Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

Die Woche im Fernsehen: Tim Mälzers Schweinehund bockt rum

| 16 Lesermeinungen

Tim Mälzer stürzt die Diätindustrie in die Krise; Axel Prahl lässt sich vom WDR beim Urlaubmachen in Lissabon zusehen; Dennis Gastmann ist ausnahmsweise mal zuhause geblieben und bei einer Vereinsfeier eingeladen; Murat Topal fährt "Quiz Taxi"; und Sarah Kuttner ist wieder total Zwinker-zwinker. Was diese Woche im Fernsehen los war.

Der große Ernährungs-Check | Das Erste
Wunderschön | WDR
Der Gastmann | WDR
Quiz Taxi Reloaded | Kabel 1
Bambule | ZDFneo

Schweißgebadet schreckt der Diätbuchautor aus dem Schlaf. Er hat gewusst, dass es eines Tages passieren würde. Aber dann war der Alptraum doch schlimmer als gedacht: Tim Mälzer hat im Fernsehen gesagt, dass Pommes und Hamburger gar nicht fett machen!

Neiiiiiiin!

Und jetzt steht eine ganze Industrie vor dem, ähm, Scherbenhaufen ihrer Fettpolstervermeidungs-Beratschlagung? Ganz so dramatisch ist es nicht.

Dabei wäre die Abschaffung jeglicher Diätliteratur die einzig konsequente Schlussfolgerung aus Mälzers neuestem Ess-Versuch „Der große Ernährungs-Check“, für den sich 45 Testmänner in drei Gruppen haben einteilen lassen, um zwei Wochen dreimal täglich lecker Essen von Mälzers Team gekocht zu kriegen: die einen viel Gemüse und Nudeln, die anderen schön Hausmannskost, und die dritten ausschließlich Fastfood (über ältere Tests stand auch schonw as im Fernsehblog). Jedes Team hat dieselbe Kalorienmenge bekommen, der einzige Unterschied war, dass die einen deswegen haufenweise Futter auf dem Teller hatten und die anderen mit fettigen Minimahlzeiten auskommen mussten.

Bild zu: Die Woche im Fernsehen: Tim Mälzers Schweinehund bockt rum

Am Ende ist rausgekommen, dass es für die Gesundheit der Versuchsesser völlig unerheblich war, welcher Gruppe sie angehörten.

Und Mälzer hat gesagt: „Mein innerer Schweinehund bockt rum.“ (Wahrscheinlich hatte der Angst, auch noch auf dem Teller zu landen.)

Dabei muss er das gar nicht, denn der „Ernährungs-Check“ war glücklicherweise überhaupt nicht mit den dämlichen Flachtests vergleichbar, mit denen das Erste zuletzt Discountern und Billigtextilschleudern auf die Schliche kommen wollte, sondern war als ernsthaftes Experiment mit wissenschaftlicher Begleitung angelegt. Anstatt das Ergebnis in einen langweiligen Fachaufsatz reinzukehren, hat das Erste eine ziemlich sehenswerte 45-Minuten-Doku draus gemacht (komplett in der Das-Erste-Mediathek ansehen). Deren Ergebnis mag streitbar sein – aber das ist nun wirklich das Beste, was dem schnarchigen Verbraucherfernsehen der ARD passieren kann.

Mälzer war selbst ziemlich experimentierfreudig, hat sich nach einem Grünkohlfleischgelage Blut abzapfen lassen und nach dem Sahnejoghurtlöfflen in den Kernspintomograph gelegt, um vom Arzt erklärt zu bekommen, wie sein Hirn auf fetthaltiges Essen reagiert.

Ganz ohne Zusatzermahnung wollte die ARD ihre Zuschauer dann aber doch nicht ins drohende Frittenfiasko entlassen. Kurz vor Schluss erinnerte Mälzer daran, dass im Experiment alles frisch gekocht war, nicht aus dem Tiefkühler gezogen. Und dass sich das Team bei der Zubereitung peinlich genau an die vorgegebene Kalorienzahl hielt: „Wer jetzt rausgeht und sagt: Ich kann mir jeden Dreck reinpfeifen, der hat die Dokumentation falsch verstanden.“ Für alle, die’s richtig verstanden haben: Könnte die ARD jetzt öfter so spannende Alltagsaufklärung machen?

