Die meisten Sendungen im Fernsehen lassen sich einfach nicht vergleichen. Das Fernsehblog macht’s trotzdem. Mal sehen, was dabei herauskommt. Diesmal: „Martin Rütter hilft“ (Vox) gegen „Tim Mälzer kocht“ (Das Erste).
Weltverbesserung: Die Überreichung riesiger Spendenschecks mit den Logos von Wald-und-Wiesen-Volksbanken gehörte bisher zu den Exkusivinhalten von Lokalzeitungen. Am Wochenende hat Vox diese Domäne durchbrochen und gezeigt, wie „Hundeprofi“ Martin Rütter auf der Fachmesse „Hund & Pferd“ in der Dortmunder Messehalle am Stand eines Online-Hundeshops seinen ersten Riesenscheck über 1000 Euro abholt. Rütter treibt gerade Kohle auf, die dann Tierschutzprojekte zugutekommt. Dafür hat er sich mit dem Deutschen Tierschutzbund zusammengetan, aus dessen „Spendenzentrale“ er diverse Filmausflüge zu allerhand Tierschutzprojekten anmoderiert, um auch dem Publikum noch etwas Mildtätigkeit zu entlocken. Dass es dort eher nach umgebautem Jugendherbergs-Frühstücksraum aussieht als nach Gala-Abend, ist gar nicht weiter schlimm. Immerhin müssen am Spendentelefonen auch keine lästigen Promis sitzen und es besteht kaum Gefahr, dass gleich Veronica Ferres aus der Kulisse menschelt. Das gilt allerdings genauso für die Fernsehküche von Tim Mälzer, der die Welt ja zumindest dahingehend verbessern möchte, dass seine Zuschauer unter der fachgerechten Zubereitung ihres Abendessens nicht nur das Aufreißen der Packung eines Tiefkühlgerichts verstehen.
Stargäste: Statt Veronica Ferres hat Mälzer einen „sehr guten Freund“ eingeladen, nämlich den britischen Starkoch Jamie Oliver, mit dem er vor 15 Jahren schon mal zusammengearbeitet hat, und den Mälzer, ganz uneitel, mit den Worten vorstellt: „Eine große Ehre, dich heute hier begrüßen zu dürfen, gerade weil ich immer wieder als der deutsche Jamie Oliver bezeichnet werde.“
Anschließend übernimmt der englische Jamie Oliver ziemlich schnell die Show, häckselt Salat in der Küchenmaschine, hat schon mal einen Schweinebraten mit Gewürzkruste vorbereitet, weil der ja sechs Stunden im Ofen bleiben muss, erzählt von seiner ersten Freundin, die Deutsche war und fand, er küsse wie eine Waschanalage, und von Mälzer, der sich früher immer so kess die Haare färbte (Mälzer: „auch mal silber!“). Nachher schmeißt er alles Essen, was vorher einzeln zubereitet wurde, auf einen Haufen, der eher nach Kompost aussieht als nach Festtagsessen. Das ist also diese junge, wilde Fernsehkochküche.
Ganz ohne Promi-Unterstützung kommt auch Rütter nicht aus. Mit Nina Ruge besucht er eine deutsche Tierärztin in Neapel, die sich um Straßenhunde kümmert, indem sie deren unkontrollierte Vermehrung verhindert. (Bei der Live-Kastration eines Vierbeiners möchte Ruge dann aber doch lieber nicht dabei sein.) Und am Ende kriegt der anerkannte Naturfreund Joey Kelly von Rütter einen Esel geschenkt, der nicht mehr in seinem Streichelzoo bleiben kann, weil er sich dort ständig mit dem anderen Esel beißt.
Das kennen viele Zuschauer von ihrem Job.
Kuscheligkeit: „My darling“, „Brother“, „Big Boy“, „Timbo“ – so sieht hingegen Liebe am Arbeitsplatz aus, wenn dem englischen Jamie Oliver ein Kosename nach dem nächsten für seinen Kollegen einfällt. Die beiden sind halt ein eingespieltes Team, nicht nur wegen der gemeinsamen Karohemduniformierung: „Tim, was machst du?“ – „Ich mach hier die Apfelsoße aus deinem Kochbuch.“ Aber gegen ein paar treue Eselsaugen kommt so ein freundliches Grobkochen unter Männern natürlich schwer an.
Nutzwert: Noch dazu liegt „Martin Rütter hilft“ in Sachen Information vorne. Oder hätten sie gewusst, dass in Deutschland zwei Millionen verwilderte Katzen auf der Straße leben, dass es ein „Oktoberfest für Hundefreunde“ gibt und sich Zahnpflegeprodukte für Haustiere im Gegenwert von 3000 Euro prima als Sachspende eignen?
Bei „Tim Mälzer kocht“ fragt der deutsche Jamie Oliver am Ende der Sendung, als die Sendezeit rum ist ohne dass was von dem fertigen Fleischzauber probiert werden konnte, den englischen: „Ist das jetzt ein ernsthaftes Rezept?“
Die Entscheidung: Trotz gut gemeinter Spendenaktion hat Martin Rütter fernsehtechnisch leider ganz knapp das Nachsehen. Zwei hyperaktive Dauerredner, die hinterm Herd rumdüsen, schnippeln, mörsern, würzen, anbraten, abschmecken, anrichten und dabei noch die lustigsten Anekdoten ihres Kennenlernens erzählen, sind auf Dauer zwar ein bisschen anstrengend. Aber das Doppelkochen ist ja eine vorweihnachtliche Ausnahme, und deshalb durchaus empfehlenswert. Vor allem, wenn man mal beobachten mag, wie die beiden Olivers es hinkriegen, sich bei der kompletten Zubereitung nicht einmal einzukleckern. Ob dieses Geheimnis auch in einem ihrer Kochbücher verraten wird? Dann aber wirklich: Kaufempfehlung!
„Tim Mälzer kocht“ mit Jamie Oliver kann in der ARD-Mediathek angesehen werden. Vox zeigt „Martin Rütter hilft“ ebenfalls online. Am Samstag läuft im Fernsehen jeweils der zweite Teil (15.03 Uhr im Ersten, 19.10 Uhr bei Vox). Jamie Oliver ist bei „Tim Mälzer kocht“ nochmal am 17. Dezember um 15.30 Uhr zu Gast. (Entschuldigung: Hier stand erst eine falsche Sendezeit.)
Screenshots: Vox, das Erste
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