Das Fernsehblog

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Von wegen sterbendes Medium: 225 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt täglich fern. In diesem Blog stehen die Gründe dafür. Und die dagegen.

"Brot und Spiele" und das Unterhaltungsshow-Dilemma der ARD

| 15 Lesermeinungen

Wenn es der ARD ernst damit ist, ihre Unterhaltung zu entstauben, hat sie mit Matthias Opdenhövel einen echten Glücksgriff getan. Wobei das am Samstag gezeigte Open-Air-Spektakel "Brot und Spiele" sich wohl eher nicht als Prototyp eignet. Denn das Erste hat ein Problem: Alles was kein Quiz ist, wird vom Publikum mit Wegzappen bestraft.

Eine Viertelstunde früher als in der Programmzeitschrift angegeben ist Matthias Opdenhövel am Samstag mit der Sendung fertig gewesen. Und wahrscheinlich war das, lange bevor die Quoten feststanden, schon ein sicheres Indiz dafür, dass irgendwas falsch gelaufen sein muss. Da veranstaltet das Erste in einer alten römischen Arena eine abendfüllende Open-Air-Liveshow, für die sämtliche Kostümverleihs des Landes geplündert werden mussten, mit Promis, Spielen, Wagenrennen – und anstatt auch nur eine Sekunde zu überziehen, wollen lieber alle ein bisschen früher nachhause.

Vielleicht war die Unwetterwarnung schuld, die an diesem Abend für das Gebiet über der Arena in Xanten gemeldet wurde und sich dann den Scherz erlaubte, sich in ein paar düsteren Wolken zu verdünnisieren; oder es war schlicht die Langeweile.

Bild zu: "Brot und Spiele" und das Unterhaltungsshow-Dilemma der ARD

Alles hat ein bisschen nach Sommer-„Wetten dass..?“ aussehen sollen bei „Brot und Spiele“, dem ersten mutigen Samstagabendshowtest der ARD seit dem Zusammenbruch des Römischen Reichs (komplett in der Mediathek anschauen). Aber abgesehen vom Sand in der Arena und dem Sonnenuntergang obendrüber war so ziemlich alles falsch an dieser Sendung: die langatmigen Spiele, das fehlende Tempo, vor allem aber das übertriebene Lernziel. Es ist ja eine naheliegende Idee, die Unterhaltung im Ersten mit dem öffentlich-rechtlichen Weiterbildungsauftrag zu kombinieren. „Brot und Spiele“ hat seinem Publikum allerdings das Gefühl gegeben, es dürfe sich nur amüsieren, wenn es vorher sämtliche unsortierten Fakten auswendig gelernt hat, mit denen es in 3D-Animationen, Promi-Einspielfilmen und Spielergebnissen bombardiert wurde. (Fischsauce war „das Maggi der Römer“, hätten Sie’s gewusst?)

Mit wem hätten die Zuschauer zuhause mitfiebern sollen, wo doch die Promiteams kaum auseinanderzuhalten waren? War nicht völlig egal, wer zum Schluss den goldenen Lorbeerkranz aufgesetzt bekommt, weil es sonst um nichts ging? (Nichtmal eine kurze Einkerkerung der Verlierer.) Ist das wirklich ernst gemeint gewesen, ein „Wagenrennen“ zu veranstalten, bei der Andrea Kaiser und Christine Neubauer nacheinander im selben Streitwagen dieselben Pferde antreiben? Und wo war überhaupt die Baggerwette?

Dass zumindest die jungen Zuschauer große Erwartungen an „Brot und Spiele“ hatten, erklären die 9,5 Prozent Marktanteil in der Altersgruppe 14 bis 49 Jahre, die das Erste mit seinen Shows am Samstagabend sonst nicht oft hat.