Das mit den Kalorien sagen wir Axel Prahl jetzt lieber nicht. Der ist nämlich schon ganz wohlgenährt in den Urlaub entschwunden. Und die leckeren Törtchen, der Portwein und die frisch zubereiteten Muscheln, die er in Portugal aufgetischt bekam, haben bestimmt nicht zur Entschlackung beigetragen.

Den Zuschauern kann’s egal sein, denn beim Gastmoderieren der Reisesendung „Wunderschön“ hat Prahl so eine gute Figur gemacht, dass der WDR ihn gerne öfter fortschicken darf. In typischer Urlaubsmontur – also: Ringelshirt mit Dreiviertelhose, Schlappen und Rucksack – ist der Schauspieler mit seiner Freundin durch die Altstadt von Lissabon geschlendert, hat die schönsten Sehenswürdigkeiten abgeklappert, mit einem Fernsehkoch am Herd gestanden, ein Duett mit einer Fado-Sängerin geklampft, sich im Nachtleben versenken lassen und am anderen Morgen mit Kopfschmerzen versucht, die Texte für den Münster-„Tatort“ auswendig zu lernen, der in einer Woche im Ersten läuft. Was man halt so als Normalo im Urlaub alles macht.

Das Angenehme daran war nicht nur hervorragende Mischung aus Reisetipps, Hintergrundinformationen zu Land und Leuten und Klamauk – sondern dass Prahl die ganze Zeit so glücklich und zufrieden aussah als würde er seinen bisherigen Job jederzeit bereitwillig hinschmeißen, um hauptberuflicher Reisefernseheneintüter zu werden. Und dass die gute Laune abgefärbt hat.

Für alle, die gerade keine Zeit oder kein Geld für eigenen Urlaub haben, ist die „Wunderschön“-Extraausgabe ein prima Ersatz. Selbst wenn nach 90 Minuten schon wieder alles vorbei ist (bei wdr.de ansehen).

Irgendwie auch blöd: Da muss so ein Land erst pleitegehen, bevor das Fernsehen wissen will, wie’s eigentlich den Menschen geht, die dort wohnen. Seit Griechenland die Kohle ausgegangen ist, hat die Zahl der Hintergrundreportagen über die dortigen Lebensverhältnisse um gefühlt 150 Prozent zugenommen (siehe z.B. Fernsehblog von neulich).

Womöglich wollte Dennis Gastmann, der sonst für den NDR um die Welt reist, diesmal zuhause bleiben. Immerhin war dann Zeit, um sich zum Vereinsjubiläum des deutsch-griechischen Fußballclubs Hellas Troisdorf einladen zu lassen. Den FDP-Europapolitiker Jorgo Chatzimakakis und den Börsenauskenner Dirk Müller hat er mitgenommen, und dann wurde, Sie haben’s erraten: ausführlich gesoffen.

„Der Gastmann“ ist ganz kleines, unspektakuläres Fernsehen, und eh man sich versieht, ist die „politisch-satirische Talk-Reportage“ (WDR-Eigenauskunft) auch schon wieder rum. Aber das kann auch daran liegen, dass man das Gefühl hat, selbst dabei gewesen zu sein an diesem Abend, als bei Bierchen und Ouzo Investmenttipps die Runde machten („Lass die Finger von der Commerzbank!“), Schuldenrückzahlungsdiskussionen mit Grillresteessen vermischt wurden und Chatzimakakis mit dem örtlichen CDU-Bürgermeister ins Gespräch über Lokalpolitik kam:

Bürgermeister: „Jetzt haben wir hier Schwarz-Grün.“
Chatzimakakis: „Und? Klappt?“
Bürgermeister: „Besser als mit der FDP.“

Der Namensgeber der Sendung hält sich eher im Hintergrund, um aus selbigem dann die ungewöhnliche Runde zu kommentieren (ganze Folge bei wdr.de ansehen). Dass zwischendurch in hübschen Animationen auch noch die Geschichte des antiken Griechenland und die der Entstehung des Geldes abgefeiert werden, ist fast schon zuviel. Und sonst kann „Der Gastmann“ jetzt gerne öfter kommen.

