Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Die Woche im Fernsehen: Prinz Rüdiger findet sein goldenes Taufbecken wieder

| 25 Lesermeinungen

Beim ZDF firmieren die "Die Charts der deutschen Schätze" als Doku; Jörg Pilawa moderiert sich in seine Vergangenheit zurück; ein Plüschhund revanchiert sich bei Oliver Pocher; Sat.1 bewirbt sich um die beeindruckendste Kamerastuntszene in einem Krimi; und Desirée Nick krempelt Comedy-Talenten ihre Auftritte um. Was diese Woche im Fernsehen los war.

Die Sendungen:
Auf der Jagd nach verlorenen Schätzen | ZDF
Die Quizshow mit Jörg Pilawa | ZDF
Die Wiwaldi-Show | WDR
Wolff – Kampf im Revier | Sat.1
Sky Comedy Star(ter)s | Sky

Beim großen Jahresend-Brainstorming in der ZDF-Programmdurchwinkabteilung für Mischthemen (oder wie diese Redaktionen da immer heißen) müssen die Anstrengungen gewaltig gewesen sein, als es darum ging, den Trailer für die neue Dokureihe „ZDFzeit“ zu besprechen. Zumindest bis nach fünf Minuten alle in die Kantine zum Mittagessen wollten.

Also, hurtig: Was fällt Ihnen zum Thema „Zeit“ ein?

Ein Jahreszeitendaumenkino? Britische Königshaushochzeiten im Wandel der Jahre? Eine Frau, die in Zeitlupe von einem Regentropfen getroffen wird als sie aus dem Gemüseladen kommt? Ein Unbekannter, der sich auf seinem iPad Bilder einer jungen Frau in einer alten Küche ansieht, während dahinter die Frau in älter sitzt, dafür ist die Küche neu? Ein Mann steht mit dem Fahrrad vorm Brandenburger Tor, so wie auf dem Schwarzweiß-Foto von früher? Im Hintergrund ticken die Sekunden? Und Madonna singt: „Time goes by / So slowly“?

Wahrscheinlich muss man dem ZDF dankbar dafür sein, dass nicht auch noch der Hase aus „Alice im Wunderland“ mit seiner Taschenuhr durchs Bild gehoppelt kommt.

Bild zu: Die Woche im Fernsehen: Prinz Rüdiger findet sein goldenes Taufbecken wieder

Dabei hätte die Kinderbuchanleihe zum Auftakt prima gepasst, nämlich zu der darauffolgenden Doku über Hobbyschatzsucher, die Glanzstück jedes Kinderprogramms sein könnte, so jugendlich wie der Sender sie hat aufpimpen lassen.

Ein „Schatzkrimi“ sollte es sein, ein „gefährlicher Wettlauf gegen die Zeit“, weil: „Ganz Deutschland ist Schatzland“ und „echtes Schatzfieber ist unheilbar“. Es ist ja durchaus begrüßenswert, wenn Dokumentationen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht ganz so universitär-verstaubt betextet werden, um ein größtmögliches Publikum anzusprechen. Aber muss der Off-Kommentar deswegen automatisch aus lauter Abenteuerfloskeln bestehen? Hätte man „Die Charts der deutschen Schätze“ nicht Kabel 1 oder Pro Sieben überlassen können? Und gibt es immer noch keinen Ehrenkodex für gebührenfinanzierte Programmveranstalter, der es verbietet, nachgestellte Szenen mit Originalvideos und Archivaufnahmen zu einem hektischen Bilderbrei zusammenzurühren?

Als Popcornfernsehen hat „Auf der Jagd nach verlorenen Schätzen“ mit den vielen Indiana-Jones-Referenzen ja funktioniert (in der ZDF-Mediathek ansehen). Aber alle, die sich von Dokumentationen auch eine gewisse Erweiterung ihres Horizonts erwarten, dürfte es wohl nicht vom Hocker reißen, wenn am Ende übrig bleibt, dass Prinz Rüdiger von Sachsen in Russland sein goldenes Taufbecken wiedergefunden hat.

Also schnell weiter zu Jörg Pilawa und dem Zeittunnel, den er im ZDF-Programm aufgebaut hat, um in die Vergangenheit zurückzureisen und dafür zu sorgen, dass seine Eltern sich… – ach nee, falscher Film.

Pilawas Zeittunnel heißt „Die Quizshow mit Jörg Pilawa“, und das Spannendste daran ist, dass damit nun endgültig alle Titelkombinationen aus den Worten „Quiz“, „Show“, „Jörg“ und „Pilawa“ aufgebraucht sein dürften. Was den Moderator nach seinem Wechsel zu RTL in zwei Jahren vor eine nicht zu unterschätzende Herausforderung stellen wird.

Die Show an sich ist eine leicht modernisierte Variante dessen, was Pilawa anderswo bereits bis zum Exzess moderiert hat (in der ZDF-Mediathek ansehen), bloß dass zum Auftakt Promis um viel Geld spielen mussten, und noch keine Nonnen. Wobei die Nonnendichte in den kommenden Sendungen sicher dramatisch steigen wird.

