Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Kai Pflaume über 18 Jahre "Nur die Liebe zählt": Die Gänsehaut-Umleitung

| 4 Lesermeinungen

Fast zwei Jahrzehnte lief "Nur die Liebe zählt" im deutschen Fernsehen, so lange wie kaum eine andere Sendung. Im Fernsehblog erzählt Moderator Kai Pflaume, wie er gelernt hat, trotz der vielen Gefühlsausbrüche nie mitzuschluchzen, was er von Scripted Reality hält – und warum er definitiv nicht Eheberater werden will.

Zugegeben, wir sind ein bisschen spät dran – aber wenn es eine Show im deutschen Privatfernsehen geschafft hat, über 18 Jahre hinweg nicht abgesetzt zu werden, dann ist das schon eine kleine Würdigung wert. Selbst wenn die letzte Folge von „Nur die Liebe zählt“ bei Sat.1 schon vor einigen Wochen lief.

Dabei würde es natürlich hervorragend zur derzeitigen Senderstrategie passen, „Nur die Liebe zählt“ gleich wieder zurück zu holen. So wie all die anderen 90er-Jahre-Shows, die Geschäftsführer Andreas Bartl ab Herbst ins Programm nimmt. Moderator Kai Pflaume allerdings ist inzwischen ins Erste gewechselt. Und Sat.1 hat ihm den Abschied damit versüßt, dass die letzten aufgezeichneten Folgen seiner Show spontan den Sendeplatz wechseln mussten, wo sie so schlecht liefen, dass sie dann doch noch flott am Sonntagvorabend weggesendet wurden.

Vielleicht lassen wir das unschöne Ende mal für einen Moment beiseite – und fragen Pflaume stattdessen, wie er sich an die Sendung erinnert, mit der im Jahr 1993 seine Karriere als Fernsehmoderator begann.

Bild zu: Kai Pflaume über 18 Jahre "Nur die Liebe zählt": Die Gänsehaut-Umleitung
„Eheberater würde mir eher nicht liegen“, sagt Kai Pflaume. ARD-Moderator schon eher. / Foto: Sat.1

Das Fernsehblog: Herr Pflaume, Sie werden dieses Jahr fünf unterschiedliche Shows moderieren, so viele wie noch nie zur gleichen Zeit. Hat sich Ihre Familie schon beschwert?

Kai Pflaume: Muss sie gar nicht! Obwohl ich jetzt viele Projekte im Ersten und beim NDR habe, ist es sogar so, dass ich mehr Zeit habe als vorher. Von außen hat das, glaube ich, kaum jemand so wahrgenommen, aber ‚Nur die Liebe zählt‘ war eine sehr zeitintensive Sendung. Ich bin in den letzten Jahren jeweils mehr als 300.000 Meilen dafür geflogen. Pro Sendung gab es vier Drehtage plus An- und Abreise – für 25 Sendungen im Jahr waren also schon 100 Drehtage besetzt.

Welche wichtigen Erkenntnisse haben Sie aus 18 Jahren „Nur die Liebe zählt“ mitgenommen?

Zunächst einmal: dass es fast nichts gibt, woraus man nicht ein Herz formen kann. Aber falls Sie darauf anspielen: Ich hab auch nach all den Jahren kein 100-prozentiges Patentrezept fürs Liebesglück.

    „Da kommt viel aus dem Bauch und ist auf jeden Fall nicht geskriptet“

Das heißt, es wird nichts mit der Kai-Pflaume-Eheberatung als Nebengeschäft?

Eheberater würde mir eher nicht liegen. Ich hab aber oft das Gefühl, dass Menschen heute eine Beziehung viel zu schnell wegwerfen, weil sie glauben: dann kommt morgen eben jemand anderes. Das liegt natürlich auch daran, dass sich die Gesellschaft verändert hat. Man trifft heute sehr viel schneller andere Menschen, kann sich schneller wieder binden.

„Nur die Liebe zählt“ ist zwar lange Zeit erfolgreich gelaufen, aber die Sendung hat sich von der Kritik immer wieder auch vorwerfen lassen müssen, die Protagonisten bloßzustellen – wenn sie zum Beispiel von ihrer großen Liebe verschmäht werden.

Von der großen Liebe verschmäht zu werden, gehört doch zum Leben dazu! Und unser Ziel war immer, dass jeder Kandidat am nächsten Tag wieder erhobenen Hauptes auf die Straße gehen kann, egal wie die Geschichte ausgegangen ist. Das liegt in der Verantwortung der Macher.

