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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Die Woche im Fernsehen – Gottschalk Spezial: Gästedauerfeuer mit Sitzenbleibpause

| 15 Lesermeinungen

Zur Premiere lässt die ARD Thomas Gottschalk in die offene Werbepause laufen; um sich selbst beim Monologisieren zu zügeln, lädt sich Thomas Gottschalk haufenweise Promis ein; die Heidi-und-Seal-Besessenheit von Thomas Gottschalk nimmt bedenkliche Züge an; und Thomas Gottschalk feiert Beichtpremiere. Was diese Woche im Fernsehen los war.

Die Sendungen:
Gottschalk live | Das Erste
Gottschalk live | Das Erste
Gottschalk live | Eins Festival
Gottschalk live | Das Erste

Am Dienstagabend saß Thomas Gottschalk wieder an seinem neuen Metallschreibtisch, auf dem die vielen Zeitungen liegen, in denen er Berichte über „dieses Facebook“ und Heidi Klums gescheiterte Ehe liest, um sehr ausführlich zu erklären, dass die Premierensendung vom Montag eher eine „technische Probe“ gewesen sei; dass sich viele Zuschauer über den Werbehack geärgert hätten; dass die ARD das „Problem erkannt, Problem gelöst“ habe, was man gleich schon sehen werde, denn – „heute ist alles schon ganz anders!“; und dass man sich die Werbung vielleicht noch zurückwünschen werde! Ha!

Nebendran hatte Armin Rohde als Gast Platz genommen, wartete die Sekunde ab, in der Gottschalk fertig monologisieren war – und log dann:

„Guten Abend. Wir unterbrechen für eine Werbepause.“

Bild zu: Die Woche im Fernsehen – Gottschalk Spezial: Gästedauerfeuer mit Sitzenbleibpause

Da stand schon fast fest, dass „Gottschalk live“ im zweiten Anlauf etwas mehr Schwung haben würde (Sendung in der Das-Erste-Mediathek ansehen). Rohde machte zwar auch nur ein bisschen Werbung für seinen neuen „Superthriller“ (Gottschalk), hatte aber sehr gute Laune mitgebracht, und Gottschalk meinte: „Dass der Film in der ARD läuft, ist eher ein Zufall. Und dass wir in der ARD laufen auch.“ Aber das war sicher nicht so gemeint.

Die Puschen, die Bully Herbig an Tag zuvor aus dem Hotel hergeschmuggelt hatte, standen gut sichtbar unterm Sofa. Der frisch Oscar-nominierte Wim Wenders tauchte in einem ersten Schaltgespräch auf, und zwar „live aus seinem Berliner Büro“, also irgendwo um die Ecke.

Nachher kam Franz Beckenbauer vorbei, der jeden Tag mehr aussieht wie eine seiner Parodien, ließ sich auf die Frage, ob er im Leben auch was falsch gemacht habe, erstaunlicherweise entlocken: „Sicher, im privaten Bereich.“ Und band sich in einem Anflug geradezu übermütiger Gutgelauntheit die zur Zuschauerverschenkung ausgeschriebene ARD-Wanderkrawatte um den Haarkranz. Zum Schluss gab’s ein Nachtsichtbild des neugeborenen Eisbärbabys im Wuppertaler Zoo, Gottschalk spielte Klavier dazu. Fertig.

Nach dieser Vorlage war es auch kein Problem mehr, Gottschalk seinen Wunsch zu erfüllen, die Erstausgabe seiner neuen Sendung einfach zu vergessen, weil „Gottschalk live“ da noch aus einem zehmninütigen Selbstgespräch und einem alle zwei Minuten durch Kaufaufforderungen unterbrochenen Gast-Talk bestand (Sendung trotzdem in der Mediathek ansehen). Dass der dazugestopfte Wetterbericht mindestens genauso stört, ging in der darauffolgenden Universalkritik leider unter. Ob es in Funtensee schneeregnet und in Torfhaus/Harz graupelt, ist aber noch egaler als Bully Herbigs peinlichster Promiparty-Moment. Vor allem aber macht es die letzte Unterbrechung der Show zur reinen Sitzenbleibpause, weil Gottschalk sowieso nur noch zurückgeschaltet wird, um sich zu verabschieden.

