Die Sendungen:
Gottschalk live | Das Erste
Gottschalk live | Das Erste
Gottschalk live | Eins Festival
Gottschalk live | Das Erste
Am Dienstagabend saß Thomas Gottschalk wieder an seinem neuen Metallschreibtisch, auf dem die vielen Zeitungen liegen, in denen er Berichte über „dieses Facebook“ und Heidi Klums gescheiterte Ehe liest, um sehr ausführlich zu erklären, dass die Premierensendung vom Montag eher eine „technische Probe“ gewesen sei; dass sich viele Zuschauer über den Werbehack geärgert hätten; dass die ARD das „Problem erkannt, Problem gelöst“ habe, was man gleich schon sehen werde, denn – „heute ist alles schon ganz anders!“; und dass man sich die Werbung vielleicht noch zurückwünschen werde! Ha!
Nebendran hatte Armin Rohde als Gast Platz genommen, wartete die Sekunde ab, in der Gottschalk fertig monologisieren war – und log dann:
„Guten Abend. Wir unterbrechen für eine Werbepause.“
Da stand schon fast fest, dass „Gottschalk live“ im zweiten Anlauf etwas mehr Schwung haben würde (Sendung in der Das-Erste-Mediathek ansehen). Rohde machte zwar auch nur ein bisschen Werbung für seinen neuen „Superthriller“ (Gottschalk), hatte aber sehr gute Laune mitgebracht, und Gottschalk meinte: „Dass der Film in der ARD läuft, ist eher ein Zufall. Und dass wir in der ARD laufen auch.“ Aber das war sicher nicht so gemeint.
Die Puschen, die Bully Herbig an Tag zuvor aus dem Hotel hergeschmuggelt hatte, standen gut sichtbar unterm Sofa. Der frisch Oscar-nominierte Wim Wenders tauchte in einem ersten Schaltgespräch auf, und zwar „live aus seinem Berliner Büro“, also irgendwo um die Ecke.
Nachher kam Franz Beckenbauer vorbei, der jeden Tag mehr aussieht wie eine seiner Parodien, ließ sich auf die Frage, ob er im Leben auch was falsch gemacht habe, erstaunlicherweise entlocken: „Sicher, im privaten Bereich.“ Und band sich in einem Anflug geradezu übermütiger Gutgelauntheit die zur Zuschauerverschenkung ausgeschriebene ARD-Wanderkrawatte um den Haarkranz. Zum Schluss gab’s ein Nachtsichtbild des neugeborenen Eisbärbabys im Wuppertaler Zoo, Gottschalk spielte Klavier dazu. Fertig.
Nach dieser Vorlage war es auch kein Problem mehr, Gottschalk seinen Wunsch zu erfüllen, die Erstausgabe seiner neuen Sendung einfach zu vergessen, weil „Gottschalk live“ da noch aus einem zehmninütigen Selbstgespräch und einem alle zwei Minuten durch Kaufaufforderungen unterbrochenen Gast-Talk bestand (Sendung trotzdem in der Mediathek ansehen). Dass der dazugestopfte Wetterbericht mindestens genauso stört, ging in der darauffolgenden Universalkritik leider unter. Ob es in Funtensee schneeregnet und in Torfhaus/Harz graupelt, ist aber noch egaler als Bully Herbigs peinlichster Promiparty-Moment. Vor allem aber macht es die letzte Unterbrechung der Show zur reinen Sitzenbleibpause, weil Gottschalk sowieso nur noch zurückgeschaltet wird, um sich zu verabschieden.
Kann die ARD ihre Meteorologen nicht gleich ins Gottschalk-Loft an eine altmodische Wettertafel stellen, um den Graupel direkt in der Sendung zu erledigen? Das wäre tausendmal gemütlicher.
Völlig unterbrechungsunabhängig litt Tag drei leider unter eindeutigem Montagsrückfall (Sendung in der Mediathek ansehen). Gottschalk hatte sich die jungen Darsteller des neuen „5 Freunde“-Films auf die Couch gesetzt und fragte die 11- bis 13-Jährigen allen Ernstes: „Hat einer von euch heute mal Nachrichten geguckt oder Zeitung gelesen?“ Wie bitte? Da sitzt die vom Gastgeber vielzitierte Facebook-Generation und Gottschalk fragt nicht, was die da den ganzen Tag treiben, sondern ob sie Zeitung lesen? Dieses auf Papier gedruckte Internet?
