RTL exhumiert seinen „Bachelor“, Pro Sieben legt „Die Alm“ frei, Sat.1 funkt „Bitte melde dich“ aus dem Jenseits und bei Kabel 1 geht das „Quiztaxi“ auf Geisterfahrt – den Programmankündigen der Privatsender zufolge wird die nächste TV-Saison vollgestopft sein mit Neuauflagen alter Shows, die es sich längst in den nassen Gräbern der Fernsehgeschichte bequem gemacht haben.
„Alm“-Moderatoren J. Kunze und D. Aminati, der dritte Kollege in der Mitte ist namentlich bisher nicht benannt
Wehe, auch nur eine dieser Sendungen aus der Schattenwelt wird ansatzweise ein Erfolg: Dann müssen sämtliche Quotenzombies, die das Publikum einst durch heldenhafte Nichtbeachtung ins Jenseits beförderte, auferstehen, um uns ein zweites Mal auf den Geist zu gehen. Damit Sie gewarnt sind, erinnert das Fernsehblog an Kandidaten, vor denen es sich am meisten zu fürchten gilt – und gibt Tipps zur Prävention.
Schöne Fahrt durch die Fernsehgeisterbahn! Muahahahahahaha.
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„Comeback – Die große Chance“, Pro Sieben (R.I.P. 2004)
Art der paranormalen Aktivität: Musiker, die sonst einen schönen Lebensabend in der „Ultimativen Chartshow“ hätten verbringen können, sollten noch einmal ein Album aufnehmen – sofern das Publikum sie unterstützt. Nicht nur im Falle von C.C. Catch, Haddaway und Jazzy von Tic Tac Toe verstanden die Zuschauer das als unverhohlene Drohung und wählten sie aus der Show. Am Ende gewann Chris Norman, der auch vorher alle ein bis zwei Jahre ein neues Album veröffentlicht hatte, weswegen vielen der gesellschaftliche Schaden mit ihm als Sieger am geringsten schien.
Wie der Spuk beendet wurde: Klassischer Quotenexodus. Arabella Kiesbauer erklärte den Misserfolg anschließend so: „Wir waren [nach ‚DSDS‘ und ‚Popstars‘] vielleicht zu spät dran. Die Castingformate sind vom Zuschauer auf breiter Front nicht mehr angenommen worden.“ Anschließend beendete sie ihre Karriere im deutschen Fernsehen. Ein Jahr später scheiterte ihr Comeback als N24-Talkerin.
Was im Notfall zu tun ist: Riesengefahr, dass Pro Sieben bei einer Neuauflage einfach die komplette Riege der verschlissenen „Popstars“-Gewinner aufeinander hetzt! Deshalb ist es von unbedingter Notwendigkeit, zur möglichen Wiederausstrahlung den Fernseher auszulassen und mit der Familie schön Karaoke singen zu gehen. Andernfalls tragen Sie die Konsequenzen, wenn Ihre 11-jährige Tochter später die neue CD von den süßen Jungs von „Overground“ runterlädt.
„Kämpf um deine Frau“, Sat.1 (R.I.P. 2004)
Art der paranormalen Aktivität: Sensationsshowerfolg von Sat.1 aus dem Jahr 2004 – jedenfalls in der Imagination des damaligen Senderchefs Roger Schawinski. Zwölf Kandidaten mit schweren Lastern (den schlechten Angewohnheiten, nicht denen mit Lenkrad) sollten die Gunst ihrer Ehefrauen zurückerobern – indem sie Putzen, Waschen und Bügeln lernen, dabei abnehmen und sich psychologisch beraten lassen (Ausschnitt bei tvtotal.de). Heute läuft das erfolgreich in Einzelshows bei MDR, RTL und Kabel 1. Aber Sat.1 hat sich dazu entschlossen, den sicheren Erfolg zu verschenken, damit sich die vom ZDF geholte Moderatorin Andrea Kiewel ins Buch der Rekorde eintragen konnte – für den kürzesten Ach-so-doch-nicht-Senderwechsel des deutschen Fernsehens. (Noch vor Oliver Pocher.)