Kann die ARD ihre Meteorologen nicht gleich ins Gottschalk-Loft an eine altmodische Wettertafel stellen, um den Graupel direkt in der Sendung zu erledigen? Das wäre tausendmal gemütlicher.

Völlig unterbrechungsunabhängig litt Tag drei leider unter eindeutigem Montagsrückfall (Sendung in der Mediathek ansehen). Gottschalk hatte sich die jungen Darsteller des neuen „5 Freunde“-Films auf die Couch gesetzt und fragte die 11- bis 13-Jährigen allen Ernstes: „Hat einer von euch heute mal Nachrichten geguckt oder Zeitung gelesen?“ Wie bitte? Da sitzt die vom Gastgeber vielzitierte Facebook-Generation und Gottschalk fragt nicht, was die da den ganzen Tag treiben, sondern ob sie Zeitung lesen? Dieses auf Papier gedruckte Internet?

Die Kinder saßen relativ wortkarg im „Gottschalk live“-Studio, mal amüsiert über den lustigen Onkel in seinem Ganzkörperkaro, mal mit einem irritierten Was-will-der-alte-Mann-von-uns-Gesicht.

Der Mann wollte sich zu einem Katzenbesitzer liveschalten lassen, dessen Haustier nachts so lange meckerte, bis Herrchen aufstand, den Brand im Keller entdeckte und das Haus evakuieren konnte. Dass da mal keine Eifersüchteleien bei den Kollegen von „Brisant“ aufkommen!

Mehr scheint Mitte der Woche auf der Welt nicht passiert zu sein: Die Wanderkrawatte vom Montag war immer noch da. Der Schauspielnachwuchs musste sich nochmal was zu Heidi und Seal anhören („Da wollt‘ ich noch mal kurz drauf zu sprechen kommen“, „die arme Heidi“, „ich war ja mit ihr beim Fasching“). Und als Anna Netrebko und Erwin Schrott das ARD-Publikum gerade in den wohlverdienten Feierabendschlaf redeten, platzte Gottschalk dazwischen: „Da sind wir schon bei einem anderen Paar, wir haben vorher schon drüber gesprochen: Heidi und Seal.“

Falls Klum das hier liest: Könnte sie ihren Karnevalskumpel bitte nächste Woche in seiner neuen Sendung besuchen? Damit das Thema endgültig geklärt werden kann.

Als entscheidender Vorteil erweist es sich übrigens, den Vorabend sausen zu lassen und vorm Schlafengehen Einsfestival einzuschalten, wo zur besten late-Night-Zeit um 23 Uhr wiederholt wird, ganz ohne das lästige Werbe-Wetter-Tief. Sie dürfen nur nicht zimperlich mit harten Schnitten sein oder sich wundern, wie Gottschalk von seinem Redaktionsraum von einer Sekunde auf die nächste zurück in seinen Specksessel geschnippt wird.

Apropos Speck: Donnerstag war Beichtpremiere bei „Gottschalk live“, mit Karsten Speck als reuigem Steuerhinterzieher – bzw. „du Trottel“, wie Gottschalk ihn nannte, um ihm dann ein paar gar nicht so schlechte Fragen zu Knast und Öffentlichkeitsdruck zu stellen (Sendung in der Mediathek ansehen). Vorher hatte er Speck auf die Schulter geklopft: „Dir ist’n bisschen mulmig?“ Und der meinte nervös: „Ich war bei Live-Auftritten schon entspannter.“ Das war tatsächlich ein ganz schöner Moment, ungekünstelt und ehrlich – also das Gegenteil des Gästedauerfeuers davor, bei dem Kati Witt ihren „Dancing on Ice“-Skandal erklären sollte, aber sich ihr falsches Englisch bloß als Missverständnis der anderen zurechtbog. Und die Schaltung zum 35. Geburtstag von „Emma“ begann Alice Schwarzer mit der Frage: „Hallo Thommy, bin auf Sender?“ Woraufhin der klarstellte: „Du bist ja eigentlich immer auf Sender.“

Dann war Gottschalks erste ARD-Woche auch schon rum.

