- Marienhof Das Erste
- My Name is RTL 2
- Elton reist Pro Sieben
- Grüezi Deutschland 3sat
- Mensch, Männer –
Grillen ist nicht alles MDR
Nach 4052 Folgen wär’s ja langsam mal an der Zeit, sich im Günter-Struve-Gedächtnisrausch eine Folge „Marienhof“ anzusehen – obwohl: jetzt ist’s ja eigentlich auch egal. Nach einem in zwanzig Minuten Sendezeit gepressten Millionengewinn, einem Heiratsantrag, einer lebensrettenden OP, einem schmerzvollen Abschied und einem spontan entschlossenen Neuanfang endete die ARD-Soap am Mittwoch in Folge 4053 mit einer Massenumarmung der Darsteller, die nachher zum Abschied in die Kamera wankten wunken (ganze Folge in der Mediathek ansehen). Das Versprechen aus dem Vorspann, „Es wird viel passieren“, war da längst abgeheftet und galt als erledigt, sodass zwischendurch viel Zeit blieb, sämtliche Soap-Paare schmusepopuntermalt noch einmal ihre schönsten Begegnungen erinnern zu lassen.
Vor allem, weil auffällt, wie lieblos und billig so eine öffentlich-rechtliche Massenproduktion wirkt, so lange man davon noch nicht desensibilisiert wurde. Gut, die Böcke, einfach so weiterzumachen wie immer, müssen gering gewesen sein, als die Entscheidung feststand, dass „Marienhof“ ausläuft. Aber war das wirklich notwendig, zum Schluss in einer Szene draußen tatsächlich noch Reste von Schnee rumliegen zu lassen? Bei einer Folge, die mitten im Juni ausgestrahlt wird?
Und, gleich die nächste Frage: Wo hat Grundy Light Entertainment bloß die Mitarbeiter zusammengekehrt, um innerhalb eines Jahres seine vierte Castingshow fürs deutsche Fernsehen zu produzieren?
Richtig viele können es immerhin nicht gewesen sein, denn dem Doppelgänger-Wettbewerb „My Name is“ sieht man in jeder Sekunde an, wieviel weniger er gekostet haben muss als „X Factor“ beim direkten Konkurrenten Vox (das ja ebenfalls von Grundy kommt). Statt tobender Massen und pompös vorfahrender Jury gab’s zum Auftakt nur Taschenfeuerwerk (Show bei rtl2.de ansehen). Gerade mal 2000 Leute haben sich beworben, und in schlechten Momenten sieht die Show nicht nur aus als hätte jemand im Hintergrund die Lichter ausgeknipst, um Strom zu sparen, sondern ist auch noch so miserabel gefilmt, dass im Bild jede Menge Platz für Notizen wäre.
Links im Bild beeindruckt eine 71-Jährige als Daniela Katzenberger / Screenshot [M]: RTL 2/Fernsehblog
Nicht einmal genug Kohle, um Stop-Buttons aufs Pult zu schrauben, hat RTL 2 locker gemacht, weswegen die Jury nun, um einen Auftritt zu beenden, wild in der Luft herumgestikulieren muss.
Freilich gibt sich der Sender trotzdem alle Mühe, das Ding groß aussehen zu lassen – selbst wenn „die schillerndste Jury Deutschlands“ doch nur aus einem unbekannten holländischen Musikmanager, der Frau von Oliver Pocher (Beruf: „Glamourqueen“) und Schlagersängerin Michelle besteht, die erleichtert erzählt: „Heute hier mal nicht der Star zu sein, ist sehr schön.“
Die Show selbst ist vor allem: langweilig. Ein Möbeldesigner versucht sich als Dieter Bohlen-Double. Eine 6-Jährige tanzt Shakira. Und ein Versicherungsangestellter muss sich als „Krankenkassen-Casanova“ betiteln lassen, weil er Robbie Williams imitiert. In der zweiten Hälfte wird’s etwas besser, weil sich die Jury schon ihre ersten Favoriten aussucht, die direkt gegeneinander antreten, um es ins Finale zu schaffen. Das sorgt gleich für etwas Vertrautheit. Und nach ein paar Shows ist sowieso alles schon wieder vorbei.
