Das Fernsehblog

Die Woche im Fernsehen: Nicht am Buchsbaum lutschen!

Die Sendungen: 
Das perfekte Model | Vox
Hallo Hessen | HR
Mein Nachmittag | NDR
Bei Brender! | n-tv
Die dreisten Drei | Sat.1

Um ein für alle mal zu demonstrieren, dass es dem Genre der Model-Castings nichts, aber auch rein gar nichts mehr hinzuzufügen gibt, hat Vox in dieser Woche sein eigenes Model-Casting gestartet.

Weil Heidi Klum aber nicht überall sein kann, jedenfalls nicht mehr als sechs Tage die Woche, müssen bei „Das perfekte Model“ nun Eva Padberg und Karolína Kurková erklären, „was’n guter Walk ist und was’n schlechter Walk ist“. Deren Ausstrahlung ist zwar nicht ganz so arktisch wie die der Kollegin von „Germany’s Next Topmodel“. Aber sonst sehen die zwei Stunden Teenagerzittern exakt so aus als seien sie mit dem Kurier direkt aus dem Schneideraum von Pro Sieben gekommen (ganze Folge bei voxnow.de ansehen).

Ein Teenagermädchen nach dem nächsten storcht über den Laufsteg, die beiden Ersatz-Heidis picken sich diejenigen mit besonderer Eignung („Good butt!“) heraus und hetzen sie beim ersten Fotoshooting aufeinander.

Währenddessen dreht sich das Erzählkarussell immer schön im Kreis: Eine Kandidatin zweifelt, ob sie sich wirklich die Haare kurz schneiden lassen soll. Die nächste erzählt, dass sie „früher viel Mist gebaut“ habe und jetzt endlich an ihrer Zukunft arbeiten wolle. Und der dritten schießen die Tränen in die Augen, als ihr dämmert, dass sie mit ihren immerhin schon 16 Jahren schwere Qualifikationsdefizite aufzuarbeiten hat: „Mir fällt es noch ein bisschen schwer, arrogant zu gucken.“

„Das perfekte Model“ macht also da weiter, wo „Germany’s Next Topmodel“ schon vor Jahren hätte aufhören sollen. 

Der größte Unterschied zum Original besteht momentan darin, dass die aus Tschechien stammende Kurková beim schrittweisen Deutschlernen während der Dreharbeiten tatsächlich Fortschritte macht – wohingegen Heidi Klum mit ihrer Satzgymnastik für die korrekte Anwendung von Grammatikregeln ein für alle mal als verloren gelten muss. 

Von einem Profi wie Jens Kölker ist das Vox-Model freilich noch weit entfernt. Der HR-Moderator hat diese Woche beim „vergnüglichen Kaffeeklatsch“ im Dritten demonstriert, wie ein echter Profi seine Einspielfilme abmoderiert. Nämlich mit: „Wun-der-schön“, „Ab-solut!“ und „Sah traum-haft aus!“

Kölker hatte die schwere Aufgabe, in der Premierenwoche der neuen Nachmittagsshow „Hallo Hessen“ täglich zwei Stunden am Stück wach zu bleiben, um die Zuschauer, die sich zu ihm verirrt hatten, durch die neuste Deko- und Aufräumhölle des Hessischen Rundfunks zu führen (Studioführung bei hr-online.de ansehen).

Wer in seinem Leben noch nie eine Servicesendung gesehen hat, wird dankbar für die Information gewesen sein, wie leicht sich so eine Haselnussstrauchdeko anfertigen lässt, warum Pastinaken „das Gemüse 2012“ sind, wo die schönsten Kaffeehäuser Hessens liegen, was man in Fulda meint, wenn man vom „Knodderbock“ spricht, warum ins Gebrüder-Grimm-Museum in Kassel „mehr Erlebnis für Kinder“ gehört und wie sich Plastikeierschachteln ganz leicht zu Mini-Gewächshäusen umfunktionieren lassen. 

Alle anderen wüsten jetzt wahrscheinlich gern, wie man damit zwei Stunden Sendezeit rumkriegt. 

Ganz einfach: Hirn ausschalten, Filme über Hochzeitsmessen laufen lassen, hässliche Tassen mit dem Sendungslogo verlosen – und die ins Studio eingeladene Organisationsberaterin aus Oberursel heiß machen, indem man ihr erst eine unordentliche Schublade mit Schreibwaren zum Live-Aufräumen hinstellt, um dann mit einer durcheinandergebrachten Werkzeugkiste und einem Nähkasten nachzulegen.

