiel eine klassische Ausbildung und sag in diesem Fall: na klar ist das was für die Sendung. Es soll nicht nur um Popmusik gehen.
Jilg: Das ist nicht ausgeschlossen. Aber wir sitzen mit der Redaktion in Mainz. Da ist es logistisch etwas schwieriger, Leute für ein kurzes Gespräch ins Studio zu bekommen. Weil wir aber ja zu viert im Moderatorenteam sind und jeder auch noch andere Sendungen für ZDFkultur macht, sind wir öfter mal unterwegs und können Interviews für den „Marker“ einfach mitbringen.
Budget für die Sendung ist keins da, stimmt’s?
Jilg: Natürlich nicht. Das Studio war jedenfalls kein großer Kostenfaktor: Wir stehen vor einem Greenscreen.
Dafür hat das ZDF sicher einen hübschen Redaktionsraum im Hochhaus auf dem Lerchenberg spendiert?
Jilg: Äh, nein, wir sind im Keller des 3sat-Gebäudes nebendran untegebracht.
Per Handy erreicht man die Redaktion an Arbeitstagen also eher nicht.
Jilg: Nur diejenigen, die über [Hier könnte Ihre Produktionshilfe stehen, Anm. d. Autors] telefonieren. Aber wir sollen ja arbeiten und nicht telefonieren, oder?
Fotos/Screenshots: ZDF
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