Bild zu: "Brot und Spiele" und das Unterhaltungsshow-Dilemma der ARD

Das Problem ist nur: Insgesamt sahen gerade einmal 3,11 Millionen Zuschauer ab 3 Jahre zu. Für eine Show mit diesem Aufwand ist das ein katastrophal schlechter Wert. (Und die sommerbedingt allgemein niedrigen Zuschauerzahlen sind keine Ausrede, weil für „Wetten dass..?“ auf Mallorca ja auch genügend Leute eine Ausnahme gemacht haben.)

Eines lässt sich für die ARD aus „Brot und Spiele“ womöglich lernen: Dass die jungen Zuschauer, wenn sie denn überhaupt noch ins Erste finden, dort keine Show erwarten, die in irgendeiner Form etwas mit Schnelligkeit zu tun hat. Genau das durfte Opdenhövel schließlich im Frühjahr mit drei Folgen „Opdenhövels Countdown“ ausprobieren, denen die üblichen ARD-Gewohnheiten am Donnerstagabend völlig schnuppe waren und die in 90 Minuten einfache Kandidaten durch schnelle Spiele jagte, damit ein Finalist am Ende Geld gewinnt.

Das war vielleicht keine Revolution der Spielshow – aber immerhin rasant, ungewöhnlich, kurzweilig. Und ein Flop, nicht nur bei den über 50-Jährigen, sondern erstaunlicherweise auch bei den jungen Zuschauern. Nach einem schwachen Start und einer schwächeren Fortsetzung lag der Marktateil in der dritten Show Ende Mai gerade noch bei 3,5 Prozent (14 bis 49 Jahre).

Das ist zum einen eine ungewohnte Situation für Opdenhövel, der bei „Schlag den Raab“ lange Zeit das Gegenteil gewohnt war. Es ist aber auch eine Herausforderung für die ARD, die bisher nicht dafür belohnt wurde, sich endlich einmal etwas Neues zu trauen, das auch wieder auf ein Publikum zielt, welches die große Showunterhaltung im Ersten in den vergangenen Jahren fast völlig verloren gegeben hat. Das Problem ist: All die Pilawa-Jahre haben die -vornehmlich älteren – Zuschauer darauf konditioniert, wie Unterhaltungsshows im Ersten auszusehen haben: ausschließlich nach Quiz. Nach Pilawas Weggang hat das Erste nur die Moderatoren ausgetauscht, nicht die Herangehensweise. Das rächt sich jetzt.

Denn wenn einmal alles anders aussieht, schalten die Gewohnheitszuschauer weg. Und die jungen, wie bei „Opdenhövels Countdown“, trauen der ARD eine solche Show nicht zu oder finden sie erst gar nicht.

Der neue ZDF-Unterhaltungschef Oliver Fuchs wird ein ähnliches Problem haben, wenn er irgendwann neue Konzepte ausprobieren will, weil ihm sein Vorgänger (in Kooperation mit Programmdirektion und Intendanz) gerade einen Quizklon nach dem nächsten durchs Programm schickt und das Publikum die Eintönigkeit als Standard akzeptiert.

Wenn es der ARD ernst damit ist, ihre Unterhaltung zu entstauben, hat sie mit Matthias Opdenhövel einen echten Glücksgriff getan. Weil die Zuschauer dem noch am ehesten abnehmen, dass er für eine flottere Form des Entertainments steht. Noch scheint sich das nicht herumgesprochen zu haben. Aber im Gegensatz zum ZDF ist die ARD schon mal auf dem richtigen Weg und probiert was aus. Um das junge Publikum zurückzuholen und die älteren Zuschauer umzugewöhnen, wird das öffentlich-rechtliche Fernsehen allerdings noch so manche schlechte Quote in Kauf nehmen müssen. Da hilft kein Gejammer und kein Mitleid. ARD und ZDF haben sich das selbst eingebrockt. Es wird Zeit, dass sich was ändert.

