Kurz vor Schluss ist dem „TV Lab“ offensichtlich die Puste ausgegangen. Der Endspurt fiel jedenfalls, um es höflich zu formulieren, enttäuschend aus. Hier kommen trotzdem die letzten drei Kurzkritiken zu den Vorschlägen von Donnerstag und Freitag, inklusive kleinem Projekt-Fazit. Ergänzen Sie! Widersprechen Sie! Am besten unten in den Kommentaren.
Am Samstagabend steht dann fest, wer das Rennen gemacht hat (und dieser Blogeintrag wird selbstverständlich aktualisiert).
„Teddy’s Show“
Genre: Comedy, erste Einschätzung: ab ins Vorschulprogramm
Ständig wird behauptet, Fernsehen und Internet wachsen zusammen. Mit „Teddy’s Show“ ist ZDFneo nun ein äußerst imposanter Gegenbeweis gelungen. Oder man muss Internetphänomenologie studiert haben, um zu verstehen, warum der gefeierte „Youtube-Held“ Tedros „Teddy“ Tedebrhan nun die ältesten Comedy-Stilmittel der Welt zusammenkehrt, um damit dann das Medium zu wechseln. Tedebrhan verkleidet sich als Musikstar mit aufgeklebter Zahnleiste; er ruft jungen Frauen in der Fußgängerzone „Hättense Interesse auf’n Date?“ hinterher (nein, da kommt kein Witz mehr); als Castingshowbewerber turnt er absichtlich schlecht singend durch Einkaufszentren; und führt in der Rolle des Fantasieprolls Interviews mit echten Politikern. Alles, wirklich alles in dieser „Show“ hat vorher im deutschen Fernsehen schon mal jemand besser gemacht.
Dabei ist eine TV-Karriere für Tedebrhan nicht völlig ausgeschlossen: Mit seiner Schlussnummer, Musikreime inklusive der Zufallswörter „Nasenbär“, „Nordseeküste“ und „Erdmännchen“ zu improvisieren, passt er prima ins Vorschulprogramm beim Kika. (Sendung trotzdem ansehen.)
„Liebe auf Speed“
Genre: Dating-Show, erste Einschätzung: ?
Sollten Sie irgendwann einmal in Versuchung geraten, mit Fernsehkritiken Geld verdienen zu wollen, kommt hier ein guter Tipp, der von Generation zu Generation weitergegeben wird: Schreiben Sie nie, wirklich niemals über Sendungen, in denen gleichzeitig die Worte „Traumprinz“, „Liebesengel“, „Mr. Right“, „Supermänner“, „den Kopf verdrehen“, „um den Finger wickeln“ und vor allem „versteckte Kamera“ vorkommen. Ignorieren Sie diese Sendungen ausnahmslos weg und verlieren nie wieder ein Wort darüber! (Sendung trotzdem ansehen.)
„Bullshit“
Genre: Comedy; erster Eindruck: hält, was der Name verspricht
Das war natürlich ein cleverer Sendeplatz für „Bullshit“, am Donnerstagabend direkt vor „Teddy’s Show“. Weil in deren Schatten dann gar nicht mehr so arg auffiel, wie wahr der Titel der Sendung ist, für die Martin Fromme, Lutz van der Horst und Sven Nagel die schon vor Jahren verstorbene Guerilla-Spaßattacke exhumiert haben, um ihr zombiemäßig noch einige letzte Zuckungen abzuringen.
Mit langen Bärten als Scheinbar-Terroristen verkleidet vor einem AKW rumzulungern und dann dem Herrn von der benachbarten Flugschule erzählen, er solle sie mal übers Kraftwerk fliegen, klingt jedenfalls schon arg nach erstbester Idee. Vorm Bonner Rathaus ein Helmut-Kohl-Denkmal aufzustellen und dann vom Ordnungsamt verjagt zu werden, ist schlicht langweilig. Und bei Leuten, die für eine bessere Flüchtlingspolitik unterschrieben haben, in den Garten einzubrechen, um bei ihnen ein paar Afrikaner abzugeben, ist – es nicht mal mehr wert, dass man sich dafür eine angemessene Beleidigung ausdenkt. Doch? Na dann: ganz mies. (Sendung trotzdem ansehen.)
Gezeigte Sendungen: 10 von 10
Bekanntgabe des Gewinners: am Samstag um 22.15 Uhr bei ZDFneo.
Abschließender Fernsehblog-Favorit: „Moviacs“
Und insgesamt?
Mag ja sein, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren nicht so viel Innovationsmut hatte wie in dieser Woche. Aber nur mal so am Rande gefragt: Gab es wirklich keine ernsten, düsteren, provokanteren Ideen für neue TV-Formate? Die Comedy-Dominanz hat dem ersten „TV Lab“ jedenfalls nicht so gut getan – weil nun wirklich niemand ZDFneo braucht, damit dort Shows laufen, die es (womöglich aus gutem Grund) nicht zu Pro Sieben gepackt haben.
