Allen, die schon immer zum Fernsehen wollten, hat der neue Kabel-1-Geschäftsführer Karl König vor anderthalb Wochen Hoffnung machen können: Selbst mit einem ausgedachten Namen, einem Wüstenrot-Lächeln und einer Vergangenheit als bewusstseinserweiternde Substanzen zu sich nehmender Monteur kann man irgendwann Senderchef werden. Im DWDL-Interview sagte König jedenfalls, er müsse „an einigen Stellschrauben noch […] drehen“, und zwar „um Farben zu finden“, damit er „Zuschauer einsammeln“ kann, mit denen er „diese Flughöhe […] halten“ wird, weil er ja „so weit wie möglich in die 6 reingehen“ will.
Auf seine Arbeit bei Kabel 1 wird sich das ja wohl nicht bezogen haben, oder?
Womöglich war das schlimme PR-Getöse aber auch bloß ein Ablenkungsmanöver, ebenso wie das schlimme neue Sendermotto „Kabel 1, eins Baby“, das seit Samstag nach den Programmhinweisen nervt.
Immerhin hat dadurch niemand gemerkt, dass Pro Sieben Sat.1 seinen drittältesten Sender gerade zur Abspielstation für Filme und Serien degradiert hat und damit sämtliche Bemühungen der vergangenen Jahre zunichte macht, die mal darauf zielten, den früheren Spielfilmkanal als vollwertigen Unterhaltungssender zu positionieren.
Bei der Programmankündigung für die Saison 2008/2009 schwärmte der damalige Kabel-1-Chef Guido Bolten (der nach seinem Scheitern bei Sat.1 inzwischen nicht mehr für die Gruppe arbeitet) noch: „Mit dem Ausbau unserer Eigenproduktionen […] hat sich der Sender nachhaltig als modernes Vollprogramm etabliert.“ Vollprogramm ist nicht mehr, Kabel 1 wird zurückgebaut zu dem, was der Sender früher einmal war: Abspielstation für US-Ware. Inzwischen sind zwei von drei Abenden, an denen Jahre lang eigenproduzierte Dokusoaps und Shows liefen, gestrichen. Sonntags wiederholt Kabel 1 „Two and a half Men“ endgültig zu Tode (mit tollen Quoten), donnerstags laufen wieder Krimiserien. Nur noch am Dienstag werden Dokusoaps gezeigt.
Als Rückschlag will man das in München nicht verstanden wissen – und hat stattdessen, passend zum rätselhaften Sendermotto, eine noch rätselhafte Strategie erfunden: „Relax mal sechs + 1“. Man muss schon ziemlich viele Farben finden, um auf die Flughöhe zu kommen, bei der man seine Stellschrauben so weit dreht, dass einem dieser Unfug einfällt.
Das Tragische an der Kehrtwende ist: sie lässt sich sogar ganz gut nachvollziehen. Weil fast alle Eigenproduktionen, die sich Kabel 1 in den vergangenen Jahren traute, beim Publikum durchfielen. Das meiste war einfach großer Mist, lieblos produziert oder völlig fernsehungeeignet. Ein paar Beispiele gefällig?
„Jumbos Würstchenmillionär“ und „Deutschlands beste Partyband“ sollten vom Casting-Boom im deutschen Fernsehen profitieren, dabei fehlte beiden Sendungen völlig die Relevanz. Die Zahl der Menschen, die davon träumen, einmal in ihrem Leben eine Currywurstbude auf einem Baumarktparkplatz zu eröffnen, ist nunmal überschaubar (siehe auch „Die Woche im Fernsehen: Am Bauch des Volkes“).
Alles, was irgendwie mit Kochen, Bauen, Renovieren zu tun hatte, kam notdürftig zur Dokusoap zusammengezimmert ins Programm; was funktionierte, wurde endlos vervielfältigt: Aus „Abenteuer Leben“ wurde „Abenteuer Leben Weekend“, „Abenteuer Leben – täglich Wissen“, „Abenteuer Leben XXL“, „Abenteuer Alltag – So leben wir!“, „Abenteuer Alltag – Jetzt bauen wir!“; zur Auswanderer-Doku „Mein neues Leben“ kam „Mein neues Leben XXL“, „Mein neues Haus“, „Mein neuer Job“.
