- SOS Garten Sat.1
- Das Hermes-Prinzip
Das Erste - Ein Leben daneben ZDF.kultur
- Der Hafencowboy NDR
- Pro Sieben Spezial
Pro Sieben
Schauen Sie mal zum Fenster raus: Steht da eine dicke Frau mit Kamerateam im Garten und droht mit dem Komplettabriss, weil Sie wieder Unordnung im Schuppen gemacht haben, der Kompost falsch abgedeckt ist und die Platten zum Teich immer noch nicht verlegt sind? Dann verschließen Sie bitte augenblicklich sämtliche Türen und gehen nicht nach draußen. Denn diese Frau ist nicht Tine Wittler vom sympathischen Vertrauenssender RTL! Und sie wird nicht zögern, die naturbelassene Grünfläche hinter Ihrer Terrasse zu einem „Gartenparadies mit Chill-Out-Zone“ umzubauen, wenn es ganz schlimm kommt sogar zu einer „wahren Wohlfühloase“ oder einem „Ort für die ganze Familie“.
Mit „SOS Garten“ ist das schon mal ganz gut gelungen: Zu „Send me an Angel“ rauscht die frühere Pannenshow-Moderatorin Andrea Göpel im weißen SUV heran, um „Das Schutt-Inferno des Messie-Vaters“ zu beseitigen, selbigen vorher aber noch für seine Unordnung zu rüffeln (ganze Folge bei sat1.de).
Bei ihren darauf folgenden Instandsetzungsarbeiten muss die engagierte Baufirma aus Versehen das Kabel durchtrennt haben, mit dem das Raum-Zeit-Kontinuum im Gleichgewicht gehalten wird. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Gartengestaltung zwar vier Tage gedauert haben soll, bei der die Familie mit verschlossenen Rollläden im Haus saß, die Töchter beim Zwischenbesuch aber auf einmal ganz andere Frisuren haben als am Anfang und am Ende.
Dass Göpel auch noch die ganze Zeit dasselbe Outfit (rosa – äh – Bluse zu weißer Leggins) getragen hat, vertiefen wir besser nicht.
Die zweite, ebenfalls nicht ganz unplausible Möglichkeit ist, dass die Katastrophen-Produktionsfirma Red Seven Entertainment mal wieder versucht hat, Fernsehen zu machen. Obwohl sie doch genau weiß, dass sie das nicht kann. Zumindest ist dort bisher niemand auf die Idee gekommen, mal einen Cutter einzustellen, der aus dem ihm anvertrauten Material kein Anschlussfehler-Suchspiel macht.
Zuzutrauen wäre dem Sender auch, dass er den Garten vorher höchstpersönlich mit Schutt zukippen hat lassen, um nachher was zum Aufräumen zu haben. Die Familie musste sich bloß dazu verpflichten, ein bisschen schlecht zu schauspielern und den Papa vor ein paar Millionen Zuschauern als „Messie“ beschimpfen zu lassen – aber was tut man nicht alles, um der lästigen Gartenarbeit aus dem Weg zu gehen?
Die vorhersehbare Machart dieser Beiträge, egal von welcher ARD-Politredaktion sie stammen, bringt einen beim Zuschauen regelmäßig an die Zappinggrenze – was schade ist, weil „Das Hermes-Prinzip“ inhaltlich tatsächlich äußerst aufschlussreich war (in der Das-Erste-Mediathek ansehen).
Zu erklären, wie Hermes seine Fahrer über Subunternehmer einen verheerenden Lohn zahlt, sie quasi in die Schwarzarbeit treibt und sich aus der Verantwortung stiehlt, ist jedenfalls im besten Sinne journalistische Aufklärung. Nur braucht es dafür das ganze Gefuddel außenrum nicht, keine künstliche Dramatisierung und erst recht keine Kindergartenfragen von Journalistinnen, die auch mal vor die Kamera wollen.
So ist die erste Reportage über die Zivilisationsflüchtlinge, die sich einmal im Jahr für sieben Tage eine Stadt im Nichts aufbauen, nackig mit Feuer spielen und offensichtlich sehr viele Drogen nehmen, zwar sehr schön gefilmt – dummerweise aber auch arg harmlos geworden.
Pro Sieben hatte Sarah Connor, der NDR hat Gunter Gabriel! Beide können sich Texte nicht so gut merken und sind ein bisschen launig. Gabriel hat zusätzlich aber noch ein rosa gestrichenes Hausboot, von dem aus er sich mit der Kamera zu seinen Auftritten beim NDR-Schlagerfestival, einem Gesangsverein und einer Privathochzeit begleiten lässt. Das ist schon mal keine schlechte Ausgangsbasis für eine anständige Dokusoap wie „Der Hafencowboy“ und nicht halb so schlimm, wie es sich anhört (ganze Folge in der NDR-Mediathek). Weil Gabriel mit seiner großen Klappe, der ehrlichen Begeisterung für seinen Job an der Gitarre und der sympathischen Schlechtlaunigkeit realer als viele wirkt, die sich sonst im Fernsehen herumtreiben.
Dass die Sprecherin der Produktionsfirma Spiegel TV aus dem Off ständig dazwischen plappert, ist es nicht.
Den armen Erich von Daeniken einfach so ins offene Messer laufen zu lassen: das ist auch nicht die feine Art. Vor drei Jahren war der Mann für Pro Sieben noch Kronzeuge, um samstagabends mal eben die Existenz von Außerirdischen nachzuweisen. Und kaum löffelt sein Spezi Uri Geller das Niedrigquotensüppchen aus, das er dem Sender damit eingebrockt hat, stürzt sich Aiman Abdallah als Investigativäquivalent des Privatfernsehens auf den Prä-Astronautik-Forscher, um ihn komplett auseinanderzunehmen.
Dabei legte das „Pro Sieben Spezial“ zunächst eine völlig falsche Fährte, indem Dänikens Überzeugung, Außerirdische beeinflussten bereits seit der Steinzeit unser Schicksal, so knackig als Tatsachenbehauptung verpackt wurde, dass man sie glatt hätte glauben können – nämlich indem auf jede Alien-Theorie erst einmal eine Pause und dann etwas abgehackt der Zusatz „sagt Däniken“ folgte (bei prosieben.de ansehen).
Jeder, der ihm widerspreche, habe „keinen blassen Dunst von dem, was ich schreibe“, meinte der Gast und konterte den Einwurf des Moderators, man brauche schon sehr viel Phantasie, um so wie er zu denken, mit dem stichhaltigen Argument: „Nein.“ Zum Schluss stand dann sogar für Pro Sieben unmissverständlich fest, dass die UFO-Geschichtchen Blödsinn sind, wenn auch sehr unterhaltsamer Blödsinn. Und damit ist dann ja wohl allen geholfen: dem Sender, der aus der Komplettblamage von damals gelernt hat; Abdallah, der seinem Gesichtausdruck zufolge sehr großen Spaß daran hatte, diese Sendung zu moderieren.
Und natürlich den Aliens, die sich jetzt weiter schöne Kreise in Kornfelder mähen lassen können ohne jemals wieder von einem Pro-Sieben-Kamerateam dabei gestört zu werden.
Soviel für diese Woche.
Screenshots: Sat.1, Das Erste, ZDF.kultur, NDR, Pro Sieben
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