Das Fernsehblog

Das Fernsehblog

Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Die Woche im Fernsehen: Tut’s weh, tut’s nicht weh?

| 16 Lesermeinungen

Die ARD lässt eine Unternehmensberaterin vor malersicher Pferdekulisse zur Vernunft kommen; Steven Spielberg hat den Best-Of-Alien erfunden; Arte erklärt Jane Austen per Büchersprechstunde; im ZDF warnt Ruth Moschner Jugendliche vorm Hexenschuss; und RTL macht einen toten Hund zum Hauptdarsteller. Was diese Woche im Fernsehen los war.

Die Sendungen
  • Das Glück dieser Erde Das Erste
  • Falling Skies TNT Serie
  • Dr. Book Arte
  • Die Ärzte ZDF
  • Mietprellern auf der Spur RTL

Sie kennen den drogenabhängigen Arzt. Sie haben sich an die großherzige Anwältin gewöhnt. Und den blutscheuen Kommissar ins Herz geschlossen. Doch darauf waren Sie nicht gefasst. Denn jetzt präsentiert die ARD eine Serienheldin der völlig neuen Art:

Die sympathische Unternehmensberaterin! 

Sie ist naturverbunden und hat Tiermedizin studiert! Sie ist Österreicherin! Sie hat, nun ja – Humor („Unternehmensberater können mehr als nur Leute entlassen.“ – „Was denn?“ – „Personal abbauen“)! Und sie will verdammt noch mal auch im marodesten Betrieb niemanden auf die Straße schicken, weil: „Das sind hart arbeitende Menschen, keine nackten Zahlen!“

Bild zu: Die Woche im Fernsehen: Tut's weh, tut's nicht weh?Die nackten Zahlen hingegen waren vermutlich ausschlaggebend dafür, dass „Das Glück dieser Erde“ in Auftrag gegeben wurde, und zwar aus Quotensicht. Denn die Serie (erste Folge in der Das-Erste-Mediathek ansehen) schippert schön im Fahrwasser der üblichen ARD-Dienstagsreihen. Am Ende der ersten Folge entscheidet sich die grundgute Heldin nicht nur gegen ihren Consulting-Job („dieser Wahnsinn hier!“), sondern auch gegen ihren blöden Lebensabschnittsgefährten, der zur geplanten Hochzeit den Zahnarzt seiner Eltern eingeladen hat – wie sähe das denn sonst aus?

Ganz gut, wenigstens. Denn als Kulisse haben sich die Partner MDR und ORF die spanische Hofreitschule in Wien ausgesucht, die dessen Gestüt Lenz sanieren soll, bevor ihr Vater bei einem tragischen Autounfall stirbt und sie ihr Leben neu zu ordnen beginnt.

Es ist nicht ganz klar, was die Verantwortlichen – Verzeihung! – geritten hat, die Geschichte erst furchtbar schleppend losgehen zu lassen und sie dann in der Mitte so zu drehen, dass plötzlich alle Charaktere unter spontanem Stimmungsumschwung leiden, was augenblicklich in ein Riesendrama ausartet. Auf jeden Fall kriegt man beim Zuschauen schnell Angst, dass die Figuren, sobald sie sich das nächste Mal auf ein Pferd setzen, herunterflattern – so eindimensional wie die Rollen angelegt sind.

Oder, anders gesagt: Das sieht doch jeder sofort, dass der einfühlsame Tierarzt der Richtige fürs Katharinchen ist, Mensch!

Bild zu: Die Woche im Fernsehen: Tut's weh, tut's nicht weh?Steven Spielberg hat die Pferde einfach durch sechsbeinige Aliens und die Unternehmensberaterin durch einen Geschichtsprofessor ersetzt, der in der völlig überhypten Zukunftssaga „Falling Skies“ eine Gruppe Überlebender vor der endgültigen Ausrottung durch Außerirdische bewahren muss, die unerfreulicherweise die Erde beschlagnahmt haben (Trailer bei Youtube ansehen).

Gerade erst lief die Serie in den USA, und durch die nur wenige Tage verzögerte Ausstrahlung im deutschen Bezahlfernsehen können sich die hiesigen Zuschauer sofort davon überzeugen, dass das leider nicht so toll geworden ist wie es klingt.

Spielbergs Aliens sehen aus wie ein Best-Of der Kinokreaturen der vergangenen 30 Jahre, und ihre Kampfroboter stampfen beim Gehen so bedrohlich metallen auf, dass man dabei den Typen, der für die Soundeffekte zuständig ist, förmlich sehen kann, wie er vorm Mikrofon die Waffeleisen zusammenhaut. Zwischendrin ist öfter mal eine mies in die Landschaft montierte Alienbasis im Bild.

