Das Fernsehblog

Die Woche im Fernsehen: Die zweitbeste Hoffnung, die wir noch haben

Die Sendungen
  • Bürgerforum live BR
  • Die Wochenshow Sat.1
  • Schwer verliebt Sat.1
  • Zurück in Bismuna
    Das Erste
  • Sommermädchen
    Pro Sieben

Die Gaststätte war perfekt ausgeleuchtet, das Bierglas gefüllt, der ganze Ort bis zur Unkenntlichkeit bedirndlt – und dann kam am Mittwoch die schlechte Nachricht, dass die Olympischen Winterspiele nach Pyeongchang gehen. Selbstverständlich war das bayerische Fernsehen professionell genug, sein für den Abend geplantes „Bürgerforum live“ aus Garmisch-Partenkirchen trotzdem durchzuziehen. Einerseits, damit jeder Olympia-Befürworter noch einmal ins Fernsehen reinsagen konnte, worüber sich fast alle im Wirtshaus einig waren: dass die Entscheidung angesichts der tollen Bewerbung aus Bayern „schwer nachzuvollziehen“ sei, auf jeden Fall „nicht sachlich“ und die IOC-Mitglieder diesen Fehler nun „selber mit ihrem Gewissen ausmachen“ müssten.

Und andererseits, um Moderator Tilmann Schöberl nicht die Gelegenheit zu vermasseln, auch mal Frank Plasberg spielen zu können (Sendung in der BR-Mediathek leider nicht direkt verlinkbar).

Dass er der Mehrzahl seiner Gäste bloß freundliche Suggestivfragen stellte, in denen permanent mitschwang, die Gegner der umstrittenen Bewerbung seien wohl Schuld am jetzigen Schlamassel, war schon nicht so glücklich.

Nachher bekam der Moderator aber auch noch den meisten Applaus, weil er die beiden Vertreter der Gegenseite als einzige kritisch befragte und sie permanent in ihren Antworten unterbrach. Die zum Teil völlig irren Behauptungen der Olympia-Fraktion zumindest ansatzweise mit der Realität abzugleichen, sparte sich der BR. Hätte im Wirtshaus natürlich auch nicht so viel Applaus gebracht. Am Ende stand Schöberl vor der schönen Bergkulisse draußen und meinte: „Hier hätte Olympia schon einen guten Platz gefunden.“ Wie gut, dass es anders gekommen ist. Sonst hätte der BR seinen Reporter womöglich als PR-Chef ans Organisationskomitee ausleihen müssen.

Als Sat.1 vor zwei Monaten seine „Wochenshow“ entmumifizierte, waren die Kritiken verheerend. Im Interview mit DWDL erklärte Chefautor Chris Geletneky gerade, woran das eigentlich lag: Die 3D-Grafik für den Hintergrund war noch nicht fertig! „Jetzt ist es aber unglaublich funky!“

Ja, so eine irre 3D-Grafik, in der die Kontinente durch große Punkte zusammengesetzt sind (also wie vor 15 Jahren in den „Tagesthemen“) hilft natürlich enorm, es plötzlich spitze zu finden, wenn Matze Knop sich schon wieder als Dieter Bohlen verkleidet und statt „The Next Osama bin Laden“ nun „Das Superpublikum“ sucht, wenn eine Militärparodie die nächste jagt und der Gastgeber den Gag rausfeuert, bei der Frauen-WM sei eine Spielerin unter Dopingverdacht geraten, weil sie im Stehen gepinkelt habe (ganze Show bei myspass.de ansehen).

Die zweite Möglichkeit ist, dass die „Wochenshow“ auch nach mehreren Ausgaben einfach immer noch unterirdisch schlecht ist.

Immerhin, eine positive Nachricht gibt es: Seit der ersten Sendung im Mai hat Lück seine Frisur in den Griff bekommen. Jetzt muss er nur noch mit dem Flunkern aufhören. Vor der Werbepause „Bleiben Sie dran, es lohnt sich“ zu versprechen, hilft nämlich wenig, wenn danach das Gegenteil bewiesen wird.

Dabei kann Sat.1 doch auch ganz anders: nämlich sich voll und ganz darauf konzentrieren, dem Publikum vorzugaukeln, es sei bei RTL gelandet. So gesehen ist der Auftakt der Kuppelsoap „Schwer verliebt“ hervorragend gelungen: Moderatorin Britt Hagedorn, im neunten Monat schwanger, schlägt sich prima als Ersatz-Vera-Int-Veen. Und die 45 Minuten, in denen vermeintlich übergewichtige Kandidaten vorgestellt werden, die übers Fernsehen ihre große Liebe suchen, bedienten sich exakt derselben Mittel, die bereits „Schwiegertochter gesucht“ (und „Bauer sucht Frau“) zum Erfolg gemacht haben.

Nicht nur die einfachen Haupsätze hat man sich von der Konkurrenz gemopst, sondern auch die Alliterationen. Die Sendung ist vollgestopft mit „rüstigen Rentnern“, „fröhlichen Flötenspielern“, „molligen Märchenprinzen“ und „sanften Südharzern“.