Und wenn man ihm für die zweite etwas mitgeben dürfte, dann vielleicht, dass er sich doch nicht so zu hetzen braucht. Statt zwölf Themen reicht die Hälfte, statt drei Gästen wäre auch einer völlig in Ordnung (solange der Armin Rohde heißt).

Gottschalk scheint sich ja schon ganz wohl zu fühlen in seinem neuen Fernsehgehege, das hinter der Glasscheibe im Redaktionsraum ein bisschen nach Zahnarztpraxis aussieht. Er legt die Füße auf den Tisch und lacht sich kaputt über den Ausschnitt, in dem Models auf dem Laufsteg über ihre eigenen Füße stolpern. Und wenn Sonja Zietlow und Dirk Bach ihn bei RTL als „Twitter-Else von der ARD“ verspotten, lästert er über die Regenfälle im Dschungelcamp: „Sintflut – kennen Sie das? Es gibt einen Gott.“

Aber ob „Gottschalk live“ eher Kult oder Katastrophe ist, das lässt sich nach vier Ausgaben beim besten Willen noch nicht sagen.

Soviel für diese Woche.

Screenshots: Das Erste, Eins Festival

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15 Lesermeinungen

  1. PeRiBa sagt:

    Schusselig, redselig, seit den...
    Schusselig, redselig, seit den letzten 30 Jahren nicht weiterentwickelt – wie Harald Schmidt.
    Bester Gag: Im Halbsatz zu den Englisch-Kenntnissen bei Kati Witt: „Wir beide können ja nicht so gut Englisch….“

  2. Knut sagt:

    Die zweite Folge war in der...
    Die zweite Folge war in der Tat der Höhepunkt der Gottschalk-Woche… leider schon am Dienstag. Ansonsten fällt auf, dass das meist genutzte Wort anscheinend „ich“ ist. Ich war mit Heidi, ich war in Hollywood, ich mit Nicolas Cage… Gottschalk scheint immer noch in den 90er Jahren verhaftet zu sein, wo es als megacool galt, jemanden aus dem Ausland zu kennen oder mal dort gewesen zu sein.
    Ansonsten fällt natürlich auf, dass die Sendung ihren Anspruch wenig gerecht wird, über das zu reden, was am Tag so passiert ist. Da liegen auf dem Tisch die Zeitungen mit den Nachrichten von gestern und benutzt werden die auch nur, wenn es irgendwo ein Bild von Heidi gibt. Hinten ist eine ganze Web2.0-Redaktion, die in der Sendung aber kaum über ihr Staffagensein hinaus kommt. Und dann ist da noch die blonde Redakteurin, die offensichtlich einen „Crush“ für Thomas hat…

  3. MZ sagt:

    Die neue Sendung ist...
    Die neue Sendung ist aufschlussreich. Mögerlicherweise war „Wetten, dass?“ nicht wegen, sondern trotz Gottschalk ein Erfolg. Genau wie bei Frank Elstner.

  4. coatesmoe sagt:

    Gottschalk talks and talks and...
    Gottschalk talks and talks and talks…….