Dabei ist das Szenario nicht per se serienungeeignet. Das Problem von „Falling Skies“ ist eher, dass es sich dem unmittelbaren Vergleich mit „The Walking Dead“ stellen muss, das kürzlich beim amerikanischen Kabelsender AMC lief und eine Gruppe Überlebender in den Widerstand gegen eine Armee von Zombies schickte – mit deutlich weniger simpel angelegten Helden (und Bösewichtern).

Spielbergs Endzeit-Version hingegen ist vollgestopft mit großen Männerumarmungen, dramatischen Fastschlägereien und bedeutungsschwangeren Motivationsansprachen sowie videospielartigem Herumgeballere mit den Kreaturen vom anderen Stern. 

Bild zu: Die Woche im Fernsehen: Tut's weh, tut's nicht weh?Dagegen ist die „Literatursprechstunde“, die Arte am Wochenende eingerichtet hat, eine erholsame Abwechslung, wenn auch ein bisschen irre. Folge für Folge schleppt wird ein Romanklassiker angeschleppt, der von einem gewissen „Dr. Book“ auf Herz und Nieren Einband und Seitenzahl geprüft wird – in diesem Fall: Jane Austens „Sense and Sensibility“ (komplette Folge bei arte.tv). Der gesichtslose „Dr. Book“ malt Schaubilder an die Tafel, um Charakterkonstellationen zu erklären, pinnt Textauszüge an den Röntgenschirm und befragt Literaturexperten zu ihrem Eindruck: Ist das Werk noch zeitgemäß? Was hat sich der Autor dabei gedacht? Können das auch Männer lesen?

Gerade einmal 15 Minuten dauert die als Untersuchung inszenierte Kurzrezension, und so albern das auch sein mag: Sie macht Lust aufs Lesen. Mehr kann eine Literatursendung im Fernsehen eigentlich nicht wollen.

Mit seinem werktäglichen Vormittags-Talk „Die Ärzte“ will das ZDF seinen Zuschauer hingegen beim Gesundbleiben helfen – obwohl die Auswahl der Kulissenfarben (Rosa-Orange) und die der Moderatorin (Ruth Moschner) eher dagegen sprechen.

Bild zu: Die Woche im Fernsehen: Tut's weh, tut's nicht weh?Technisch gesehen funktioniert das so, dass Moschner die beiden Allgemeinmediziner Joe Bausch (der aus dem „Tatort“) und Michael Feld befragt, die sich wiederum Spezialisten einladen, die sich wiederum Leute aus dem Publikum holen, um zu simulieren, wie man Hexenschüsse loswird – was ein bisschen ungünstig ist, wenn die paar Zuschauerreihen komplett mit Schulklassen auf Senderbesuch vollgesetzt wurden, die mit Kranksein überhaupt nix am Hut haben und aussehen als seien sie bereits in Trance verfallen, weil sie ihre Smartphones im Studio nicht benutzen dürfen.

Wer nicht googlen kann und Ärzte lieber aus der Entfernung betrachtet, dem ist mit dieser Sendung sicher geholfen (Auftaktsendung in der ZDF-Mediathek); mit den Tipps der TV-Mediziner aber nur so mittel. Moschner hat’s gut zusammengefasst: „Immer schön gucken: tut’s weh, tut’s nicht weh.“

Das ist ja quasi auch das Motto von RTL. Und wenn was so richtig weh tut, ist das die Garantie, dass es auch auf den Sender kommt. Seit dieser Woche ist Vera Int-Veen, die sich sonst hauptberuflich über minderbemittelte Unverheiratete lustig macht, „Mietprellern auf der Spur“ – und zwar auch nicht weniger dramatisch als Spielbergs Alien-Invasion.

Bild zu: Die Woche im Fernsehen: Tut's weh, tut's nicht weh?„Da liegt’n toter Hund!“, schreit Int-Veen entsetzt beim Betreten der ersten „Horrorwohnung“, der „vermüllten Kloake“, den „59 Quadramtmetern pures Grauen“. Dann zeigt die Kamera den verwesten Hund, in Großaufnahme, schnell geschnitten, mit Zoom, ohne Zoom, von oben, von neben, von hinten, im Zeitraffer, mit Blendeffekt. „Horror!“, sagt Int-Veen. „Mehr als Horror“, sagt der Eigentümer. Von den Geisterbahnszenen erholt sich die Dokusoap in der ganzen ersten Folge nicht mehr. 

Als Int-Veen später den Verursacher ausfindig gemacht hat, geht’s bloß noch um die Konfrontation mit den in Tränen aufgelösten Wohnungsbesitzern, die auf den Renovierungskosten sitzen bleiben: „Ich kann meine Rentenversicherung verkaufen“, hat sie der Eigentümerin vorher noch für die Kamera entlockt. Am Ende wird natürlich alles gut und die renovierte Wohnung blitzt als sei sie frisch gewittlert worden (Sendung bei rtl-now.de ansehen).

