„Dürfte ich mir mal kurz Ihren Jumbo leihen?“, fragt Dirk Steffens den Kapitän im Cockpit, ist dann aber doch so vernünftig, sich nicht selbst ans Steuer zu setzen, sondern mit Ohrenschützern einige hundert Meter entfernt von dem metallenen Ungetüm in Deckung zu gehen, das gleich eines seiner Triebwerke anwerfen wird. Damit Steffens protokollieren kann, was mit dem dahinter geparkten Auto passiert.
Natürlich: Es kullert weg als sei es aus zerknülltem Papier. Das hätten Sie sich denken können. Aber dabei zuzusehen macht noch ein bisschen mehr Spaß.
In seiner neuen Reihe „Terra Xpress“ spielt das ZDF ab diesem Sonntag „Galileo“ (Trailer ansehen) – mit dem Unterschied, dass zwischendurch niemand Riesenrutschen testen muss und sich der Moderator selbst als Versuchskaninchen zur Verfügung stellt. Dirk Steffens reist normalerweise für „Faszination Erde“ über die Kontinente, jetzt vertraut ihm sein Arbeitgeber eine wöchentliche Sendung an, in der naturwissenschaftliche Alltagsphänomene erklärt werden. Zum Auftakt geht’s um die Wucht, die Stürme entwickeln können. Die simuliert Steffens nicht nur mit dem Jumbo, sondern erfährt sie – in abgeschwächter Form – am eigenen Leib, festgeschnallt im Windkanal.
„Terra Xpress“ hat den früheren Sendeplatz der „ZDF.reportage“ geerbt und soll dort in den kommenden Wochen beweisen, dass öffentlich-rechtliches Fernsehen keineswegs öde und altmodisch zu sein braucht, wenn es informieren will.
Dass jetzt alles auf Hochdramatik gepolt ist – das bedrohliche Getrommel im Hintergrund, die schnellen Schnitte, die Begleitmusik von Placebo (ja, im ZDF) – hätte aber auch nicht unbedingt sein müssen. Weil zumindest der Film, in dem eine Familie aus dem Harz nachstellt, wie ihr Haus von einem Tornado plattgemacht wurde, dann doch arg effekthascherisch geworden ist.
Das hat Steffens gar nicht nötig. Der Naturfilmer kann sonst schließlich auch ganz ausgeruht über Sonderbarkeiten aus den entlegensten Winkeln der Welt berichten, selbst wenn er es gewohnt ist, einmal pro Sendung irgendwo runterzuspringen, durchzutauchen oder reinzuklettern. (Nachher schreibt er regelmäßig in seinem sehr lesenswerten Blog „Expeditionen an den Rand“ darüber.) Für „Terra Xpress“ braucht er nun immerhin nicht so lange wie sonst im Flugzeug sitzen: „Ich hab ‚Avatar‘ auf einem 12 Zentimeter großen Bildschirm in der Rückenlehne meines Vordermanns gesehen und kenn das Bordprogramm der großen Airlines in- und auswendig. Das ist grauenvoll.“ Das ist dann aber auch einer der wenigen Nachteile, die Steffens Job mit sich bringt.
Der Weg zur Arbeit ist derzeit in jedem Fall deutlich kürzer, nämlich nur von Hamburg nach Frankfurt. Dort steht die alte Fabrikhalle, in der gedreht wird – und nicht etwa im supervirtuellen heute-Studio in Mainz. „Wahrscheinlich hatten die im ZDF einfach Angst, dass ich was kaputt mache“, sagt Steffens und grinst. Dabei gehört das Kaputtmachen ja momentan mit zu seinem Auftrag.
Die Halle ist fester Bestandteil des „Terra Xpress“-Konzepts: „Hinter jeder Tür soll für die Zuschauer eine neue Welt aufgehen“, erklärt der Moderator. Bevor er auf die Rollbahn zum Jumbo läuft, fliegt ihm die Maschine während der Anmoderation über den Kopf; den Windkanal erreicht Steffens, indem er einfach um die Ecke biegt; aus dem Harz-Film zoomt die Kamera aus einem Foto zurück, das Steffens in der Hand hält; und wenn es demnächst mal einen Beitrag über den Regenwald geben sollte, liegt der garantiert nur ein paar Treppenstufen entfernt.
Dank Animationstechnik kann der Moderator in seinem ungewöhnlichen Studio schon jetzt erklären, wie Tornados entstehen, indem er bloß einen kleinen Koffer aufmacht.
Natürlich sind das nur lustige Gimmicks, die sich die Redaktion ausgedacht hat. Aber wann passiert sowas sonst schon noch im deutschen Fernsehen?
Entstanden ist „Terra Xpress“ als erneuter Versuch, Themen aus Natur und Wissenschaft auf populäre Weise zu vermitteln, damit auch Leute einschalten, die sich sonst vielleicht nicht dafür interessieren würden. Das letzte Experiment ist ein Jahr her, hieß „Natürlich Steffens“ und ist von seinem Namensgeber als mittelmäßig abgehakt worden.
Dabei war die Idee gar nicht so schlecht: Während Markus Lanz im vergangenen Sommer mit seinem Talk pausierte, lud Steffens zweimal in der Woche Experten ins Studio, um mit ihnen all das zu besprechen, wofür er sonst selbst in den Flieger steigt. Die Sendung war in Ordnung, sah aber allein schon durch die Kulisse arg markuslanzig aus, die Quoten waren bescheiden und der Moderator nicht in seinem Element:
„Ich hab mich manchmal ein bisschen unwohl gefühlt, weil diese Quasi-Live-Situation einen zu Oberflächlichkeiten zwingt – man kann Aktionen nicht wiederholen, auch wenn sie wirklich in die Hose gegangen sind. Das kann einen gewissen Charme haben, wenn man etwas ganz Spezielles zeigen möchte, aber auch nerven.“
Und dann saß da auch noch Publikum! War das wirklich so schwierig? Oh ja, sagt Steffens:
„Kopfüber von einem Baum im Regenwald zu hängen ist für mich leichter als vor 100 Leuten zu moderieren.“
Er meint das nicht im übertragenen Sinne.