Kurze Trink- und Essenspause: Im „Quiz Taxi Reloaded“ darf nämlich nicht gekrümelt werden. Anlässlich seines 20. Geburtstags hat Kabel 1 den Klassiker wieder flott gemacht, Comedian Murat Topal ans Steuer gesetzt und ist die Woche testweise durchs Vorabendprogramm gekurvt.

Was jetzt genau „Reloaded“ daran sein sollte, wurde nicht erklärt. Das einzige, das sofort auffiel, war die eingebaute LED-Decke im Taxi, auf der Eurozeichen und Countdowns blinken, was eher nervt. Aber sonst ist alles wie immer: Als spontane Quizkandidaten müssen Taxigäste während der Fahrt Fragen beantworten und werden – wenn sie alle Joker verspielt haben – auf die Straße gesetzt. Kreativitätspreis lässt sich damit keiner mehr abräumen, aber im Vergleich zu dem Schrott, der um diese Zeit sonst so läuft, ist das „Quiz Taxi“ immer noch eine Perle der Vorabendunterhaltung (erste Folge bei kabeleins.de ansehen).

Eine Fortsetzung ist trotzdem unwahrscheinlich. Gleich das erste Kandidatenpaar hat Topal schließlich um 920 Euro ärmer gemacht. Damit dürfte das Kabel-1-Budget für Eigenproduktionen für die nächsten Wochen erstmal erschöpft sein.

Gar nichts Schlechtes dabei, diese Woche?

Nee, und das, obwohl ZDFneo „Bambule“ in Serie geschickt hat. Seit dem Testfunk in der „TV Lab“-Woche hat sich am Konzept nicht viel verändert: Magazinmama Sarah Kuttner latscht durch Berliner Innenhöfe, kommt aus Hauseingängen raus und lässt haufenweise gelbe Trams an sich vorbeifahren, während sie abwechselnd mit Großstädtern, Forschern und Promis Luxusprobleme bespricht. Diesmal ging’s darum, dass das Männermaterial um die 30 verweichlicht (in der ZDF-Mediathek ansehen) – was zuvor bereits monatelang in allen Gesellschaftsteilen der Zeitungen ausgelutscht wurde.

Warum es sich dabei zuzusehen lohnt, wie Kuttner sich zwischendurch belegte Brötchen und halbe Hähnchen in den Mund stopft, ließ sich bisher nicht zufriedenstellend klären. Und wenn es verboten würde, Interviews mit „Du bist der Coolste, vielen Dank“ zu beenden, wäre das deutsche Fernsehen ganz sicher ein besserer Ort.

Aber man wird ja wohl neugierig sein dürfen, wie „Bambule“ aussähe, wenn man das Ding mal nicht mit so einem Windelweichthema vollstopfen würde, bei dem am Ende nichts und null an Erkenntnis übrig bliebe. Sondern mit irgendwas Ernsthaftem, Aufrüttelndem, einer steilen Eigenthese oder einer provokativen Dahinbehauptung.Dann darf der Rest ruhig auch so bleiben: der anstrengende Schnitt, der ungeheure Interviewaufwand für die paar Sekunden Knallerzitate, sogar Kuttner mit ihren besonders kecken Kuttnerzwinkereien. Anders gesagt: Relevanz ist das neue Wir-wollen-nicht-Erwachsen-werden!

Soviel für diese Woche.

Screenshots: Das Erste, WDR, Kabel 1, ZDFneo

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16 Lesermeinungen

  1. JMK sagt:

    Mälzer Ernährungscheck kann...
    Mälzer Ernährungscheck kann nie dem „echten Leben“ entsprechen. Welchem auch? Jeder Mensch hat andere Genetik, andere Lebens- und Essensgewohnheiten. Eines hat der Test nicht komplett herausgearbeitet: Dass es grundsätzlich egal ist, was man ist. Es gibt weltweit bis dato keine Studie die beweist, welche Lebensmittel nun gesund oder ungesund sind. Es gibt unzählige Studien, die nicht mehr als Erfahrungsstudien sind, somit nicht übertragbar. Dazu ist der Mensch ein zu komplexes Wesen. Für Ernährungsberater, die uns immer weismachen wollten, dass viel Gemüse, Ballaststoffe, Obst gesund, Zucker und Fett ungesund seien natürlich eine Katastrophe-weil es für diese Aussage keine belegbaren Beweise gibt.