Wie es zu den Müllbergen kam, woher der Hund stammt, was überhaupt alles passiert ist, damit es zu dem – ausführlich dokumentierten – Problem kommen konnte, all das ist RTL dann nicht mehr so wichtig und wird einfach weggelassen.

Anstatt sich darüber zu ärgern: Achten Sie doch beim Zusehen im Abgleich mit den behaupteten Zeiten mal auf die unterschiedlich farbigen Blusen Int-Veens, an denen man sehr schön erkennt, dass die Folge äußerst kreativ zusammengeschnitten wurde.

Soviel für diese Woche.

Screenshots: Das Erste, TNT Serie, Arte, ZDF, RTL

Das gefällt Ihnen? Das Fernsehblog gibt’s auch bei Facebook.


16 Lesermeinungen

  1. Horst Motor sagt:

    Der Abschnitt über "Die...
    Der Abschnitt über „Die Ärzte“ krankt aber auch noch etwas in punkto Orthografie, oder (Hexenschüssen, Kransein)?
    Den verwesenden Hund sieht man übrigsns nicht als Int-Veen die Wohnung betritt, sondern zu Beginn der Sendung wo (wie zuletzt in immer mehr Doku-Soaps et al) der Inhalt der folgenden Sendung bereits in 2 Minuten kompakt vorweggenommen wird. Dann noch mehrfach in Vorschauen und Trailern/Teasern vor der ersten Werbepause sowie danach. Und dann eben als die Szene wirklich in der Folge auftaucht (aus dem Gedächtnis rekonstruiert, das schau ich mir sicher nicht noch mal an).
    Ansonsten habe ich nicht nur einen Fernseher sondern schaue neben arte und 3sat auch mal bei RTL und anderen Privatsendern rein. Wenn mich einer fragte, wer das alles sehen soll, würde ich sagen: Derjenige, den es interessiert. Wollte jemand wissen, ob man über all diese vermeintlich schlechten Shows schreiben muss würde ich sagen: Aber klar, wenn das jemand lesen will!
    Insofern: Tipptopp Kolumne in einem Tipptopp-Blog. Immer weiter so!

  2. pschader sagt:

    @Horst Motor: Korrigiert....
    @Horst Motor: Korrigiert. Danke.

  3. wl sagt:

    Der Link zu Dr. Book...
    Der Link zu Dr. Book funktioniert nicht – schade! 🙁

  4. pschader sagt:

    @wl: Naja, der Link...
    @wl: Naja, der Link funktioniert – das Video ist halt nicht mehr verfügbar wegen der doofen 7-Tage-Regel.

  5. Jey sagt:

    Ohne Ruth Moschner wäre "Die...
    Ohne Ruth Moschner wäre „Die Ärzte“ echt noch halbwegs sehenswert, aber ich ertrage ihr übertriebenes gekünsteltes Lachen einfach nicht, wodurch sie offenbar versucht, Nicht-Witziges witzig erscheinen zu lassen.

  6. Andiblimp sagt:

    „Das Format der ZDF-Serie...
    „Das Format der ZDF-Serie „Die Ärzte“, Gesundheitsthemen als „Medizin-Show“ unterhaltsam und anschaulich zu transportieren ist gut. Dabei profitiert die Serie von der ausgezeichneten Auswahl der Fachexperten. Sowohl die Stammgäste, wie Arzt und Schauspieler Joe Bausch oder der Orthopäde sowie Mannschaftsarzt des 1. FC Köln, Dr. Peter Schäferhoff als auch die Gastmoderatoren wie Fitness- und Gesundheitsexperte Dipl.-Sportwissenschaftler Matthias Haun oder die Physiotherapeutin Eva Wermelskirchen wirken auf den Zuschauer allesamt sympathisch, kompetent, professionell und telegen. Leider kann Gastgeberin Ruth Moschner in dieser Preisklasse nicht ansatzweise mithalten. Sie kichert sich regelmäßig desinteressiert, oberflächlich und unauthentisch durch die Sendung und dokumentiert, dass sie dieses Sendeformat primär als Comedy- und Selbstdarstellungsvehikel betrachtet. Schade. Hat doch die Serie durch das mediengerechte Konzept und die inspirierten Fachleute das Zeug dazu, ein nicht triviales Thema informativ und zugleich quotensicher zu gestalten und ihr dadurch sogar das Potenzial für eine bessere Sendezeit zu liefern. Das ZDF sollte es noch einmal versuchen. Aber bitte ohne Ruth Moschner!“

Kommentare sind deaktiviert.