Die Aufgaben, die sich Eltons Redaktion für ihn ausgedacht hat, sind zum Teil wirklich witzig: Um für zehn Sekunden live ins spanische Fernsehen zu kommen, überfällt er eine Nachmittagstalkerin im Studio. Am Hotelpool verteidigt er zwei Stunden zwölf mit Deutschland-Handtüchern reservierte Liegen gegen wutschnaubende Urlauber, die auch nicht vor Handgreiflichkeiten zurückscheuen. Und anstatt sich auf Barcelonas diebstahlbekannten Prachtboulevard die Geldbörse mopsen zu lassen, kommen die zwielichtigen Gestalten zu ihm und warnen: „Vorsicht, du hast dein Portemonnaie aus der Tasche hängen!“
Wenn nebenbei noch ein bisschen was über die Gegend erzählt würde, in der Elton da Quatsch macht, wäre diese Reiseshowvariante richtig gelungen. So ist sie wenigstens eine gute Alternative zu den letztjährigen Trashshows, mit denen Pro Sieben sein Sommerprogramm vollstopfte.
„Wir versuchen die Befindlichkeiten abzutasten und rauszufinden: warum sind die Deutschen immer besser wie wir?“, erklärt Baumann seine Mission. Und landet erst in der Schwarzwaldklinik, dann in einer Frankfurter Detektei und schließlich im Fußballvorgarten von Tote-Hosen-Sänger Campino, von dem er wissen möchte: „Was bedeutet Fußball für ein Land. Ist das ein Identifikationspunkt?“ Im Ruhrpott finden die Kollegen „hämmernde Maschinen, rauchende Schlote – all over“, und während man zuhause vor dem Fernseher noch in der Notapotheke noch nach dem Valium kramt, um die vielen Sensationen zu bewältigen, reift die Vermutung: Die Schweizer werden auch bloß das Fernsehen haben, das sie verdienen.
Im Falle von „Grüezi Deutschland“ ist das ziemlich bitter: Die Sendung erklärt ihrem Publikum nicht, worauf es sich einlassen soll, ist holprig zusammengeschnitten und umschifft sauber jegliche Form von Originalität.
Eines allerdings kann Baumann ganz gut: Landsleute auf der Straße treffen, einen Verkehrsinselbepflanzer in ein Spontangespräch verwickeln und eine deutsche Busfahrerin fragen, warum sie nach Bern auswandern möchte. Als Normale-Leute-Talk wäre die Sendung prima. Hätte man sich halt vorher überlegen müssen.
Erinnern Sie sich noch an letztes Mal? An das Abschiedsinterview von Udo „Mensch“ Reiter, dem MDR-Intendanten, der nie um eine Antwort verlegen ist, das – sein! – Unterhaltungskonzept zu verteidigen?
Vier grundfaule Herren sollten ihren Frauen vor Studiopublikum mit typischen Haushaltstätigkeiten (Erdnussstaubsaugen, Wäschesortieren mit schreienden Babyattrappen, LKW-Waschen) beweisen, dass sie willesns sind, sich zu ändern. Am Ende gewann einer eine Küche (für die Frau, natürlich). Und ich hätte wetten können, dass jeden Moment irgendwo Michael Schanze aus der Kulisse hervorspringt, die frühen 90er Jahre ausruft und Bobby Flitter herbestellt. Stattdessen nahm der MDR Miriam Pielhau als Moderatorin gefangen, die ja auch irgendwie Geld verdienen muss, ebenso wie die Jurymitglieder Janine Kunze und Dirk Bach, wobei letzterer zumindest froh gewesen sein dürfte, endlich mal aus dem winzigen RTL-2-Studio herausgelassen zu werden.
Selbst wenn das bedeutete, neben Mitjurorin Gabi Decker sitzen zu müssen, die für die Show in einen geschlachteten Pfau geschlüpft war.
Dass der MDR es, auch wenn er das Privatfernsehen kopiert, trotzdem schafft, Shows immer aussehen zu lassen als seien sie gleich nach der Sendergründung aufgezeichnet worden, ist besonders lähmend. Aber da hat natürlich jeder seine eigene Sicht der Dinge. Gabi Decker zum Beispiel.
Die urteilte über einen Kandidaten, der beim Blindbettenbeziehen versagte: „Das ist wirklich frauenverachtend.“ Genau! Das geht doch nicht. Der MDR verachtet seine Gebührenzahler wenigstens geschlechterneutral.
Soviel für diese Woche.
Screenshots: Das Erste, RTL 2, Pro Sieben, 3sat, MDR
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