  5. Torsten sagt:

    @Knut: "Ansonsten fällt auf,...
    @Knut: „Ansonsten fällt auf, dass das meist genutzte Wort anscheinend „ich“ ist.“
    Siehe dazu auch diese sehr treffende Zusammenfassung von Fernsehlexikon;) :
    https://www.fernsehlexikon.de/9247/ich-ag/

  6. fionn sagt:

    Der Inhalt ist okay, doch TG...
    Der Inhalt ist okay, doch TG sieht so ungepflegt aus.

  7. Chris A. sagt:

    Ein paar kurze Gedanken von...
    Ein paar kurze Gedanken von mir:
    1.) Es wurde ja an verschiedener Stelle kritisiert, daß Gottschalk
    in seiner neuen Sendung so oft „ich“ sagt und teilweise lange
    Monologe führt. Gehört aber beides nicht durchaus zu einer solchen
    Late-night-am-Vorabend-und-irgendwie-auch-Personality-Show?
    Es war doch angekündigt, daß Gottschalk sich mit den Themen des
    Tages beschäftigt – und das ist für meinen Geschmack bislang eher zu
    kurz gekommen. Eine reine Talkshow sollte „Gottschalk live“ wirklich
    nicht werden.
    2.) Das Englisch von Gottschalk und Witt war irgendwie ausbaufähig,
    dafür daß beide ja auf dem internationalen Parkett tätig sind und in
    den USA gewohnt und/oder gearbeitet haben. Sollte die eigenwillige
    Übersetzung des Zeitungsartikels über Witt witzig sein oder taten sich
    da beide wirklich so schwer? Warum hat man dann die unbekannten
    Begriffe zur Not nicht einfach (vor der Sendung) nachgeschlagen?
    3.) Was macht eigentlich die Redaktion den ganzen Tag außer lebende
    Kulisse und Applausspender für prominente Gäste zu sein?
    4.) Es ist vermutlich notwendig, daß das Wetter so ein Fremdkörper in der
    Sendung ist. „Gottschalk live“ darf wohl als 25-Minuten-Format nicht durch
    Werbung unterbrochen werden, deshalb der Trick mit der künstlichen
    Unterteilung. Einen ähnlichen Trick gibt es ja am Samstag mit der
    Tagesschau-Kurzausgabe während der Sportschau um einen weiteren
    Werbeblock rausschinden zu können.

  8. Mariechen sagt:

    Ich hab mir jede Folge in der...
    Ich hab mir jede Folge in der Mediathek angeschaut, kann also nicht wirklich über merkwürdige Werbung meckern (der Segen keinen „echten“ Fernseher zu besitzen 😉
    Die Show an sich macht Spaß, sie würde das noch viel mehr tun, wenn mal einer der Gäste sitzen bleiben dürfte und nicht gleich wieder davongejagt werden müsste, dann könnte TG auch mal mit dem/derjenigen über das Tagesgeschen statt nur für den Film/ die Platte/ das Buch kurz zu werben

  9. Howie Munson sagt:

    @Chris: 1.) er redet andauernd...
    @Chris: 1.) er redet andauernd über Heidi was an drei Tagen hintereinander doch sehr ermüdend ist. Das dann auch auch mehrfach DIESELBE Anekdote erwähtn wird macht es noch schlimmer…. und das ganze mit den armen Kindern zu machen die eigentlich nur den Film promoten sollen, macht es auch nicht besser… und die Krawatte nervt auch.
    2.) Das hätte man auch einfach ganz sein lassen können. Und die beiden können es wohl wirklich nicht besser.
    3.) ist eine verdammt gut Frage.
    4.) ja bei minute 11-18 wäre das aber auch deutlich sinniger als bei minute 23.
    aber das die beiden da in Sendung 3 extra für den Eisbär da bleiben mussten ist schon etwas sehr daneben…
    In Sendung vier gibt es auf einmal echte nachrichten?? Ich denke es sollte alles fröhlich und tuffig sein?? und zusammen mit den Modelstürzen und Speck wirkt die Sendung doch sehr anders als die anderen drei…

Kommentare sind deaktiviert.