- Mensch, Reiter! MDR
- Harald Schmidt Das Erste
- Bei uns 9live
- Zapping – Die Show Sky
- Boris macht Schule
Kabel 1
Sowas kommt auch nicht alle Tage vor: dass man eine unregelmäßig erscheinende Wochenkolumne mit einer Exklusivinformation beginnen kann! Diesmal schon. Weil sonst wahrscheinlich niemand am späten Montagabend im MDR das Abschiedsinterview des zukünftigen Ex-Intendanten Udo Reiter gesehen hat, der sich von Grimme-Institutsleiter Uwe Kammann den Dreisatz der MDR-Programmplanung entlocken ließ.
Beim gemütlichen Zusammensitzen vorm Schnittpult erklärte Reiter endlich einmal, wieso es eine gute Idee ist, ausschließlich Programm für die Generation zu machen, die nicht mehr aus eigener Kraft die GEZ-Einzugsermächtigung kündigen kann: „Die jungen Leute werden älter, insgesamt nimmt der Anteil der Älteren zu, die Zukunft gehört also den Alten – und bei denen werden die Themen, die wir behandeln, nach wie vor gefragt sein.“
„Mensch, Reiter!“, wie das Dreißigminutengespräch von den pfiffigen Redakteuren in Leipzig betitelt wurde, war also äußerst aufschlussreich (Video bei mdr.de ansehen). Reiter verriet, was ihn qualifizierte, vor 20 Jahren Intendant zu werden: „Ich hab dreimal Urlaub in der DDR gemacht.“ Er erzählte von den Belastungen der Gründungsphase: „Wir mussten relativ viel arbeiten in der ersten Zeit.“ (Über die Gegenwart wurde nichts gesagt.) Und zwischendrin hat er von den drei Bundesländern, die der MDR mit seinen Inhalten beglückt, wie von einem Kriegsgebiet gesprochen, in dem er alles daran setzen musste, die Schlagergrundversorgung aufrecht zu erhalten.
Kammann hat ein paar Mal kritisch nachgefragt, unablässig im Drei-Sekunden-Takt zustimmend gebrummelt und seinem Gegenüber die Stichworte geliefert, damit der die „Arroganz der Nobelkritiker“ beklagen konnte, die es wagten, sein Programm zu kritisieren.
Wann genau ist das Grimme-Institut eigentlich mit der MDR-Pressestelle fusioniert? Oder hat Reiter Kammann einfach nur versprochen, dass das MDR-Wunschkonzert nächstes Jahr auch in Marl Station macht?
„Wir sind jetzt in den Sommerferien und zur Stelle beim neuen Arbeitgeber im September“, verabschiedete sich der sympathische Late-Night-Underperformer von seiner immerhin sechseinhalbjährigen Tätigkeit für die ARD, zu der er damals, manche werden sich erinnern, als Lichtgestalt zurückgekehrt war. Zu, ähem, Glanzleistungen fühlte sich Schmidt in letzter Zeit allerdings nicht mehr verpflichtet.
Am Anfang der Abschiedssendung (Video ansehen) machte er – wie so oft in den vergangenen Wochen – eine Anspielung auf das Warm-up im Studio, von dem man schon länger annehmen darf, dass es lustiger ist als die eigentliche Show (wobei diese Referenzen natürlich ausschließlich von den Zuschauern im Saal verstanden und belacht werden können, aber was kümmern Schmidt schon die paar Deppen, die zuhause vorm Fernseher sitzengeblieben sind?).
Der Kontrast zu Schmidts letztem Senderwechsel könnte nun wirklich nicht größer sein. Irgendwie ist es ja auch tragisch, nicht abgesetzt zu werden, sondern sang- und klanglos in den Abschied hinein zu moderieren und dafür noch nicht einmal halb soviel Aufmerksamkeit zu bekommen wie – sagen wir: Oliver Pocher.
Zunächst einmal verzichtete Milski aber ganz auf den Gewinnspielunsinn. „Aus rein rechtlichen Gründen müssen wir aber trotzdem das Regelwerk erklären.“ Teilnahme ab 18, Hot Button, Sie wissen schon.