Mit einer wunderbaren Retourkutsche startete ein paar Tage zuvor „Die Wiwaldi-Show“, die der WDR seinem Haus- und Hofhund geschenkt hat, damit der auch mal was anderes sieht als bloß die Rückwand des Sofas in „Zimmer frei“.

„Ich bin der einzige im deutschen Fernsehen, der bereit war, für eine Dose Hundefutter aufzutreten. Außer vielleicht Oliver Pocher“, ließ der wuschelige Gastgeber seinen Stimm- und Wirbelsäulenspender Martin Reinl gleich zu Beginn durch seine Schnauze lästern. Vor zwei Jahren hatte Reinl Pocher in der langen Endphase seiner Late Night bei Sat.1 als Plüschbabyduo „Kalle und Ralle“ ziemlich die Schau gestohlen und wurde dafür mit der plötzlichen Abschaffung bestraft. Jetzt kann er beweisen, dass Puppen generell die besseren Spätshowmoderaoren sind.

Bei der Premiere hat das insofern funktioniert, als dass der Talk Flirt mit Barbara Schöneberger, die Durchdenkakaoziehung des höchst puppenfreundlichen Hennes Bender und die vielen vorbereiteten Einspielschnipsel abwechslungsreicher waren als Harald Schmidt in den vergangenen zwölf Jahren (Show in der WDR-Mediathek ansehen). Und natürlich ist es vorbildliches Puppenrecycling, all den übriggebliebenen Nebencharakteren aus „Ausgekuschelt!“ (siehe Fernsehblog) eine zweite Chance zu geben.

Wenn die Show tatsächlich in Serie gehen soll, müsste man nur mal drüber nachdenken, nicht ausschließlich Witze zu verwenden, die auf dem erstbesten Wortspiel basieren.

Für die Wiederaufnahme alter Sat.1-Serien war in den vergangenen Jahren offiziell das ZDF zuständig, aber seit die Geschäftsführung des Senders die Flucht in die eigene Vergangenheit offiziell als neue Programmstrategie entdeckt hat, ist dieses Outsourcing beendet. Deshalb lief „Wolff – Kampf im Revier“ diese Woche tatsächlich bei demselben Sender, wo Jürgen Heinrich einst als kompromisslos unkorrumpierbarer Kommissar angefangen hat.

Das winzige, aber nicht ganz unentscheidende Detail, dass der Titelheld in seinem letzten Fall vor sechs Jahren eigentlich ins Jenseit befördert worden war, umschiffte die auf Fernsehfilmlänge erweiterte Fortsetzung relativ plausibel und unpeinlich. Und selbst wenn man vor dem Fernseher nicht sekündlich zerfloss vor Spannung, hat der neue „Wolff“ ganz gut bewiesen, wie modern und überraschend Fernsehkrimis heute sein können, wenn die Autoren sich trauen, mal ein paar Standards über Bord zu werfen.

Ach ja, und wenn es irgendwann mal einen Fernsehpreis für die beeindruckendste Kamera-Stuntszene gäbe: Sat.1 müsste keinerlei Konkurrenz fürchten. Als Wolff sich während einer Verfolgungsjagd durch Berlin auf eine Brücke treiben lässt, springt er übers Geländer und landet auf einem darunter durchfahrenden Touristenschiff, lässt sich dort von seinem Verfolger übers Deck jagen, klettert auf der anderen Brückenseite wieder nach oben, der Verfolger ihm nach – und die Kamera ist atemberaubend nah dabei ohne einen Schnitt zu benötigen. Es muss die Hölle gewesen sein, bis das im Kasten war.

Vielleicht fasst sich Sat.1 trotz der mittelmäßigen Quoten ein Herz und setzt die Reihe fort. Auch wegen des für deutsche Fernsehfilmverhältnisse ganz beachtlichen Cliffhangers, für den sich Clemens Schick schon mal als künftiger Fiesling einspielen dufte (ganzen Film bei sat1.de ansehen).

Was jetzt kommt, ist ganz schwierig. Weil es sich so blöd anfühlt, Sky gleich auf die Finger zu hauen, wenn dort überhaupt mal ein bisschen Kohle für eigene Produktionen ausgegeben wird. Sagen wir’s also so: Bei der neuen Reihe „Sky Comedy Star(ter)s“ gäbe es noch Optimierungsbedarf. Und das liegt nicht einmal daran, dass der Sender seinen Wettstreit der jungen Stand-up-Talente größtenteils an einem einzigen Abend aufgezeichnet hat, um ihn auf mehrere Folgen zu strecken. 

Das Problem ist eher das, was davor kommt. Weil Comedy ja vor allem funktioniert, wenn sie so mühelos und spontan auf den Schirm kommt, dass wir uns drüber kaputtlachen. Die harte Arbeit dahinter ist für die Zuschauer leider nicht halb so interessant.