Um originelle Typen (die zum Beispiel bei RTL den Erfolg der Dokusoaps wesentlich mittragen), hat sich Kabel 1 selten bemüht – und die guten Leute ziehen lassen. „Fast-Food-Duell“-Koch Björn Freitag ist inzwischen beim WDR „Der Vorkoster“ und „Der Immobilien-Fürst“ Karl-Heinz Richard Fürst von Sayn-Wittgenstein hätte mit seiner Hauruck-Attitüde dringend einen zweiten Anlauf verdient gehabt. (Oder irgendeine andere Sendung, bei der der Off-Sprecher alle paar Minuten seinen Namen in voller Länge sagen muss.)
Am Vorabend hat Kabel 1 das Publikum mit neuen Shows – Entschuldigung: zugeschissen. Manches davon war gar nicht so übel („Kochen mit Knall“), ist aber so schnell wieder aus dem Programm verschwunden, dass es sich gar nicht gelohnt hat, dranzubleiben.
Von den Anstrengungen der vergangenen Jahre übrig geblieben sind nun: die Abspeck-Dokusoap „The Biggest Loser“ (ausgerechnet die Show, bei der Kabel 1 ein Mal Durchhaltevermögen bewiesen hat und dafür belohnt wurde), „Die strengsten Eltern der Welt“ und das uralte Kontrolletti-Format „Achtung Kontrolle!“. Als „neu“ für die nächste Saison angekündigt sind „Die Versicherungsermittler“ (ein RTL-Klon) und „Stellungswechsel: Job bekannt, fremdes Land“ (schon mal als „Mein neuer Job“ gefloppt).
„Ich verstehe Kabel 1 auch ein wenig als Entwicklungs- und Ideenlabor für Pro Sieben und Sat.1“, hat Neu-Geschäftsführer König im DWDL-Interview die Rolle seines Senders kommentiert. Dabei erinnert der Sender, um mal auf derselben Metaphernebene zu bleiben, eher an eine Organspendebank, aus der sich Sat.1 und Pro Sieben munter das rausnehmen können, was ihnen passt (einzelne Serien, manchmal auch ganze Krimiabende) und das zurückverpflanzen, was sie nicht mehr brauchen (gefloppte Serien und Sportübertragungen, die erwartbar wenig Quote bringen werden).
Kabel 1 jetzt auch noch zwei Drittel der Sendeplätze für Eigenproduktionen wegzunehmen anstatt stärker in neue, wirklich durchdachte Formate zu investieren, ist eine Kreativkapitulation. Selbst wenn sie mit einem freundlichen Wüstenrot-Lächeln verkauft wird.
Screenshot: Kabel 1
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Regt sich die Frankfurter...
Regt sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung gerade wirklich darüber auf, dass ein Sender seine Dokusoaps aus dem Programm gestrichen hat? Meint Ihr das wirklich ernst?
<p>> Kabel 1 jetzt auch...
> Kabel 1 jetzt auch noch zwei Drittel der Sendeplätze für Eigenproduktionen
> wegzunehmen anstatt stärker in neue, wirklich durchdachte Formate zu
> investieren, ist eine Kreativkapitulation.
Andere Sender haben ja auch so ihre Mühen mit „neuen, wirklich durchdachten
Formaten“. Und Je mehr olle Filme und Serien laufen umso weniger Fake-Doku-
Scripted-Reality-TV gibt es.
'tschuldigung aber WO ist der...
‚tschuldigung aber WO ist der Unterschied zu Pro 7?
Ich gucke seit Jahren keine „normalen Sender“ mehr, habe aber jetzt neulich mal auf Pro7 geschaltet und bin ein paar Tage Programm durchgegangen im EPG.
Das ist doch genau das Gleiche. Hunderte Wiederholungen von Comedy-Sendungen jeden Tag und das in Blöcken von 2 bis 4 (!) Folgen einer Serie am Tag. BBT, Scrubs etc. pp. quasi in der Endlossschleife und Nachts werden ALLE Folgen wiederholt. Neue Folgen nach 20 Uhr und an anderen Tagen Serien aus den USA.