Ach so, und „kleiner Tipp für Sie zuhause“ noch von Kölker an alle Hobbygärtner: „Nicht am Buchsbaum lutschen, der ist nämlich giftig!“ 

Von der Betäubungsoffensive der hessischen Kollegen herausgefordert, verlängerte der NDR seine zur selben Zeit laufende Show „Mein Nachmittag“ in dieser Woche auf ebenfalls zwei Stunden, was das Moderatorenpaar Kirsten Rademacher und Yared Dibaba nicht nur ganz nervös machte, sondern auch vor die Herausforderung stellte, gleich zu Beginn einen echten Kracher abzuliefern.

Die Redaktion entschied sich für ein 15-minütiges Gespräch mit einem Ehepaar, das gerade Goldene Hochzeit gefeiert hatte („Haben Sie sich heute schon gesagt, dass Sie sich lieben?“, wollte Dibaba wissen; Gespräch bei ndr.de ansehen) und am Abend vom NDR noch einmal eine „Reportage“ geschenkt bekam, in der die zweifelsfrei geschichtsträchtigen Familienfeierlichkeiten dokumentiert wurden.  

Das war auch nicht weniger interessant als die dreimalige Live-Schaltung zum „Mein Nachmittag“-Reporter, der in einer Filzwerkstatt ältere Damen während des gemeinsamen Filzens fragte: „Warum filzen Sie?“ – „Weil es Spaß macht und gesellig ist.“

Ja, warum fragt der denn auch so blöd?

Das Schreckliche an diesen Sendungen ist gar nicht, dass sie ausschließlich dafür gemacht sind, im Seniorenheim gesehen zu werden. Sondern dass sich die Programmverantwortlichen selbst dieser Kernzielgruppe kreativverweigern, indem sie ein- und dieselbe Service-Soße immer wieder aufs Neue anrühren.

Wer bisher der Ansicht war, das ärmste Nachmittagsprogramm Deutschlands würde bei RTL laufen, muss demnächst zum Kaffee einfach mal die Dritten einschalten.

Nikolaus Brenders neuer Arbeitgeber hat ihm ein Macbook gekauft, ihn ins abgehängte Foyer der Industrie- und Handelskammer Oer-Erkenschwick hinter ein Pult gesetzt und drei miesepetrig dreinschauende Journalisten überregionaler Wichtigkeitsmedien dazu platziert, damit die den Bundesfinanzminister sämtliche Fragen stellen können, die sie sonst nicht beantwortet kriegen. Dummerweise hat jemand dabei die Kamera angelassen, sodass n-tv nichts anderes übrig blieb, als das halbstündige Fachgesimpel-Pingpong anschließend im Fernsehen zu zeigen.

Ein schöner Service für alle Zuschauer, die vor dem Schlafengehen gerne noch mal Griechenlandkrise, Fiskalpaket und Eurorettung durchkauen, um dann süß ins „Exischtenzminimum“ (Schäuble) zu entschlummern.

Keine Ahnung, woher Brender den Ruf hat, sich als Moderator eines Polittalks zu eignen. Weil er in der Elefantenrunde mal dem damaligen Kanzler in die Parade gefahren ist? Seine erste eigene Sendung ist jedenfalls unansehbar – weil „Bei Brender!“ als reines Gespräch unter Experten so trocken wie Knäckebrot ist und sein Publikum völlig alleine lässt (Folge 1 bei ntv.de ansehen).

Vielleicht richtet mal jemand Friedrich Küppersbusch aus, dass er jetzt damit aufhören kann, Nischensender mit solchen Grau-Talks zuzustopfen.

Vertragen Sie noch eine letzte Hiobsbotschaft? „Die dreisten Drei“ sind wieder da. Die Sendung, die niemand vermisst hat, weil sie bei Sat.1 sowieso in der Wiederholungsendlosschleife läuft. Die neue Besetzung besteht aus Oliver Beerhenke (Ex-„Upps!“), Sophia Thomalla (Ex-„GNTM“) und Mirco Nontschew (Ex-„Samstag Nacht“), der sich per Interview bereits vor der Ausstrahlung für das Ergebnis entschuldigte („Bevor man gar nichts im Fernsehen hat, macht man eben so was“).

Beim Zuschauen ist man in jeder Szene derart beschäftigt damit, auf die Pointe zu warten, dass es immer ziemlich überraschend kommt, wenn plötzlich einfach der nächste Sketch anfängt (ganze Folge bei sat1.de ansehen).

Probe-Witz gefällig? Sitzt ein Ehepaar beim Arzt, sagt der Arzt zum Mann: „Sie haben kein Potenzproblem. Ihre Frau ist einfach hässlich.“

Ja, schon fertig.

Soviel für diese Woche.

Screenshots: Vox, n-tv, HR, Sat.1

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