Wie der Spuk beendet wurde: Bereits mit der ersten Sendung, die unter 5 Prozent Marktanteil erreichte. Da hatte Sat.1 dummerweise schon eingeplant, den Murks täglich zu zeigen, und schleifte „KudF“ wochenlang mit wie ein abgestorbenes Bein.
Was im Notfall zu tun ist: Im Falle der Wiederaufnahme besorgen Sie sich Karten für die erste Show, setzen sich ins Publikum und rufen mittendrin „Weight Watchers“. Der Rest erledigt sich von selbst.
„Hire or fire – der beste Job der Welt“, Pro Sieben (R.I.P. 2004)
Art der paranormalen Aktivität: Der Erfolgsproduzent John de Mol züchtete sich eine Gruppe junger Businessäffchen, die ihm aufs Wort gehorchten und alberne Businessaufgaben erfüllten, auf dass sich das beste Äffchen nachher an de Mols Seite neue Fernsehideen ausdenken dürfe. Was es mit dem im Untertitel versprochenen „besten Job der Welt“ auf sich hatte, wurde nie verraten.
Wie der Spuk beendet wurde: Sofortige Köpfung. Nach dem Misserfolg der ersten Ausgabe setzte Pro Sieben den „Apprentice“-Verschnitt quasi noch während des Abspann ab und schützt die Welt bis heute vor der Erstausstrahlung der übrigen bereits produzierten Folgen.
Was im Notfall zu tun ist: Weil sich Daniela-Katzenberger-Entdecker Bernd Schumacher vermutlich freiwillig für die Neubesetzung des erfolgreichen Fernsehproduzenten zur Verfügung stellen würde, hülfe es, ihn mit Katzenberger-Sendungen so sehr auszulasten, dass er für sonst nichts mehr Zeit fände: also immer schön „Natürlich blond“ einschalten.
„Entern oder kentern“, RTL (R.I.P. 2007)
Art der paranormalen Aktivität: Sonja Zietlow und Götz Otto spielten „Fluch der Karibik“ in Wackelkulissen, die so billig waren, dass es sich RTL nachher trotz mieser Quoten leisten konnte, die komplette Staffel auszustrahlen. Prinzip der Show war es, Schützenvereine, Skatclubs und Singtruppen samt prominenter Unterstützung („Caroline Beil“, „Ruth Moschner“, „Kai Ebel“, „Giulia Siegel“, „Katy Karrenbauer“) um einen Geldgewinn („Schatz“) kämpfen zu lassen und sie mit angeheuerten Schubstrupps von glitschigen Hindernisparcours runterzuwerfen, runterzuspritzen und runterzuschleudern.
Wie der Spuk beendet wurde: Langsames Ausbluten. Nach gutem Start wurden die Quoten immer schlechter, aber nicht so schlecht, dass RTL sich getraut hätte, die Show dahin zu verlegen, wo sie hingehört hätte: ins japanische Kinderprogramm.
Was im Notfall zu tun ist: Um kontinuierlich schlechtes Wetter zu produzieren, essen Sie bitte für den kompletten Verlauf einer möglichen Neuauflage Ihren Teller nicht leer. Der viele Regen müsste die Jahrmarktkulissen in Köln-Hürth augenblicklich wegspülen und weitere Sendungen verhindern. Positiver Nebeneffekt: Das „Big Brother“-Haus würde gleich mitgerissen. Risiko: RTL verscherbelt nach Zietlow auch „Entern oder kentern“ an RTL 2, wo die Show dann in dem einen Studio produziert wird, das sich der Sender leisten kann, und die Kandidaten aus Kostengründen bloß pantomimisch nachstellen sollen, sie würden von einem Parcours purzeln.
„Inselduell“, Sat.1 (R.I.P. 2004)
Art der paranormalen Aktivität: Holger Speckhahn entführte 13 Kandidaten auf eine malaysische Insel, wo sie sich gegenseitig darum kloppten, wer Obertrommler wird. Heimlicher Star der Show war allerdings ein unschuldiger Waran, dem die Teilzeitinsulaner so derb eins über den Schädel brezelten, dass sie ihn nachher verspeisen mussten, um die Tat zu vertuschen. War halt dummerweise die Kamera dabei. Nach der Ausstrahlung stellten Tierschützer Strafanzeige gegen Sat.1.