Eine richtige Überraschung war unter den zehn Piloten nicht dabei. Vielleicht hätte eine ausgewogenere Auswahl für etwas mehr Spannung gesorgt. Hoch anrechnen muss man ZDFneo das Experiment natürlich trotzdem.
Und wenn es denn eine Fortsetzung geben sollte, ist fürs „TV Lab“ wenigstens noch ordentlich Luft nach oben. Vielleicht lässt man Joko und Klaas die Macher der Sendungen dann auch nicht mehr in einer umgeräumten Garage interviewen und spendiert eine zweite Kamera, damit es nicht mehr ganz so schlimm nach Offenem Kanal aussieht. Bei der Gelegenheit könnte das ZDF auch die Abstimmungsmodalitäten überdenken, von denen hier in den Kommentaren und in anderen Blogs bereits geschrieben wurde.
Gleich „Manipulation!“ zu rufen, ist allerdings Unsinn: Es war doch von vornherein klar, dass alle „TV Lab“-Kandidaten ihre Möglichkeiten nutzen werden, um im Netz für die eigene Sendung Stimmen einzufangen. Was denn auch sonst? Dass es dabei zu seltsamen Mustern kommt (und manche Formate unberechtigterweise zu stark abgewertet werden) ist allerdings weniger den Beteiligten anzulasten als dem Sender, der sich für dieses Verfahren entschieden hat. Wie hätte denn ein gerechteres Voting ausgesehen? So wie bei „Deutschland sucht den Superstar“, wo Teenager so lange Wahlwiederholung auf ihrem Handy drücken bis die Prepaid-Karte abraucht?
Dass am Ende womöglich nicht unbedingt die Sendung gewinnt, die am innovativsten ist, hat das ZDF sicher einkalkuliert. (Zumal sich das ja, wie anhand der sehr verschiedenen Kommentare zu sehen ist, eh nicht objektiv bewerten lässt.) Das „TV Lab“ hat auch so seinen Zweck erfüllt: ZDFneo ins Gespräch zu bringen und für neue Zuschauer zu öffnen.
Der Gewinner …
(Nachtrag, 20.16 Uhr) … steht fest und heißt: „Teddy’s Show“ (Platz 2: „German Angst“, Platz 3: „Bambule“). Was wiederum ein schöner Beweis für die alte Fernsehweisheit ist, dass TV-Kritiker am schlechtesten beurteilen können, was dem Publikum gefällt. ZDFneo hat eine Fortsetzung des „TV Lab“ angekündigt. Bis zum nächsten Jahr!
Screenshots: ZDFneo
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Es ist halt schon ein...
Es ist halt schon ein Unterschied ob man positive Eigenwerbung macht oder dazu auffordert andere Sendungen schlecht zu bewerten, vor allem mit der Begründung, dass die anderen es auch so machen würden. Das ist doch dreifach asozial. „Weil die anderen (angeblich) bescheissen, mach ich es eben auch.“ Nur machen die anderen, so sie denn eine Plattform haben nur positive Werbung.
Über die letzten drei Formate muss und sollte man kein Wort verlieren. Vor allem Bullshit war Fernsehen von dem ich dachte, dass es endlich ausgestorben wäre.
@JMK: Wie gesagt: ich fände...
@JMK: Wie gesagt: ich fände es auch gut, wenn das ZDF das Verfahren noch einmal generell überdenken würde.
Bei "Bullshit" bin ich absolut...
Bei „Bullshit“ bin ich absolut eurer Meinung. Hab frühzeitig abgeschaltet, weil es einfach soooo langweilig war. Lutz van der Horst ist leider nicht so gut, wie sein Job bei der „heute show“ (also die Tatsache, DASS er den Job hat) glauben lässt.
Darf ich eigentlich „Geschlechtergerechtigkeit“ brüllen und beim nächsten mal mehr weibliche Macher vor der Kamera fordern?
@Chica: Oh ja! Sogar ganz...
@Chica: Oh ja! Sogar ganz laut, bitte! Sehr berechtigter Einwand.
Also "Teddy's Show" und...
Also „Teddy’s Show“ und „Bullshit“ sind beidermaßen in ähnlichem Maße grottig. Schlecht zusammengeklaute Uraltwitze zwischen „Verstehen Sie Spaß“, „Ali G“, „Chapelle’s Show“ und „Was Guckst Du“, nur wesentlich schlechter. Generell finde ich Versteckte Kamera-Späße eh grottenunlustig, einzige Ausnahme: Comedystreet mit Simon Gosejohann. Leider sind in dessen Fahrwasser viele billige Trittbrettfahrer entstanden.