Und trotzdem hatte „Natürlich Steffens“ letztlich etwas Gutes: „Wir haben uns die Elemente, die besonders gut funktioniert haben, für ‚Terra Xpress‘ rausgepickt.“ Gemeint sind genau die Experimente, die Steffens jetzt Woche für Woche absolviert. Braucht man dafür nicht ein besonders gutes Angstmanagement? Nee, sagt der 43-Jährige. „Ich bin statistikgläubig. Ich sitz im Flugzeug, wir fliegen durch ein Luftloch und ich denke: Statistisch gesehen stürzen Flugzeuge fast nie ab. Das beruhigt mich. Ich funktionier so.“ Die meisten Versuche bei „Terra Xpress“ sind ja auch berechenbar, jedenfalls berechenbarer als permanent draußen in der Wildnis herumzukraxeln. Und verzichten will Steffens auf die Action auf keinen Fall:
„Das Publikum muss beim Zusehen das Gefühl haben: Na klar, der muss das jetzt ausprobieren, um zeigen zu können, wie es funktioniert. Der Film baut die Rampe für die Aktion auf, die dann sozusagen zwingend ist. Deshalb mach ich das alles.“
Wenn’s manchmal eine Spur undramatischer ginge, wäre das aber auch voll in Ordnung.
„Terra Xpress“ läuft sonntags um 18.30 Uhr im ZDF, zunächst wohl bis Ende des Jahres, und wird immer samstags um 16.45 Uhr bei ZDFneo wiederholt.
Fotos/Screenshots: ZDF
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Das erinnert ja ein bisschen...
Das erinnert ja ein bisschen an die gute alte Knoff-Hoff-Show! Klingt vielversprechend mal im Vergleich zur nächsten Telenovela. Wobei mich interessieren wüde wie kommt man an den Job ran?
Wird Dirk Steffens dann auch...
Wird Dirk Steffens dann auch XXL-Schnitzel testen?
...Kasperletheater....
…Kasperletheater.
Autos und ähnliches von...
Autos und ähnliches von Flugzeugen wegblasen zu lassen ist inzwischen ein alter Hut. Mindestens Top Gear und Mythbusters haben das schon wiederholt in aller Ausführlichkeit vorexerziert, und ergo würde ich prompt mal davon ausgehen, dass Galileo und Konsorten die Idee auch schon einige male geklaut haben. Das mit dem Hängen im Windkanal ist auch nicht gerade neu. Kommt da (hoffentlich) noch mehr oder ist das in etwa das Niveau, das von der Sendung zu erwarten ist?
Ich bin eher skeptisch gegenüber Dokumentations- und Wissensformaten, die sich sehr an der Präsentation durch den Moderator aufhängen. Ich möchte Interessantes dokumentiert und Wissen dargebracht bekommen. Das sollte für sich genommen schon interessant genug sein. Ich möchte nicht, dass eine solche Sendung von der Selbstinszenierung des präsentierenden Moderators dominiert wird, denn das ist de facto *nicht* interessant.
Oh, die Knoff-Hoff-Show kommt...
Oh, die Knoff-Hoff-Show kommt wieder? Neiiiiiiiiiiiin
Ach, das passiert im deutschen...
Ach, das passiert im deutschen Fernsehen also sonst nicht. Populärwissenschaft mit Action, Moderatoren, die selber alles ausprobieren, Animationen in alten Fabrikhallen…
…da muss ich doch glatt mal den WDR fragen, ob das nicht auch was für die wäre.
kann ranga yogeshwar viel...
kann ranga yogeshwar viel besser.
Der Name der Sendung ist...
Der Name der Sendung ist vielleicht nicht der größte Hit, aber was solls. Steffens muss halt darauf achten, dass er nicht nur Sachen aus „Galileo“, „Mythbusters“, „Mission Wissen weltweit“ (oder so) etc. wiederholt, dann noch zusehen, dass sich der Gebührenaufwand im Rahmen hält, dann passt das schon. Zumindest für’s ZDF, dass halbwegs gutes Programm jenseits seichter Serien und Markus Lanz meiner Meinung nach dringend benötigt.
Daher: lieber Terra Xpress als irgendeine typische ZDF- Serie!
Zitat aus der Sendung:
"......
Zitat aus der Sendung:
„… in der Zwischenzeit habe ich mit dem Team berechnet…“
Genau darum geht es. Erst „ich“, dann die Anderen. Die Sendung könnte auch „Steffens – Ich, ich und nochmal ich“ heißen. Er wirkt auf mich wie ein eitler Selbstdarsteller, der sich gerne als verwegen präsentieren lässt. Ob er sich tatsächlich für irgend etwas anderes als die eigene Karriere interessiert? Das – neben der Kompetenz – unterscheidet ihn z.B. von einem Ranga Yogeshwar.
Die Aussage eines Moderators, dass „eine Quasi-Live-Situation einen zu Oberflächlichkeiten zwingt“, entlarvt ihn ja als einen, der sich gerne an vorher vereinbarte starre Monologe und Dialoge klammert – mit anderen Worten: unflexibel, nicht spontan, kann nicht improvisieren. Dafür müsste man sich nämlich in ein Thema vertiefen, um eine solche Live-Situation souverän bestreiten zu können.
@Theo: Errechnen Sie auch noch...
@Theo: Errechnen Sie auch noch Ranga Yogeshwars „Ich“-Quote?