Desirée Nick hat trotzdem die Herausforderung angenommen, die selbst erarbeiteten Programme von acht Nachwüchslern in einem „Workshop“ bühnentauglicher zu machen. Und zwar, indem sie ausführliche Anweisungen zum Umgang mit Federboas gibt, ihre Lehrlinge in der spontanen Sprechtechnikerziehung „Stretchjeansstrümpfe“ pauken lässt und Sätze sagt wie: „Ich möchte mit dir einen kleinen angedeuteten Striptease erarbeiten.“ (Folge 1 bei sky.de ansehen.)

Sie scheint selbst nicht ganz zu wissen, ob Sky sie zur Talentförderung oder zur Schadensbegrenzung engagiert hat. Aber für ihre Verhältnisse ist Nick geradezu angenehm versöhnlich, was zu lustigen Gaga-Analysen führt. Einmal sagt sie: „Ich finde an deiner Nummer ja sehr schön, dass du überhaupt keine Pointen hast.“ Da sieht man’s mal wieder: Es kommt einfach auf die Perspektive an. 

Soviel für diese Woche.

Fotos: WDR, ZDF, Sat.1, Sky

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25 Lesermeinungen

  1. missing_link sagt:

    Der Entsetzte Herr Schader...
    Der Entsetzte Herr Schader soll hier mal nicht gute Ratschläge verteilen, wer was zu tun hat!

  2. pschader sagt:

    Macht er aber, wenn er es für...
    Macht er aber, wenn er es für nötig hält.

  3. nina sagt:

    Also ich finde das schon...
    Also ich finde das schon interessant, was Archäologen zu einem archäologischen Thema schreiben. Insbesondere dann, wenn sie entsetzt sind. Denn heißt ja für mich, die Darstellung im ZDF kann wissenschaftlich gesehen so gut nicht recherchiert sein, zumindest nicht so, wie ich das von öffentlich-rechtlichem Fernsehen, das ich ja schließlich mitbezahle, erwarten kann. Ich muss sagen, mich entsetzt das jetzt auch, nachdem ich mich ein wenig eingelesen habe. Das war aber Zufall, wieviele tun das nicht? Herr Schader, wenn die Kritik bei Ihnen angekommen ist, müssen sie dies doch unterstützen! Ich verstehe Sie nicht.

  4. nina sagt:

    Aber vielleicht kann ja die...
    Aber vielleicht kann ja die F.A.Z. nachholen, was das ZDF versäumt hat? Also mich würde eine ausführliche Information zu dem Thema „Schatzsuchen“ und was damit alles so verbunden ist sehr interessieren und es wäre schön, wenn ich dazu nicht stundenlang im Netz surfen müsste, bis ich die wirklichen Fachleute finde und vorher über Massen von Sondengängerforen und Schwarzmarktangeboten stolpern müsste.

  5. Torsten sagt:

    Also Reindl scheint ja kein...
    Also Reindl scheint ja kein Schlechter zu sein, aber die erste Folge der Wiwaldi-Show ist ja echt furchtbar – naheliegende Uralt-Kalauer, die jeder Vierjärige versteht. Wenn das ein Versuch einer Art deutscher Muppet-Show sein sollte (nur 35 Jahre nach dem Original – die Kreativität deutscher Fernseh-Macher kennt eben keine Grenzen), dann rotiert Jim Henson im Grab. Da würde ich lieber mehr von „Ausgekuschelt“ sehen, die Pilotfolge fand ich nicht sooo schlecht, das könnte war werden.

  6. Die entsetzten Archäologen...
    Die entsetzten Archäologen haben aber allen Grund sich nicht einzukriegen. Die Sendung war eine Schande für das öffentlich-rechtliche Fernsehen!

  7. MonikaK sagt:

    Herr Schader: Warum grenzen...
    Herr Schader: Warum grenzen Sie die Kritik auf Archäologen ein? Jeder Normalbürger (auch ohne archäologische Ausbildung) hat doch hier erkennen müssen, dass gegen jegliche Regeln journalistischer Sorgfaltspflicht verstossen wurde. Einseitig, sinnverändernd gekürzt, schlecht recherchiert, miserabel nachgestellt, unkritisch, … dies war bestimmt keine journalistische Meisterleistung. Von Dokusendungen bei öffentlich rechtlichen Sendeanstalten erwarte ich mir auch als Normalbürgerin mehr. Die Gesetzeslage sowie Hinweise auf Gefahren für unser kulturelles Erbe einfach auszuklammern, das konnte nur stümperhaftes Stückwerk werden. Ich hoffe, die Qualität der Folgesendungen hebt sich von der Auftaktsendung ab!

  8. Uli G. sagt:

    @Schnickmann:

    Danke für...
    @Schnickmann:
    Danke für diesen Kommentar. Habe mich beinah‘ an meiner Teewurst vor Lachen verschluckt. 🙂

  9. ninscha sagt:

    Zweiter großer Absatz,...
    Zweiter großer Absatz, „…dafür ist die Küche.“ ? Was ist die Küche? Jünger geworden?
    (ansonsten, großes Lob für diesen Blog !!)

  10. pschader sagt:

    @ninscha: Neu ist die! Weiß...
    @ninscha: Neu ist die! Weiß auch nicht, wie das verloren gehen konnte. Danke!

Kommentare sind deaktiviert.