Obwohl permanent darauf verwiesen wird, dass „Pfundskerle“ mit „Herz und Hüftgold“ glücklich gemacht werden sollen und „Wonneproppen“ mit potenziellen Partnern „durch dick und dünn gehen“ werden, macht sich jedoch auch „Schwer verliebt“ bloß mit perfide gespielter Ernsthaftigkeit über Menschen lustig.

ÜDa ist die Kandidatin, die immer noch mit Barbiepuppen spielt und diese gegenseitig verheiratet, der an Schnappatmung leidende Mamasohn und die Handleserin, die sich entschieden hat, ihren Damenbart wachsen zu lassen, woraufhin Sat.1 in der Bauchbinde freundlicherweise einblendet: „Mariam, 47, ist eine Frau“ (Einzelvideos bei sat1.de). Produziert wird das Bloßstellungsfernsehen zur Abwechslung von UFA Entertainment – vielleicht sind die Werte, über die UFA-Chef Wolf Bauer sonst so gerne spricht, da ausnahmsweise mal zweitrangig gewesen.

Wann genau ist das eigentlich aus der Mode gekommen, dass das Fernsehen seine Protagonisten (und deren Probleme) auch mal ernst nimmt?

Uli Kick würde wahrscheinlich sagen: gar nicht. Im Auftrag der ARD ist der Filmemacher nach Nicaragua gereist, wo drogenabhängige Jugendliche aus Deutschland in einem Camp unter der Anleitung eines Pädagogen und einer Theologin lernen sollen, sich eine Perspektive zu erarbeiten. Zwölf Jahre ist das her.

Im vergangenen Jahr hat sich Kick entschlossen, wieder hinzufahren. In „Zurück in Bismuna“ (Video in der ARD-Mediathek) dokumentiert er nicht nur, wie das Camp wegziehen musste, weil das daran angeschlossene indianische Dorf selbst im Drogensumpf versank. Sondern vor allem, was aus den drei Teenagern geworden ist, die er damals kennenlernte. Wie sie nach Deutschland zurückkamen und die Kurve gekriegt haben – oder eben nicht. Kick lässt die Endzwanziger ihre Geschichte in eigenen Worten erzählen, begleitet sie in ihrem neuen Leben zur Arbeit und auf die Bahnhofstoilette, wo sich einer den nächsten Schuss setzt.

Es geht ums Neuanfangen, ums Scheitern und darum, ehrlich zu sich zu sein. Dafür braucht der Filmemacher keine konfliktscharfe Kamera und keinen reißerischen Off-Kommentar, bloß das Vertrauen derjenigen, die er porträtiert. Dabei herausgekommen ist ein wahrlich beeindruckender Film, der die Erwachsenen mit ihren Träumen von damals konfrontiert und ziemlich schonungslos zeigt, was er im Untertitel verspricht: „Der harte Kampf gegen die Drogensucht.“

Noch so ein Problem, über das sich deutsche Schulen dringend Gedanken machen sollten: der Schwimmunterricht! Notfalls müssen halt ein paar Stunden Mathe oder Deutsch gestrichen werden, um der Jugend beizubringen, wie sie sich im Wasser zielfördernd bewegt – sonst blamieren die sich doch spätestens, wenn sie „Sommermädchen“ bei Pro Sieben werden wollen.

Die Nichtschwimmerquote, zumindest die behauptete, war bei den elf in diesem Jahr ums Berühmtwerden (und den nutzlostesten Titel der deutschen Fernsehbranche) kämpfenden jungen Frauen zumindest riesig, als sie in einem spanischen Freibad vom Fünfer springen sollten. Um nach einem Schlüssel zu tauchen, der ihnen das Zimmer in der Luxusvilla öffnet, in der sie sich gegenseitig bezicken dürfen. In den „vielleicht sieben härtesten Wochen ihres Lebens“. Also eine Art Ersatzwehrdienst im Schnelldurchlauf (und im Bikini).

Immerhin: die Ansage ist klar. Es geht um Zoff, Tränen und möglichst viel nackte Haut. Das ist ganz gut ansehbar, wenn man zufällig gerade eine Gehirnhälfte an den Nachbarn verliehen hat. Denn alles, was den „Sommermädchen“ passiert, wird praktischerweise zweimal erklärt.

Alles, was den „Sommermädchen“ passiert, wird praktischerweise zweimal erklärt: einmal vom Off-Sprecher und gleich danach von Moderatorin Jana Ina Zarella, die schon vom Kartenablesen leicht überfordert ist, weshalb sie das die meiste Zeit ihrem Gatten Giovanni überlässt. Ansonsten ist die Neuauflage (ganze Folge bei prosieben.de) wieder ein Festival falscher Tränen und Brüste, in der die Glücksbringerkuscheltiere so lange gedrückt werden, bis man das Gefühl hat, da müsse mal der Tierschutz einschreiten, um die vielen Hündchen, Schäfchen und Bärchen zu retten.

Für die Damen kommt wahrscheinlich jede Rettung zu spät, selbst wenn eine vor dem Turmspringen zu ihrem Team sagt: „Ich bin die zweitbeste Hoffnung, die wir noch haben.“ Für Pro Sieben ist sie sogar schon die letzte.

Soviel für diese Woche.

Screenshots: BR, Sat.1, Das Erste, Pro Sieben

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