War Ihnen das nie peinlich: daneben zu stehen und die Situation dann retten zu müssen?

Peinlich nicht, nein. Mit Menschen über derart private Angelegenheiten zu reden, ist aber auf jeden Fall schwierig: Du musst aufpassen, sie nicht zur Schau zu stellen, du darfst dich nicht über ihre Probleme erheben – denn für denjenigen, der zu uns kommt, ist das in diesem Moment das größte Problem, das er hat. Da darf man nicht daneben stehen und sagen: Was ist denn das für ein Quatsch? Ich hab immer versucht, dem Zuschauer eine neutrale Basis zu liefern: Er konnte entweder Beobachter sein oder sich emotional auf das einlassen, was passiert. Als Moderator muss man da für sich aber eine klare Trennung finden, inwiefern man selbst betroffen oder gerührt sein darf. Ich habe viele hochemotionale Momente in diesen Jahren erlebt, die haben sich bei mir aber eher in Gänsehaut niedergeschlagen, nicht in Form von Tränen. Es waren schließlich immer noch die Geschichten anderer Menschen.

    „Die Hemmschwellen sind unglaublich gesunken – auf beiden Seiten“

Dass Sie sich zurückgenommen haben, ist Ihnen aber auch negativ ausgelegt worden: als Routine. War’s nicht manchmal auch so?

Ganz im Gegenteil, ich fand’s immer wichtig, dass die Zuschauer merken: Das ist keine Routine, da kommt viel aus dem Bauch und es ist auf jeden Fall nicht geskriptet. Die Scripted-Reality-Formate waren am Ende ein großes Problem für ‚Nur die Liebe zählt‘, weil wir öfter gefragt wurden: Ist das auch nicht echt, was ihr da zeigt? Auch wenn das echte Leben die schönsten Geschichten schreibt, erscheint es gegen die mittlerweile vom Zuschauer gelernte Verdichtung einer geskripteten Wirklichkeiten oft langweilig.

„Nur die Liebe zählt“ hat Ihr Image sehr geprägt, bei den Zuschauern genießen Sie offenbar ein großes Vertrauen: Fast jeder, an dessen Wohnungstür Sie geklingelt haben, hat sie ohne zu Zögern reingelassen. Woher kommt das?

Im Unterschied zu vielen Dingen, die heute passieren, hab ich bis zum Schluss an der Wohnungstür aber auch immer gefragt: ‚Darf ich reinkommen?‘ Oder wir sind gleich draußen geblieben. Heute hab ich manchmal das Gefühl, dass ein Kamerateam schon in der Wohnung steht, wenn die Tür noch nicht richtig auf ist. Die Hemmschwellen sind unglaublich gesunken – auf beiden Seiten. Manchmal fragt man sich doch: Wozu sind die Leute alles bereit, um ein paar Sekunden Fernsehöffentlichkeit zu bekommen? Und von den Teams wird das in vielen Fällen ausgenutzt.

Foto: Sat.1

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4 Lesermeinungen

  1. Tobias sagt:

    <p>18 Jahre... Das ist eine...
    18 Jahre… Das ist eine ziemlich lange Zeit. So lange, dass die Sendung schon zum normalen Teil des Fernsehprogramms geworden ist und man sich kaum noch an die Zeit erinnern kann, wo die Sendung nicht lief…
    Ob Sat.1 das Kapitel jetzt wirklich abschließt ist fraglich. Vielleicht wird ja in einem Jahr oder in zweien ein Kai Pflaume 2.0 aus dem Hut gezaubert, der die Sendung wieder aufleben lässt. Mal sehen, ob der auch noch in die Wohnung gebeten wird oder ob das Kamerateam schonmal voranschreitet.

  2. Michael S. sagt:

    "Von der großen Liebe...
    „Von der großen Liebe verschmäht zu werden, gehört doch zum Leben dazu!…“
    Schon, aber halt nicht vor Millionen Zuschauer, ich blamiere mich auch lieber vor 3 Leuten als vor der Nation…

  3. Xaerdys sagt:

    Gescriptet war es vielleicht...
    Gescriptet war es vielleicht nicht, bisweilen wohl aber gestellt. Aus dem Fenster der Jenaer Uni konnte man jedenfalls einige Wiederholungen derselben Szene durchaus gut beobachten.

  4. PCPrima sagt:

    <p>Mensch wie die Zeit...
    Mensch wie die Zeit vergeht. Wäre schön, wenn in der Tat eine 2.0 Sendung folgen würde.
    Anja

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