Es ist im Prinzip „Network TV“ aus den USA – alles was über 100 Folgen hat wird eingekauft und bis zum Erbrechen gesendet, hier und da ein Spielfilm und nach 23 Uhr eine Late Night Talkshow (Raab). Alles nach Schema F.
Wo ist da der Unterschied? Dass auf Pro7 noch Galileo läuft und ab und an mal eine Abendsendung mit Raab? Wow. Wahnsinn.
Eine Frage: Für welche...
Eine Frage: Für welche Zielgruppe, deren mittlerer IQ den unteren Durchschnitt der Gesamtbevölkerung auch nur peripher tangiert (und Besucher von FAZ online ordne ich jetzt einfach mal überwiegend hier ein) soll bitteschön die in ihrer Absurdität immerhin formvollendet und ausführlich beschriebene geänderte Senderstrategie von Kabel 1 auch nur im entferntesten „relevant“ (um in ihrem Jargon zu bleiben, s. oben) sein? Soll heißen: Denken Sie wirklich, dass Sie hier irgendjemanden finden, der schon mal von Formaten wie „Kochen mit Knall“ oder „Fast-Food-Duell“ gehört hat, sie für „gar nicht so übel“ hält (was im übrigen schwer vorstellbar ist) und ihr Ableben bedauert? Die Lösung ist doch ganz einfach: Umschalten!
ich kann diesen schritt nur...
ich kann diesen schritt nur begrüssen.
„Das meiste war einfach großer Mist, lieblos produziert oder völlig fernsehungeeignet.“
sind das nichtgut 85% aller in deutschland eigenproduzierten tv-formate?
vielleicht erbarmt sich kabel1 dann auch mal eine tolle serie wie „the wire“ im free-tv zu zeigen.
Also, ich finde es schade. Bei...
Also, ich finde es schade. Bei Kabel 1 habe ich kochen, aufräumen und renovieren gelernt. Dank der Kontrolleure weiß ich endlich, dass ich bei rot nicht über die doofe Ampel darf, und seinen Nachwuchs zu vermöbeln scheint pädagogisch auch nicht so wertvoll zu sein.
Ohne diese schönen Sendungen werden ich nun wieder ein übergewichtiger, kleinkrimineller, arbeitsloser Messie und Straßenrowdy!
Macht aber so insgesamt betrachtet auch mehr Spaß!
Kabel 1? Ist das dieser 24...
Kabel 1? Ist das dieser 24 Stunden-Two and a Half Men- und Ordnungshüter-Dokusoap-Spartenkanal?
@ Relevator
Sie haben...
@ Relevator
Sie haben anscheinend „Kochen mit Knall“ oder das „Fast- Food- Duell“ noch nie gesehen, sonst wüssten Sie, dass das zwei Formate waren, die sich erfreulicherweise in der Qualität vom übrigen Kabel1- Dokuzeugs unterschieden.
Ich fand viele der eigenproduzierten Formate von Kabel1 auch eher dürftig, habe aber auch langsam die Dauerwiederholungen von „Two and a half Men“ satt. Und das soll noch mehr werden? Bitte nicht.
Beim neuen Slogan muss ich übrigens an gewisse nicht juggendfreie Filme denken.
Solang das gute Konserven...
Solang das gute Konserven sind, die da gesendet werden, ist mir das allemal lieber, als dieser eigenproduzierte Quark.
Was mich stört (bei...
Was mich stört (bei Pro7):
Von den Simpsons laufen jeden Tag zwei Episoden. Am Dienstag kommen noch mal zwei dazu.
Wenn jedoch die neue Staffel in Erstausstrahlung auf Pro7 läuft, dann werden gerade diese Episoden nicht wiederholt. Einige Male habe ich schon Episoden der neuen Staffel verpasst und feststellen müssen, dass keine Wiederholung geplant ist.
Und mich stört diese Endlosschleife bei zahlreichen Serien: Ob Simpsons, TaaHM, KoQ, Scrubs, BBT, etc.