  2. RS sagt:

    Der "Ernährungscheck" mit Tim...
    Der „Ernährungscheck“ mit Tim Mälzer hat mir nicht gefallen.
    Wie bereits von nurmalsozwischendurch und viewer erläutert, war der Versuchsaufbau irreführend und nur darauf ausgelegt das zu beweisen was zu beweisen galt und mal eine „provokante“ These zu untermauern. Etwas billig finde ich.
    Kernaussage der Sendung war wohl:
    „Seid wieder selbstbewusster. Wenn man seinen gesunden Menschenverstand nutzt, kann man eigentlich alles Essen was man möchte.“
    Leider hat die Sendung dann gezielt herausgearbeitet, daß sämtliche Probanden (Mälzer eingeschlossen) diesem scheinbar überschätzten und bereits von der Bessermalgesundessen-Lobby infiltrierten Menschenverstand nicht mehr trauen wollten. Was dann wiederum zu großer Verwunderung über sich selbst führte, da das subjektiv empfundene Wohlbefinden doch ganz andere Ergebnisse signalisierte.
    Aber wozu auf seinen Verstand hören, wenn Redakteure meinen: der ganze Ballast muss nun doch mal weg …
    Selbstbewusstes und interessantes Fernsehen sieht meines Erachtens anders aus.

  3. Jens sagt:

    Da der Ernährungscheck ja in...
    Da der Ernährungscheck ja in der ARD lief und nicht z.B. auf RTL behaupte ich mal, dass der Zuschauer durchaus selbst die Schlussfolgerung „Fastfood macht nicht dick“ nur auf die Menge bezieht, um die es in dem Test ging und gleichzeitig erkennt, dass in der Realität bei McDo, BurgerKing und Co die Portionen grösser sind und daher dann doch fett machen.
    Ich persönlich finde es schrecklich, dass Manche der Ansicht sind, im Fernsehen müsse immer alles bis aufs Letzte ausformuliert und geschlussfolgert werden, damit wird dem Zuschauer jegliches denken abgenommen, er wird ja dazu erzogen, nicht nachzudenken. Für mich eine erschreckende Entwicklung, die man da beobachten kann.

  4. Su sagt:

    Mälzer hat (mal wieder) eine...
    Mälzer hat (mal wieder) eine Show geliefert; der Erkenntnisgewinn war gleich null. Fragt sich nur, warum sowas öffentlich finanziert wird.
    Unter ungesundem Essen versteht man McD, Chips, Nahrung mit künstlichen Zusätzen, gehärtete Fette usw. Wenn man mit frischen Zutaten selbst kocht, ist das Essen niemals in diesem Sinne ungesund, egal ob dabei ein Burger, Gulasch oder Antipasti auf den Teller kommt.
    Außerdem ist klar, dass man auch durch Fastfood nicht zunimmt, wenn man nur dabei auf die Kalorien achtet.

  5. pschader sagt:

    @Su: Sie haben die Sendung...
    @Su: Sie haben die Sendung nicht gesehen, oder? Genau das war doch die Erkenntnis.

  6. Su sagt:

    Hab ich - manche Zeitgenossen...
    Hab ich – manche Zeitgenossen sind nunmal so verfressen, dass sie sich keine Food-Sendung entgehen lassen.
    Ich meinte nur, dass man für Selbstverständlichkeiten (einfach formuliert: kalorienbewusstes und selbst zubereitetes Essen ist immer ok) keine aufwändigen Tests vornehmen, gar einen Wissenschaftler anheuern oder das Ergebnis als wie auch immer geartete Überraschung / Sensationsentdeckung feiern brauch (so war die Sendung aber angelegt).
    Aber ja, man kann andere nicht daran hindern, sinnlos Geld auszugeben, in diesem Fall den Sender.

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