Nachher unterhielt er sich angeregt mit seiner Kollegin Alida Kurras, die warmen Prosecco trank, ironisch Auskunft über ihre Zukunft gab („Ich hatte überlegt, wieder studieren zu gehen. Aber ich hatte auch mehrere Angebote auf Wochenmärkten“) und mitten im Gespräch irritierenderweise alle halbe Stunde an die Regeln erinnerte: „Alle Hinweise zu unseren Gewinnspielen lesen Sie in den Einblendungen, auch wenn Sie noch keine Gewinnspiele sehen.“ Das hatte deutlich mehr Charme als am Abend die Abschiedsinszenierung der versammelten 9live-Mannschaft, bei der man nicht genau wusste, mit was sie sich vorher bis an die Kinnlade abgefüllt hatte: Alkohol. Oder Pathos.
Das Aus für 9live kommt natürlich zur Unzeit. Zumindest für die Redaktion des wiederbelebten „Zapping“, für das Sky ab sofort wieder jeden Abend fünf Minuten reserviert, in denen die schönsten TV-Pannen unkommentiert aneinandergereiht werden. (Diesmal allerdings verschlüsselt.)
Zum Auftakt durfte Fernsehdauerprügler Oliver Kalkofe vor an Stehtischen montierten flaschenbiertrinkenden Zuschauern ein Spezial moderieren, das offensichtlich im Foyer der örtlichen Krankenkasse aufgezeichnet wurde. (Was in Wahrheit natürlich das neue Sky-Gebäude in der Unterföhringer Medienallee war.)
Dass Kalkofe dabei zu Gästen freundlich sein musste, über die er sich in seiner Sendung, wenn er noch eine hätte, lustig machen würde, war dabei relativ irritierrend (ganze Show bei sky.de ansehen). Aber Sky-Sportmoderatorin Jessica Kastrop (hat mal einen Ball auf den Kopf bekommen), „Tagesschau“-Sprecher Jens Riewa (hat mal „Lottovorhersage“ gesagt) und „Fernsehgarten“-Frau Andrea Kiewel (hat im Sat.1-Frühstücksfernsehen mal einen Apfel gegessen) mussten nunmal die Zeit zwischen den vielen kleinen Best-ofs überbrücken, die das „Zapping“-Team für den Neustart vorbereitet hatte.
Aber schön, dass sich Sky überhaupt mal traut, wieder sowas wie ein eigenes Programm zu machen. Selbst wenn das nur aus dem der Konkurrenz besteht.
Und jetzt noch: Boris Becker, „Tennislegende“ und neuerdings „Motivator und Kämpfer gegen die Null-Bock-Generation“. So formuliert es Kabel 1, und zwar ziemlich schlampig, weil Becker ja nicht gegen die Generation kämpfen soll, sondern nur gegen deren Null Bock.
Dazu braucht er: eine heruntergekommene Schule im „Brennpunkt“ Berlin-Friedrichshain, wenige hundert Bauarbeiter zum Renovieren, ein paar Schüler-„Anführer“, die er gegen die „Außenseiter“ antreten lassen kann, sowie diverse Empörungs- und Erschütterungssätze, die ihm vorher jemand zum Auswendiglernen aufgeschrieben hat. Also: „Hier geht’s um menschliche Schicksale. Da müssen wir verdammt noch mal helfen!“ Oder: „Dass man das Schule nennt, das geht doch gar nicht!“ Oder: „Wenn ich hier Schüler wäre, würde ich auch aggressiv werden!“
Ursprünglich sollte „Boris macht Schule“ bei Sat.1 laufen, aber dort hat man wegen des Überflusses an Top-Programmen wahrscheinlich keinen Sendeplatz mehr freigehabt.
Am Schluss der Startfolge gab es eine Einweihungszeremonie in der neuen Aula (wo die Bauarbeiter ein mehrere Quadratmeter großes Foto von Boris Becker in Siegerpose an die Wand geschraubt haben) und Oberbürgermeister Klaus Wowereit wurde auf der Bühne bejubelt, als er Beckers Team lobte, einen Missstand beseitigt zu haben, um den sich die Schulpolitik in Wowereits Regierung nicht kümmern wollte.
Das muss man auch erstmal schaffen: sich als Stargast dafür feiern zu lassen, dass andere einem die Arbeit abnehmen. Wowereit könnte glatt zum Fernsehen gehen.
Soviel für diese Woche.
Screenshots: MDR, Das Erste, 9live, Sky, Kabel 1
Das gefällt Ihnen? Das Fernsehblog gibt’s auch bei Facebook.