Es muss ja das nächste Mal nicht gleich ein dreistündiges Kostümspektakel sein, bei dem der Kommentator zwischendrin das Publikum erinnern muss, dass es nicht zum Einschlafen hergekommen ist.

Fotos: Das Erste

Das Fernsehblog macht mal kurz Sommerschlaf, wünscht allen Lesern ein paar sonnige Wochen und ist im August wieder da. (Und natürlich weiterhin bei Facebook und Google+.)


15 Lesermeinungen

  1. Naja, vielleicht liegt es auch...
    Naja, vielleicht liegt es auch daran, dass der/sie Zuschauer einfach keine läppischen Promi-Wettkämpfe sehen wollen, weil sie dieser Leute längst überdrüssig geworden sind. Solche Wettkämpfe sind dann ähnlich spannend wie ein Fußballspiel zwischen Litauen und Bulgarien. Und was bedeutet eigentlich „flottere Form des Entertainments“? Ist das nicht ein bisschen „weißer Schimmel“?

  2. Jeeves sagt:

    Fischsauce war "das Maggi der...
    Fischsauce war „das Maggi der Römer“, hätten Sie’s gewusst?
    Ja.

  3. Sven sagt:

    Es war eigentlich eine gute...
    Es war eigentlich eine gute Show, nur der Moderator zu steif und oberlehrerhaft.

  4. Frustriert sagt:

    Letztendlich spricht doch aus...
    Letztendlich spricht doch aus diesen ganzen „Bemühungen“ nur noch die Verzweiflung der Programmacher. Wir wollen ganz dolle innovativ sein, aber auf keinen Fall darf das potentielle Zoo/Pilcher/Neubauer/Jauch/Brisant/Mutantenstadl/Gut Aldershof(?/Irgendwas mit Quiz/Schland/Royals/etc./-Publikum verprellt werden. DAS muß erstmal einschalten wollen, um einen Sockel zu haben. Deswegen hat es ja dann natürlich auch immer wieder die gleichen hausinternen lebenden TV-Zombies und „Promis“ versammelt. Vermutlich kostengünstige Corporate Zwangs-Identity. Und was sind die auch alle immer so wahnsinnig spontan, lustig und bestens gelaunt. Damit wenigstens ansatzweise die Quote, die natürlich nichts mit Qualität zu tun hat, in einer lächerlichen Monats/Jahressrechnung zu den Privaten mithalten kann. In der berühmten 14-49/59-Gruppe haben die meisten doch nur Verachtung speziell für die ARD übrig (Tenor: ZDF hat halt noch ein paar Krimis). Da ist man heute schon froh, daß 10% von denen noch die Tagesschau sehen. Was wäre dieser Laden erst ohne Fußball und Olympia. Gut, daß gerade nicht von den Dritten die Rede ist…

  5. Die These dieses Blogs ist...
    Die These dieses Blogs ist meiner Ansicht nach erschütternd; empfehlen sie ernsthaft den öffentlich rechtlichen Medien den onehin schon dahinschwindenden Bildungsauftragsansatz zugunsten noch mehr Marktanpassung weiter abzubauen?!
    ARD kann nicht nur sondern soll auch nicht mit Privatkonzernen um Top-Entertainment Slots konkurrieren, sinnfreie Riesenproduktionen wie das große TV Total Robbenklatschen bringt der Markt auch ohne öffentliche Finanzierung.
    Wenn das Interesse nach Bildung nachlässt ist es doch geradezu grotesk Bildung einfach nicht mehr anzubieten, wohlgemerkt sage ich das als mittzwanziger. Ich hoffe ernsthaft dieser Blog ist Satire.