Und „Liebe auf Speed“ ist ja wirklich sehr originell und innovativ, ist eben wie immer im deutschen Fernsehen: Wenn in Ausland was schon seit Jahren erfolgreich läuft (in diesem Fall dürften die Vorbilder die unzähligen MTV-Datingshows wie Dismissed, Date My Mom, Next, Room Raiders, etc. gewesen sein), ist es nur noch eine Frage von Jahrzehnten, bis wir Deutschen endlich auch die miese einheimische Kopie rausbringen.
Insgesamt sind die 10 Vorschläge irgendwie alle nicht das Gelbe vom Ei. Und das sollen die besten 10 aus 91 Bewerbern gewesen sein? Möchte nicht wissen, wie viele wesentlich bessere Sache da schon im Vorfeld ausgesiebt wurden, weil als zu gut und mutig empfunden.
Der Don berichtet auch...
Der Don berichtet auch großzügig über Kumpelei:
„Aber in Zeiten, da Medienjournalisten plötzlich über Sender wegen eines Abstimmungsmodus herziehen, und ausgerechnet ihren Blogkumpel, der zur gezielten Manipulation der Ergebnisse der Konkurrenz aufgerufen hat, wegen des Missbrauchs derselben freisprechen, sollte man grosszügig sein. „
Das es überhaupt ein...
Das es überhaupt ein Auswahlverfahren gibt, um damit jungen Menschen eine Plattform zu geben ist doch schon ein Anfang.
Ich denke, viele der Beiträge sind nur aus einem Grund so ähnlich wie schon andere bekannte Konzepte, weil man bei einer „Bewerbung“ am besten immer auf Altbewährtes setzen sollte, -schon aus rein taktischen gründen.
Die öffentlich rechtlichen brauchen jungen Nachwuchs – und zwar nicht nur, um auf NEO gesendet zu werden, sondern auch, um dem klassischen „Traumschiff“-Zuschauer zu zeigen, dass es auch anderes gibt.
Diese Transparenz ist doch schon ein guter Anfang!
Dass sich die Resonanz auf Abstimmungsseite in Grenzen hält, ist klar- oder wer von Euch bewegt sich aktiv auf den Seiten von ZDF-Neo, nur mal so?
Auf jeden Fall endlich eine gute Aussicht auf abwechslungsreiches öffentlich-rechtliches Fernsehen und allemal kreativer, als ein Talkshowmarathon mit Jauch, Will & Co., bzw. eine Koch-Show nach der anderen und Zoo-Sendungen.
Die Intendanten sollten hier kreativer sein, nur dann finden auch „frische“ Ideen und Konzepte einen Weg in ARD, ZDF usw.
Manchmal hat man das Gefühl, eine Stelle bei den öffentlich-rechtlichen ist ungefähr so unaufregend und so sicher, wie eine Stelle als Beamter. Das Credo ist auch gleich: ja nichts ändern!
Also: positiver Ansatz!
@Peer Schader: Dass Sie das...
@Peer Schader: Dass Sie das Voting für verbesserungswürdig halten hatte JMK sicher verstanden. Die ganz konkrete Frage ist aber, ob es Ihrer Meinung nach nicht einen Unterschied macht, ob man für sich wirbt oder gezielt dazu aufruft andere abzuwerten? Ist mir nur von „Moviacs“ bekannt, Eurem Favoriten.
Bokelberg nennt es ja selbst Asi. Dass ihn das nicht stört ist klar. Aber die FAZ-Fernsehblogger stört das Asi-Verhalten auch nicht. Weil „war ja klar“?
"Teddy" hat gewonnen,...
„Teddy“ hat gewonnen, vielleicht wäre die DSDS Variante doch nicht so schlecht gewesen…
Das war ein Labor, und dafür...
Das war ein Labor, und dafür hat es Spaß gemacht! – soll schließlich im Labor ausdrücklich auch mal was schiefgehen: Das steigert den wissenschaftlichen wie den Unterhaltungswert.
Dass die Blogautoren als mediale Trüffelschweine trotz aller… ähm… Diskussionswürdigkeit von ‚Liebe auf Speed‘ als Format das Format der Présentatrice Jeannine Michaelsen nicht erkannt haben, enttäuscht mich allerdings: Sie serviert dies und den Ehrensenf wie auch alles andere mit einer unnachahmlichen Mischung aus Nonchalance, Witz und Warmherzigkeit. Die würdige Ehrensenf-Nachfolgerin von Katrin Bauerfeind. Und die hat es schließlich souverän vom Labor ins ÖR geschafft.
@Chica + Peer: Ehrensenf gucken und Jeannine, Pia und Christine genießen!
Völlig voreingenommen + mit drei Konten bei TVLab-vote gemeldet, Pierre