Die Kinder saßen relativ wortkarg im „Gottschalk live“-Studio, mal amüsiert über den lustigen Onkel in seinem Ganzkörperkaro, mal mit einem irritierten Was-will-der-alte-Mann-von-uns-Gesicht.
Der Mann wollte sich zu einem Katzenbesitzer liveschalten lassen, dessen Haustier nachts so lange meckerte, bis Herrchen aufstand, den Brand im Keller entdeckte und das Haus evakuieren konnte. Dass da mal keine Eifersüchteleien bei den Kollegen von „Brisant“ aufkommen!
Mehr scheint Mitte der Woche auf der Welt nicht passiert zu sein: Die Wanderkrawatte vom Montag war immer noch da. Der Schauspielnachwuchs musste sich nochmal was zu Heidi und Seal anhören („Da wollt‘ ich noch mal kurz drauf zu sprechen kommen“, „die arme Heidi“, „ich war ja mit ihr beim Fasching“). Und als Anna Netrebko und Erwin Schrott das ARD-Publikum gerade in den wohlverdienten Feierabendschlaf redeten, platzte Gottschalk dazwischen: „Da sind wir schon bei einem anderen Paar, wir haben vorher schon drüber gesprochen: Heidi und Seal.“
Falls Klum das hier liest: Könnte sie ihren Karnevalskumpel bitte nächste Woche in seiner neuen Sendung besuchen? Damit das Thema endgültig geklärt werden kann.
Als entscheidender Vorteil erweist es sich übrigens, den Vorabend sausen zu lassen und vorm Schlafengehen Einsfestival einzuschalten, wo zur besten late-Night-Zeit um 23 Uhr wiederholt wird, ganz ohne das lästige Werbe-Wetter-Tief. Sie dürfen nur nicht zimperlich mit harten Schnitten sein oder sich wundern, wie Gottschalk von seinem Redaktionsraum von einer Sekunde auf die nächste zurück in seinen Specksessel geschnippt wird.
Apropos Speck: Donnerstag war Beichtpremiere bei „Gottschalk live“, mit Karsten Speck als reuigem Steuerhinterzieher – bzw. „du Trottel“, wie Gottschalk ihn nannte, um ihm dann ein paar gar nicht so schlechte Fragen zu Knast und Öffentlichkeitsdruck zu stellen (Sendung in der Mediathek ansehen). Vorher hatte er Speck auf die Schulter geklopft: „Dir ist’n bisschen mulmig?“ Und der meinte nervös: „Ich war bei Live-Auftritten schon entspannter.“ Das war tatsächlich ein ganz schöner Moment, ungekünstelt und ehrlich – also das Gegenteil des Gästedauerfeuers davor, bei dem Kati Witt ihren „Dancing on Ice“-Skandal erklären sollte, aber sich ihr falsches Englisch bloß als Missverständnis der anderen zurechtbog. Und die Schaltung zum 35. Geburtstag von „Emma“ begann Alice Schwarzer mit der Frage: „Hallo Thommy, bin auf Sender?“ Woraufhin der klarstellte: „Du bist ja eigentlich immer auf Sender.“
Dann war Gottschalks erste ARD-Woche auch schon rum.
Und wenn man ihm für die zweite etwas mitgeben dürfte, dann vielleicht, dass er sich doch nicht so zu hetzen braucht. Statt zwölf Themen reicht die Hälfte, statt drei Gästen wäre auch einer völlig in Ordnung (solange der Armin Rohde heißt).
Gottschalk scheint sich ja schon ganz wohl zu fühlen in seinem neuen Fernsehgehege, das hinter der Glasscheibe im Redaktionsraum ein bisschen nach Zahnarztpraxis aussieht. Er legt die Füße auf den Tisch und lacht sich kaputt über den Ausschnitt, in dem Models auf dem Laufsteg über ihre eigenen Füße stolpern. Und wenn Sonja Zietlow und Dirk Bach ihn bei RTL als „Twitter-Else von der ARD“ verspotten, lästert er über die Regenfälle im Dschungelcamp: „Sintflut – kennen Sie das? Es gibt einen Gott.“
Aber ob „Gottschalk live“ eher Kult oder Katastrophe ist, das lässt sich nach vier Ausgaben beim besten Willen noch nicht sagen.
Soviel für diese Woche.
Screenshots: Das Erste, Eins Festival
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