  6. Sabina sagt:

    Tja, so ist das mit dem...
    Tja, so ist das mit dem Halbwissen. Lieber Herr Schrader, das mit dem Kostümfundus ist nicht ganz richtig.
    Die Gewänder die von uns “ so genannten Statisten“ getragen wurden, sind nach historischen Funden oder Abbildungen nach gearbeitete Kleidungsstücke.
    Leider hat man im ARD zwar unser ganzes Knowhow zu schätzen gewusst, es jedoch versäumt diese Wertschätzung einmal zu erwähnen. Die Geschütze, die Ausrüstungen der Legionäre und auch die Zivilkleidung sind in mühevoller Handarbeit von uns hergestellt worden.
    Die drei Gruppen heißen außerdem: Milites Bedenses aus Bittburg , Römerkohorte Opladen und Gemina Projekt aus den Niederlanden.
    Schöne Grüße
    Sabina

  7. Joesch sagt:

    Wenigstens recht gut gemachter...
    Wenigstens recht gut gemachter Geschichtsunterricht mit
    sehr guter Reenactment Gruppe und kein üblicher Ami- Scheiss.

  8. Rainer sagt:

    Sabina hat vollkommen recht....
    Sabina hat vollkommen recht.
    Wir von den Römergruppen haben fast die ganze Ausstattung gestellt. Dankenswerterweise durften wir dann zum Schlussbild nochmal in die Arena einmarschieren wurden aber nicht namentlich erwähnt.
    Die Kürzung der Sendezeit hatte dann auch zur Folge das unsere Präsentationen drastisch gekürzt wurden. Mareile Höppner, die übrigens immer sehr freundlich zu uns war, musste dann in Sekundenschnelle durch das Lager und die Küche sausen. So bekam der Zuschauer nicht richtig zu sehen was wir mit viel Liebe zum Detail in stundenlanger Arbeit aufgebaut hatten.

  9. Daniel sagt:

    "Recht gut gemachter...
    „Recht gut gemachter Geschichtsunterricht“? Genau das bezweifeelt Per Schader ja, und meiner Meinung nach zurecht.
    Eine grosse Abendshow mit langweiligen Spielen und den unvermeidlichen B-Promis wird eben auch durch den Bildungsanspruch nicht interessanter.
    An der Stelle ist eigentlich sogar das ZDF als Vorbild zu nennen: Man muss Guido Knopp nicht mögen, aber dort bekommt man Geschichte vermittelt mit Reenactment und allem Zipp und Zapp und die Leute gucken es sogar.
    Und zum Thema Opdenhövels Countdown: Die Show war ja ganz nett, aber nunauch nicht wirklich herausragend. Niemand markiert sich wegen einer solchen Show den Donnerstag abend im Kalender. Und das ist IMHO kein ARD-spezifisches Problem. Es gibt einerseits ein Übermaß schlechter Spielshows auf diverasn Sendern und andererseits will offenbar kaum jemand mehr überhaupt irgendwelchen mittelprächtigen Spielshows sehen. Nicht auf der ARD und auch nicht woanders, siehe „17 Meter“, „Mein Mann kann“ etc.

  10. Gastleser sagt:

    Ich fand die Sendung sehr...
    Ich fand die Sendung sehr interessant und man hat Einblicke in das römische Leben bekommen. Die Spiele waren abwechslungsreich und wenn man ein Mindestmaß von Geschichts-Interesse hat (der Autor mag dann wohl doch lieber Supertalent) hat sich die Sendung schon gelohnt. Ich würde gerne mehr von diesen Sendungen sehen, vielleicht mit dem Thema Mittelalter.
    Guido Knopp als Vorbild zu nehmen, was jemand im Forum geschrieben hat, finde ich allerdings sehr weit hergeholt. Man sollte die Dokus von Hr. Knopp mit Literatur oder ausländischen Dokus abgleichen, dann erkennt man so manche Ungenauigkeit.
    Das Wort B-Promi kann ich auch nicht mehr hören. Es scheint ja mittlerweile zum guten Ton zu gehören, gerade diese Kritik einzubringen. Es soll mir jemand 2 Promis nennen, die besser als Gladiatoren geeignet gewesen wären als Ralf Möller und Henry Maske.

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