Wie der Spuk beendet wurde: Lang und schmerzvoll, bis zum Staffelende. Für den Waran natürlich schon früher.
Was im Notfall zu tun ist: Klauen Sie Steven Gätjen das Handy, dann kann der nicht rangehen, wenn Sat.1-Chef Andreas Bartl anruft, um ihn zu fragen, ob er noch was für ihn moderieren will bevor er zur ARD wechselt.
Screenshot: Pro Sieben
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Vielleicht sind die...
Vielleicht sind die Programmchefs der Meinung, dass die Zuschauer nach Jahren der Scripted Reality verblödung bereit sind für anspruchsvolleres Fernsehgut.
Ich liebe Trash-TV....
Ich liebe Trash-TV.
Ziemlich 2004-lastige...
Ziemlich 2004-lastige Aufstellung. Ich würde auch gerne die besten Flops der Jahre 2005, 2006 und 2008-2011 lesen, z.B. diese Til Schweiger Casting-Show, Gottschalks Vor-der-Tagessschau-Talk etc.
@Daniel: Ist mir erst beim...
@Daniel: Ist mir erst beim Aufschreiben aufgefallen, dass 2004 ein Top-Jahr in dieser Hinsicht war. Sind aber auch die ganz großen Klassiker.
Nur den Rätselflug will ums...
Nur den Rätselflug will ums Verrecken keiner mehr wiederbeleben.
Würde Günter Jauch zu gerne noch einmal durch die Pampa wetzen sehen…
Das Beste war ja, dass John De...
Das Beste war ja, dass John De Mol seine Show vor der Ausstrahlung in ganzseitigen Anzeigen mit dem Slogan „Wer floppt, fliegt“ bewarb – quod erat demonstrandum…
Also, ich hatte mir von entern...
Also, ich hatte mir von entern oder kentern tatsaechlich was erwartet. War die Show doch offensichtlich vom altgedienten ‚Takeshis Castle‘ abgekupfert. Was kann man gross falsch machen, willige Kandidaten durch einen abgedrehten Hindernissparcours zu schicken.
Leider wurde ich eines Besseren belehrt. Wie schon in jeder modernen Sendung wird das geschehene bis zum erbrechen kommentiert, anstatt die Leute einfach machen zu lassen. Die Haelfte der Zeit geht dafuer drauf anzukuendigen/zu kommentieren, wie schwer/nervenaufreibend/spektakulaer alles sein soll.
Wieso eigentlich, brauchen die Programmmacher eine Daseinsberechtigung? Meine Theorie ist, dass man Material, dass fuer eine Stunde reicht, fuer den Fernsehabend auf 2 Stunden strecken muss.
So verbleibe ich in immer noch guter Hoffnung, dass auch mal in Deutschland eine gute Geschicklichkeitsshow ohne viel Trara drumrum ausgestrahlt wird. z.B. koennten sich die Macher ja mal ‚Ninja-Warrior‘ (nur noch auf youtube) ansehen um zu sehen, wie man Schadenfreude mit echtem Mitfiebern verbindet.
Ist doch wunderbar, wenn diese...
Ist doch wunderbar, wenn diese Sendungen neu aufgelegt werden. Das heißt doch im Umkehrschluss, dass den Machern nichts neues und noch schlechteres einfällt. Das Ende der Trash-Fahnenstange ist erreicht, so hoffe ich jedenfalls.
Auf der anderen Seite ist es...
Auf der anderen Seite ist es ja positiv, dass die Sender anscheinend wieder genug Geld haben, um wieder mehr Shows neu zu produzieren und nicht nur die 138. Wiederholung alter Folgen bringen (siehe ‚Genial Daneben‘, da laufen ja nach Jahren auch wieder neue Folgen). Schade nur, dass sie offenbar nicht kreativ (und / oder mutig) genug sind, ganz neue Konzepte zu probieren, sondern lieber auf Konzepte zurückgreifen, die bisher zum Glück in den Kellern der Sender zu verstauben schienen und die schon damals nur halbwegs erfolgreich waren.