Das Fernsehblog

ESC-Halbfinalzapping (1): Der Finne hat Durst!

Na gut, wenn das schon mit dem Kommentatorenton gestern im ersten Halbfinale nicht so richtig klappen wollte: Könnte wenigstens mal einer das Licht anmachen, damit der Kollege vom ARD-„Morgenmagazin“ nicht die ganze Zeit im Dunkeln stehen muss?

Nicht? Dann warten wir halt geduldig.

Und widmen uns in unserem ersten Halbfinalzapping gleich der großen Show, die am Dienstagabend bei Pro Sieben und (ohne Werbeunterbrechungen) beim Digitalsender Einsfestival lief (Video im Netz). Obwohl es nach den zahlreichen Berichten über den Bühnenbombast und den vielen Begleitsendungen, in denen die Kulisse stets gut sichtbar im Bild war, nicht mehr besonders leicht ist, vom Fleiß der vielen Düsseldorfer Technikheinzelmännchen überrascht zu sein.

Freilich war’s der erste fernsehöffentliche Auftritt des Moderatorentrios Anke Engelke, Judith Rakers und Stefan Raab („My name is Stefan Raab and I’m a German Entertainer“), deren Gags in Englisch – und Raabs Scherze über sein nicht vorhandenes Französisch – dann doch arg einstudiert wirkten, aber exakt so gut gelaunt vorgetragen wurden, wie es an einem solchen Abend nötig ist, wenn nachher noch anderthalb Stunden komische Musik kommt. Die drei hatten also gute Laune.

Und das, obwohl sich Raab seine Kollegin Rakers zum Pausennecken ausgesucht hat, zum Beispiel in Pressekonferenzen. Nach dem Halbfinale, bereits in der zweiten Dienstagsausgabe von „Eurovision total“ auf Pro Sieben, kündigte die „Tagesschau“-Sprecherin an: „Er macht’s so lange bis ich mal draufhaue.“

Genau! Gleichberechtigung für Judith Rakers!

In dem kleinen Balkontürstudio in der Arena, das sich die ARD (für ihre grauenhafte „Show für Deutschland“) mit Pro Sieben teilt (wo abends immer ein neues Sofa hereingeräumt wird), war Matthias Opdenhövel an diesem Tag bereits zum dritten Mal auf Sebdung, und wahrscheinlich hat er danach seinen Schlafsack ausgerollt, weil sich der Weg nachhause sowieso nicht mehr lohnt. Immerhin ist es idiotisch höchst interessant, anhand der vielen Vorberichte zu sehen, wie die Redaktionen ihre ganz unterschiedlichen Stärken ausspielen.

„Eurovision total“ verschrieb sich vor dem Halbfinale fast komplett der Kartoffelsalat-Berichterstattung, weil Lena selbigen als Gastgeschenk an alle Länderdelegationen in der Großküche vorbereitet hatte. Und wenn sie heute Schnitzel frittiert, kommt bestimmt Jumbo Schreiner vorbei.

Am Nachmittag lieferten sich bei Pro Sieben bereits „taff“ und „red! spezial“ ein Wettrennen um die Deutungshoheit, wobei man sich immerhin einig war, dass die Kandidatinnen aus der Slowakei ausschließlich als „die beiden heißen Zwillinge“ zu bezeichnen sind – wobei „taff“ mit der passenden Outfitanalyse („Hallöchen Popöchen“) knapp in Führung ging: „Die Leggins sind so eng, dass das Unterhöschen fast keine Luft kriegt.“ (Das kennt der Pro-Sieben-Redakteur von der Sauerstoffversorgung des eigenen Hirns.)

Uneinholbar vorne lag „red!“ jedoch wegen des „Exklusiv“-Interviews, das Lena dem „Pro-Sieben-Reporter“ Steven Gätjen (der am Abend neben Peter Urban das Halbfinale komoderierte und wegen dem in Düsseldorf kurzfristig die komplette Tontechnik gekappt wurde) gab. Dreißig Minuten haben sich die beiden unterhalten. Und „red!“ hat exakt drei Lena-Antworten gezeigt.

Passend zum Tag, an dem der Europäische Gerichtshof die Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften verboten hat, schickte die Redaktion außerdem zwei homophobe Jüngchen auf eine Düsseldorfer ESC-Schwulenparty und ließ die beiden noch einmal sämtliche Vorurteile auflisten, die man sich im Laufe eines so kurzen Lebens zusammengepanikt haben kann: Der eine Depp hatte Angst, in der Kneipe alleine auf Toilette zu gehen, der andere meinte: „Auf die Meinung von Schwulen kann ich echt verzichten.“ Was für ein Spaß, Pro Sieben!

Dumm nur, dass es noch Frank Meyer vom ARD-„Morgenmagazin“ gibt, der „red!“-Moderatorin Hadnet Tesfai („Nur wer die Presse überzeugt, hat nachher Chancen auf den Sieg“ beim ESC, meint sie) das Krönchen für die dümmste ESC-Begleitberichterstattung wegschnappt. (Licht an!)

„Morgens ist hier nicht so viel los“, plapperte der ARD-Mann am Dienstag gegen 7.49 Uhr ins Fernsehen hinein (Video) und vertrieb sich die Zeit anschließend, indem er die Kabine der norwegischen Kandidaten durchwühlte:

„Ich kann heute Morgen behaupten: Ich war an ihrer Strumpfhose dran!“

Nachher war Meyer auch noch im Kostümraum, „in den man nicht unbedingt rein muss“, in dem man aber – wenn man schon mal da ist – vorlesen kann, was auf den Abholschildern an den Kleiderbügeln steht: „13.45 Uhr war gestern Abholung für die Türkei! Ein T-Shirt musste 15 Zentimeter länger gemacht werden mit schwarzem Stoff!“ Im Gespräch entlockte Meyer einem Volunteer dann außerdem, wie genau die Künstlerbetreuung funktioniert: „Irgendwann kommt der Anruf: Der Finne hat Durst.“ Und hinter den Kulissen zeigte der Journalist, wie die Künstler sich von ihren Auftritten ablenken: „Irgendwie muss man die Zeit ja rumkriegen.“

Beim Fernsehen geht das glücklicherweise mit einem Schwung heiße Luft. Auch wenn bei der ARD für einen Luftikus am Mikro immer gleich vier andere angestellt werden müssen, die ihm die Technik halten.

Vielleicht macht doch besser wieder jemand das Licht aus? Bitte.

Screenshots: Das Erste, Pro Sieben

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